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Reicht das Geld? Griechenlands Automarkt ist um vier Fünftel geschrumpft. Alles über zwei Liter Hubraum hält der Staat für Luxus.

© dpa

Griechenland in der Krise: Ein Land geht zu Fuß

Immer weniger Griechen können sich ein Auto leisten und melden es ab. Der Pkw-Markt liegt am Boden.

Die Schlange vor dem Finanzamt im Athener Küstenvorort Glyfada ist lang, weit mehr als 200 Menschen stehen vor der Behörde an. In diesen Tagen wird in Griechenland die Kfz-Steuer fällig. Aber die meisten der Wartenden sind nicht gekommen um zu bezahlen. Sie haben die Nummernschilder ihrer Autos unter dem Arm. Wie Pavlos Becharis. 880 Euro Autosteuer soll der Pensionär für seinen 5er BMW in diesem Jahr bezahlen, dazu noch einmal 1120 Euro Luxussteuer – „viel Geld für ein neun Jahre altes Auto“, erregt sich Becharis.

Seit 2010 hat ihm die Regierung die Rente um fast 25 Prozent gekürzt, 910 Euro netto bekommt der 68-Jährige noch. „Ein Auto kann ich mir jetzt nicht mehr leisten, ich gehe zu Fuß ins neue Jahr“, sagt der pensionierte Handwerker.

Seit 2009 legten 1,5 Millionen Griechen ihre Fahrzeuge still

Großer Andrang wie in Glyfada herrscht jetzt bei den meisten griechischen Steuerämtern. Auch bei den Banken und Postämtern kann man die Steuern einzahlen. Entsprechend lang sind dort ebenfalls die Warteschlangen vor den Schaltern. Eigentlich lief die Frist für die Zahlung der Kfz- und Luxussteuer am 31. Dezember ab. Aber weil am Silvestertag trotz extra verlängerter Öffnungszeiten der Finanzämter immer noch rund eine Million der rund 5,5 Millionen Autobesitzer nicht gezahlt hatten, gewährte das Finanzministerium eine Verlängerung bis zu diesem Wochenende.

Doch viele haben das Geld nicht. Seit Beginn der Krise 2009 haben bereits 1,5 Millionen Griechinnen und Griechen ihre Fahrzeuge stillgelegt. Am Straßenrand ohne Nummernschilder geparkte Autos sind inzwischen ein gewohnter Anblick, obwohl diese Art des Dauerparkens nicht erlaubt ist. Die Besitzer müssen fürchten, dass die Autos irgendwann abgeschleppt und verschrottet werden. Vielleicht hoffen sie sogar darauf, um die Kosten für den Abtransport zu sparen. Andere Autobesitzer haben ihre stillgelegten Fahrzeuge auf Privatgrundstücken abgestellt und mit Planen geschützt – in der Hoffnung auf bessere Zeiten.

Arbeitslosenquote in Griechenland beträgt aktuell 27 Prozent

Mit der Einführung der neuen Luxussteuer auf alle Fahrzeuge mit mehr als 1929 Kubikzentimetern Hubraum wird der Kfz-Bestand noch einmal deutlich dezimiert. Seit Anfang November haben mehr als 100 000 Fahrzeugbesitzer ihre Kennzeichen bei den Behörden abgeliefert. Auto- und Luxussteuern können sich für größere Fahrzeuge auf bis zu 6700 Euro im Jahr summieren. Es gibt nur noch wenige, die sich das leisten können. Die Arbeitslosenquote beträgt aktuell 27 Prozent. Die Kaufkraft der griechischen Privathaushalte hat sich seit Beginn der Krise um durchschnittlich fast 40 Prozent verringert. Im dritten Quartal 2013 lagen die Löhne um 5,7 Prozent unter dem Vorjahresniveau.

Auch die Autohändler leiden unter der Krise. Die Zahl der Neuzulassungen ging von 280 000 im Jahr 2007 auf nur noch 55 000 Fahrzeuge im vergangenen Jahr zurück – der Markt ist mithin um vier Fünftel geschrumpft. Zum Vergleich: In Deutschland wurden 2013 insgesamt 2,95 Millionen Neuwagen registriert. Griechenlands Automarkt liegt am Boden. Allein von Januar bis Ende November 2013 sanken die Neuzulassungen nach Zahlen des europäischen Branchenverbands ACEA um 40 Prozent. Dies war der stärkste Rückgang in einem Land der Europäischen Union. Positive Nebenwirkung: Weil immer weniger Autos unterwegs sind, fließt der Verkehr flüssiger. Die chronischen Athener Staus haben sich weitgehend aufgelöst.

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