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Auch so ein Millionengrab: Die Kosten der Elbphilharmonie übersteigen die Ursprungsplanung um 146 Prozent.

© dpa

Horrende Kosten nicht nur am BER: Studie belegt: Großprojekte geraten immer mehr außer Kontrolle

Laut einer neuen Studie haben sich 170 Bauvorhaben seit 1960 als teurer als geplant herausgestellt. Insgesamt haben sie 59 Milliarden Euro mehr gekostet. Der Flughafen BER gilt als „Muster-Negativbeispiel“.

Die Kostenexplosion und das Terminchaos am Berliner Großflughafen BER sind kein Einzelfall. Seit 1960 liefen bei 170 in Deutschland realisierten öffentlichen Großprojekten die Kosten regelmäßig aus dem Ruder. Unter dem Strich waren beziehungsweise sind die abgeschlossenen (119) und noch laufenden Infrastrukturprojekte (51) um 59 Milliarden Euro teurer als geplant – statt 141 werden sie mindestens 200 Milliarden Euro kosten. Zu diesem Ergebnis kommt eine am Dienstag in Berlin veröffentlichte Studie der Hertie School of Governance mit dem Titel „Großprojekte in Deutschland – Zwischen Ambition und Realität“.

125 Prozent teurer, doppelt so lange im Bau

Wenn auch der BER ein Fall von vielen ist, so lässt sich doch in Berlin besonders gut nachweisen, was schiefläuft, wenn schon in der Projektplanung gravierende Fehler gemacht werden. Die Autoren der Studie unter der Leitung der Wissenschaftlerin Genia Kostka sprechen beim Flughafen von einem „Muster-Negativbeispiel“. In Zahlen: Die Kosten für den Bau des BER von derzeit 5,4 Milliarden Euro liegen um 125 Prozent über der ursprünglichen Planung. Die Zeit für die Fertigstellung (7,5 Jahre) übersteigt die Vorhersage um 200 Prozent. Die Ursachen sind bekannt: ein überfordertes Management, ein von Politikern dominierter Aufsichtsrat ohne hinreichendes Fachwissen, kein unabhängiges Controlling, Wildwuchs bei zahllosen Gewerken, Planungsänderungen, Koordinierungsprobleme, Terminverschiebungen. „Mit externem Sachverstand und einer zeitlich und finanziell ausreichend bemessenen Planungsphase hätten sämtliche Fehler vermieden werden können“, glaubt der Autor der Studie Jobst Fiedler. Zumal es sich beim BER mit Ausnahme der Brandschutzanlage um ein Standard-Großprojekt handele, bei dem kaum fehleranfällige, neue Technologien eingesetzt würden.

Privates Kapital senkt das Risiko

Um Probleme wie beim BER oder der Hamburger Elbphilharmonie (146 Prozent Kostenüberschreitung) zu vermeiden, empfehlen die Wissenschaftler, mehr privates Know-how und Kapital in die Planung und Durchführung von öffentlichen Großprojekten einzubeziehen. So müssten Aufsichts- und Steuerungsgremien auch mit Personen mit „privatwirtschaftlicher und Baukompetenz“ besetzt werden. Um gegenüber privaten Baufirmen „auf Augenhöhe agieren“ zu können, wird öffentlichen Bauherren außerdem empfohlen, mit erfahrenen Projektpartnern zusammenzuarbeiten. Das Risikomanagement verbessere sich, wenn privates Kapital mobilisiert werde – etwa durch eine finanzielle Beteiligung an einer Realisierungsgesellschaft oder durch die Beauftragung eines Generalunternehmers.

Politiker täuschen – und überschätzen sich selbst

Die Berliner Experten empfehlen, eine öffentlich zugängliche Datenbank aufzubauen, in der große Infrastrukturprojekte systematisch erfasst und ausgewertet werden. Die Studie verweist hier auf das britische Vorbild der „Major Project Authority“. Böse finanzielle Überraschungen könnten überdies vermieden werden, wenn Projekte sektorspezifischen Referenzklassen zugeordnet würden. So könnten mit entsprechenden „Risiko-Aufschlägen“ mögliche Kostensteigerungen kalkulierbar gemacht werden.

Der Studie zufolge werden vor allem bei Großprojekten der Informations- und Kommunikationstechnologie und des Energiesektors die Budgets gesprengt, gefolgt von den Bereichen Rüstungsbeschaffung, Gebäude und Verkehr. Bei der Ursachenforschung verweisen die Autoren auf den Einfluss der Politik und deren Neigung zu strategischer Täuschung und Selbstüberschätzung. „Durch Großprojekte mit explodierenden Kosten droht die Politik an Glaubwürdigkeit zu verlieren“, sagte Genia Kostka, Professorin für Governance von Energie und Infrastruktur an der Hertie School. „Unsere Forschungen zeigen, dass man wirksam gegensteuern kann.“

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