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Warten auf Regen. Seit Monaten hat es im Mittleren Westen der USA nicht mehr geregnet, eine Hitzewelle liegt über dem Land. Weite Teile der Korn-, Mais- und Sojaernte sind in Gefahr. Das treibt die Preise in die Höhe.

© REUTERS

Hitze in Amerika: Die Opfer der Dürre

US-Farmer fürchten um ihre Ernte. Schon jetzt werden auf dem Weltmarkt Weizen, Mais und Soja teurer. Das belastet vor allem die Menschen in den armen Ländern. Aber auch die deutschen Milchbauern klagen.

Berlin - Himmel, hilf! Auch Stoßgebete nützen den Farmern im amerikanischen Corn Belt, dem Mais-Gürtel im Mittleren Westen der USA, nicht mehr. Seit Juni liegt eine Hitzewelle mit Temperaturen von um die 40 Grad auf dem Land. Nur noch ein Viertel der Pflanzen ist nach Einschätzung des US-Landwirtschaftministeriums in einem guten Zustand, die Mais-Ernte könnte um ein Drittel niedriger ausfallen als geplant. Für den Regentanz, den US-Landwirtschaftsminister Tom Vilsack nach eigener Aussage aufführen würde, wenn er wüsste, wie er geht, wären auch die Bauern in Russland, Südeuropa und Südamerika dankbar. Auch ihnen droht anhaltende Trockenheit die Ernte zu verderben.

Was für die lokalen Bauern eine persönliche Katastrophe ist, hat globale Auswirkungen. Seit Beginn der Dürre ist der Maispreis an der Leitbörse in Chicago um 40 Prozent gestiegen. Nicht viel besser sieht es bei Sojabohnen und Weizen aus. Sie verteuerten sich seit Jahresbeginn um rund ein Drittel. Das hat Konsequenzen – bis hin zu den Milchbauern in Deutschland. „Dieses Jahr werden 3000 bis 5000 Höfe nicht überleben“, warnt Hans Foldenauer vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM). Die Bauern würden in die Zange genommen: Die Preise für das Futtermittel Sojaschrot seien bereits von Januar bis Juli um fast 50 Prozent gestiegen und dürften noch weiter anziehen. Zugleich erhalten die Milchhalter weniger Geld für ihre Erzeugnisse. Der Milchpreis ist im ersten Halbjahr durchschnittlich um 5,4 Prozent gesunken.

Aber nicht nur die deutschen Viehhalter steuern auf harte Zeiten zu. Die Vereinten Nationen (UN) und nicht staatliche Hilfsorganisationen warnen vor dramatischen Auswirkungen der Ernteausfälle auf Menschen in armen Ländern. „Schon geringe Preisanstiege können in Entwicklungsländern Hungerkatastrophen auslösen“, sagt Foodwatch-Sprecherin Christiane Groß. Nach Angaben des World Food Programms der UN geben Haushalte in Staaten jenseits von Industrie- und Schwellenländern bis zu vier Fünftel ihres monatlichen Einkommens für Nahrungsmittel aus.

Für die Welternährungsorganisation FAO ist die Lage derzeit noch nicht ganz so dramatisch wie Anfang 2011. Damals stand der von der UN-Organisation erhobene Lebensmittelpreisindex bei 238 Punkten. Aktuell sind es 213. Grund zur Entwarnung ist das jedoch keineswegs: Während der letzten großen Welternährrungskrise 2008, als es in vielen armen Ländern zu Unruhen wegen der schlechten Versorgung gekommen war, lag der Index niedriger. Bereits jetzt fehlten 3,3 Milliarden Euro an internationalen Hilfen, um der rund einen Milliarde hungernder Menschen weltweit zu helfen, hat die Hilfsorganisation Oxfam errechnet. Der Betrag werde sich in den kommenden Monaten erhöhen, weil die Ernteausfälle sich erst dann wirklich bemerkbar machen würden.

Foodwatch fordert härteres Vorgehen gegen Spekulanten

„Es gibt viele Anzeichen dafür, dass die hohen Lebensmittelpreise in den kommenden Jahren anhalten werden“, heißt es bei der FAO. Mit dieser Einschätzung steht die UN-Organisation nicht allein da. Es bestehe die Gefahr einer „Agflation“ – einer anhaltenden Verteuerung von Agrarrohstoffen, schreibt Eugen Weinberg von der Commerzbank in einer aktuellen Analyse. Die Lager für Getreide und Sojabohnen sind fast leer. Selbst wenn die globale Produktion, wie von der FAO prognostiziert, über der weltweit benötigten Menge liegt, dürfte das kaum reichen, die Speicher aufzufüllen und damit Druck von den Preisen zu nehmen. Hinzu kommt: Nach Prognosen der Vereinten Nationen wird die Weltbevölkerung von derzeit sieben auf mehr als neun Milliarden Menschen zur Mitte des Jahrhunderts wachsen. Unter anderem wegen der veränderten Ernährungsgewohnheiten müsste die Lebensmittelproduktion bis dahin um mehr als zwei Drittel zunehmen: Die Menschen in Schwellenländern essen dank des steigenden Lebensstandards immer mehr Fleisch – für ein Kilo Fleisch sind zehn Kilo Futter nötig.

Nichtregierungsorganisationen wie Oxfam oder Foodwatch fordern vor diesem Hintergrund ein härteres Vorgehen gegen Spekulanten, etwa Fondsbetreiber, die an den Rohstoffbörsen Geld mit den knapp gewordenen Agrarerzeugnissen machen. „Wir brauchen endlich schärfere Regeln an den Handelsplätzen“, meint Oxfam-Sprecherin Svenja Koch. Die Organisation ist bereits mit einem konkreten Katalog an Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) herangetreten, in dem sie unter anderem ein Verbot des computergestützten Hochfrequenzhandels fordert. Eine groß angelegte Studie von Foodwatch ergab, dass der Anteil der aus spekulativen Gründen gehaltenen Kontrakte an der Chicagoer CBOT bei 80 Prozent liegt. Auch deutsche Finanzkonzerne beteiligen sich weiter an den Wetten auf Getreidekurse. Nach Oxfam-Schätzungen hat die Allianz dort 2011 rund 6,2 Milliarden Euro angelegt, die Deutsche Bank 4,6 Milliarden Euro. Sie sehen die Geschäfte weder als spekulativ noch als unethisch. Anders die Commerzbank: Sie ist jüngst ausgestiegen. mit dapd

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