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Die Berliner Humboldt-Universität: Sie könnte eine der Orte werden, an denen verstärkt in Sachen IT geforscht wird.

© Arno Burg / dpa

Google-Chef Eric Schmidt: So könnte Berlin das europäische Silicon Valley werden

Gründergeist gibt es in Berlin genauso wie im Silicon Valley. Was Berlin aber von Kalifornien unterscheidet: Ein großer Mangel an IT-Forschung neben der bloßen Anwendung. Berlin hat die Chance, sich zur europäischen Digitalhauptstadt zu entwickeln - wenn jetzt das Richtige getan wird.

In meinem Job reise ich viel und kann mich mit eigenen Augen überzeugen, wie stark die digitale Innovation an vielen Orten voranschreitet. Immer häufiger führt mich mein Weg nach Berlin, das nach meiner Beobachtung mehr und mehr die Chance hat, sich zu einer europäischen Digitalhauptstadt zu entwickeln – in Kunst und Kultur, Medien und Wirtschaft.

Hier, wo einst der „eiserne Vorhang“ den Kontinent teilte, wird heute alle 20 Stunden ein Start-up gegründet. Es entstehen Betriebe, die virtuos alte und neue Kompetenzen bündeln und vernetzen. Dabei setzen die jungen Unternehmer auf jenen einmaligen „Berliner Mix“ aus günstigen Mieten, kultureller Vielfalt und guter Infrastruktur.

Leidenschaft für Informatik entfachen

Wenn Berlin in die globale Spitzenliga der Digital-Standorte vorrücken und sich dort fest etablieren will, ist die Schlüsselfrage: Wie gelingt es der Stadt, zum attraktivsten Ort nicht nur für die besten Talente, sondern auch in der technischen Ausbildung zu werden? Die erfolgreichsten Digitalstandorte sind Ökosysteme nicht nur der Anwendung, sondern auch der IT-Forschung und -Lehre. Ein Blick auf die Weltkarte der digitalen Metropolen zeigt, dass es in Europa heute noch kein so eindeutiges Zentrum gibt wie in den USA mit der Region rund um die Universität Stanford, die heute jeder als Silicon Valley kennt.

Berlin hat die Chance, diese Rolle in Europa einzunehmen. Um dahinzugelangen, muss die Leidenschaft insbesondere für Informatik und technische Studiengänge entfacht werden. Ich habe daher viel Sympathie für den Vorschlag des Tagesspiegel-Herausgebers Sebastian Turner, in Berlin 100 zusätzliche Professuren einzurichten für alle Fragen der Digitalisierung.

Gründung eines interdisziplinären Forschungsinstituts

Man wird diese Stellen nicht über Nacht schaffen und besetzen können. Wenn aber Berlin in der digitalen Zukunft erfolgreich sein möchte, sind hier solche Menschen gefragt, die alle Facetten der Digitalisierung von Grund auf beherrschen.

Eric Schmidt
Eric Schmidt

© picture alliance / dpa

Zur Förderung der Internetforschung in Berlin hat Google schon 2011 die Gründung eines unabhängigen und interdisziplinären Forschungsinstituts unterstützt: das Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG). Unser Ziel dabei war es, die Forschung zu stärken und eine Grundfinanzierung zur Verfügung zu stellen. Die wissenschaftliche Arbeit und Ausgestaltung der Organisation blieb allein den akademischen Trägern überlassen, der Humboldt-Universität zu Berlin, der Universität der Künste Berlin, dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung sowie dem Hans-Bredow-Institut aus Hamburg.

Heute knapp vier Jahre nach der Eröffnung hat das Humboldt-Institut eine großartige Erfolgsgeschichte geschrieben. Gut 50 Mitarbeiter forschen und publizieren zu Themen wie „Internet Governance“, „Digitalisierung der Wissenschaft“ oder „Entrepreneurship and Innovation“. In eigenen „Start-up-Clinics“ werden Gründer auf ihrem Weg zum Unternehmen begleitet.

Das digitale Zeitalter hautnah miterleben

Dabei sucht das HIIG-Team durch eine Vielzahl von Veranstaltungen zu aktuellen Fragestellungen der Digitalisierung den Austausch jenseits der eigenen Forscher-Community. Die Zahl der Unterstützer und Förderer ist dabei stetig gewachsen, und längst entfaltet das Institut auch internationale Strahlkraft. So ist es Mit-Initiator eines Netzwerkes der renommiertesten Internetforschungsinstitute weltweit, darunter das Berkman Center in Harvard. Und für 2016 konnte das HIIG die weltweit wichtigste Konferenz der Internetforscher (AOIR) nach Berlin holen.

Kaum irgendwo auf der Welt kann man den Übergang in das „digitale Zeitalter“ so hautnah miterleben wie in Berlin. Für die deutsche Hauptstadt bietet der Übergang in das digitale Zeitalter die einmalige Chance, auch wirtschaftlich an frühere Glanzzeiten anzuknüpfen. Damals Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts machten Unternehmen wie AEG, Loewe, Siemens oder Telefunken Berlin zur „Elektropolis“, dem Herzen der globalen Rundfunk- und Elektronikindustrie. Warum sollte es heute – 70 Jahre nach Kriegsende – nicht erneut gelingen, ein bedeutendes internationales Wirtschaftszentrum an der Spree zu schaffen? Ich spüre diese Aufbruchstimmung bei jedem meiner Besuche. Und jedes Mal, wenn ich zurückkomme, wird dieses Gefühl stärker.

Eric Schmidt ist Verwaltungsratschef von Google. Er spricht am Mittwoch auf einer prominent besetzten Gründerkonferenz, der Noah-Konferenz, die an diesem Dienstag und Mittwoch im Berliner Tempodrom stattfinden wird.

Eric Schmidt

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