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IG Metall: Gewerkschafter gegen Gewerkschaft

Drei Berliner Daimler-Arbeiter sollen aus der IG Metall fliegen. Die Männer hatten auf einer eigenen Betriebsratsliste kandidiert. Heute wird gegen den Ausschluss demonstriert.

Berlin - Sie schweigen. Die hohen Betriebsräte der Autokonzerne, die Funktionäre in der Frankfurter Gewerkschaftszentrale, die Tarifexperten – niemand will sich zum Streit in der IG Metall äußern. „Zum laufenden Verfahren sage ich nichts“, sagte ein führender Gewerkschafter. „Das ist deren interne Angelegenheit“, erklärte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Dabei wird in der mit 2,3 Millionen Mitgliedern größten Gewerkschaft des Dachverbands seit den Betriebsratswahlen im März so heftig gestritten, dass drei Berliner Metaller vor dem Rausschmiss stehen.

Den Ausschluss der drei Daimler-Arbeiter hat die zuständige Kommission der Berliner IG Metall empfohlen – wegen „gewerkschaftsschädigendem Verhalten“. Auslöser war die Kandidatur der Männer auf einer eigenen Betriebsratsliste. Bei Daimler in Berlin-Marienfelde traten sie unter dem Namen „Alternative“ an – und kandidierten gegen die offizielle Liste der Gewerkschaft. Die galt ihnen als zu kompromissbereit. Rund 25 Prozent der Stimmen bekam die „Alternative“, 65 Prozent die offizielle Gewerkschaftsliste. „Wir beraten demnächst über den Fall“, sagte Klaus Abel vom Ortsvorstand der Berliner IG Metall. Unterstützer der drei Gewerkschafter protestieren am heutigen Donnerstag vor dem IG-Metall- Haus am Halleschen Tor in Berlin-Kreuzberg. Auch Bodo Zeuner, bis 2006 Professor an der Freien Universität Berlin, fordert die IG Metall zum Einlenken auf. Die Unterstützung für die Unruhestifter aus Marienfelde ärgert aber Gewerkschafter in anderen Betrieben: Die drei Marienfelder hätten den „demokratisch gefassten Beschluss“ der IG Metall ignoriert, auf einer geschlossenen Liste anzutreten, den Oppositionellen habe man dabei sogar die Zusammenarbeit angeboten. Aus Kreisen der „Alternative“ wird dem widersprochen, die Gewerkschaftsspitze habe die kämpferischen Kollegen nie ernst nehmen wollen.

Neu ist der Flügelkampf nicht. Schon in den 1970er Jahren gab es linksgewerkschaftliche Betriebsratslisten – bis zu 40 Prozent der Beschäftigten unterstützten damals die Liste der unorthodoxen Plakat-Gruppe bei Daimler in Stuttgart-Untertürkheim. Auch deren Kandidaten flogen aus der IG Metall. Seit den 1990er Jahren gibt es bundesweit die „Alternative“-Listen. In Untertürkheim hatte die „Alternative“ dieses Jahr auf eine eigene Liste verzichtet, die Gewerkschaft akzeptierte dafür die Betriebszeitung ihrer linken Abweichler.

„Heute aber will man in Frankfurt mit Gewalt einen Flächenbrand verhindern“, sagte ein Funktionär. Auch bei Daimler in Kassel und Sindelfingen drohten Gewerkschaftsausschlüsse. In Kassel haben die Oppositionellen vier, in Sindelfingen ein Mandat im Betriebsrat. Aus Sindelfingen kommt der mächtige Daimler-Gesamtbetriebsrat Erich Klemm, ein wichtiger Mann in der IG Metall.

Eigentlich könnte die Gewerkschaft die konfliktfreudigen Mitglieder gut brauchen. Die IG Metall hat „Wochen der sozialen Unruhe“ gegen das Sparpaket der Bundesregierung angekündigt. Über die drei Berliner entscheidet letztlich der IG-Metall-Vorstand in Frankfurt am Main. „Dort wird auf die Gesamtbetriebsräte der großen Autokonzerne gehört“, sagt ein Gewerkschafter. „Und die wollen die Querulanten aus Marienfelde nicht.“ Der Daimler-Gesamtbetriebsrat Erich Klemm war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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