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Modulbau macht’s möglich. Diese Apartments in Heidelberg könnten Vorbilder für Flüchtlingshäuser sein.

© Holzbau Büker

Flüchtlinge in Berlin: Evangelische Kirche baut auf Friedhöfe

In Neukölln und Kreuzberg entstehen zwei neue Wohnkomplexe in Modulbauweise und bester Energieeffizienz.

Die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz will dem Land Berlin rund 50.000 Quadratmeter ihrer nicht mehr benötigten Friedhofsflächen zur Verfügung stellen, damit hier Wohneinheiten für Flüchtlinge in Leichtbauweise errichtet werden können. Das kündigte Bischof Markus Dröge diese Woche an.

Außerdem plant der Evangelische Friedhofsverband nach Tagesspiegel-Informationen konkret den Bau von zwei Flüchtlingswohnheimen, die zunächst vom Friedhofsverband errichtet und später von den diakonischen Werken der Bezirke Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg betrieben werden sollen. Entstehen sollen an zwei Standorten Einheiten in Holzbauweise mit insgesamt rund 270 Plätzen und Gemeinschaftseinrichtungen. Bereits im März hatte Verbandsgeschäftsführer Jürgen Quandt ein rundes Dutzend Standorte auf stillgelegten oder nicht mehr bewirtschafteten Friedhofsflächen ausgewiesen, die entsprechend bebaut werden könnten.

Die Stadt Berlin hat wesentlich mehr Friedhofsflächen, als sie braucht. Deshalb ist nach dem Friedhofsentwicklungsplan knapp die Hälfte der evangelischen Friedhöfe entbehrlich. Die Flächen können nach Auslaufen der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten verkauft und neu genutzt werden. Einige der Wirtschaftsflächen sind bereits heute verfügbar; sie liegen meist an den Rändern der Friedhöfe.

Der deutsche Gesetzgeber hatte mit Blick auf die zu erwartenden steigenden Flüchtlingszahlen im November mit einer Änderung des Baugesetzbuches (BauGB) reagiert. Die Zulassung von Flüchtlingsunterbringungen im Außenbereich soll nun nach Paragraf 35 BauGB zukünftig erleichtert werden.

Bis zu 2000 Wohnplätze will die Kirche selbst bauen

Unter einem Außenbereich versteht das Baurecht alle Grundstücke, die nicht im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans liegen und nicht zu einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil gehören. Sofern sie zeitlich befristet sind, gehören Flüchtlingsunterkünfte in Zukunft zu den „teilprivilegierten Vorhaben im Außenbereich“, wie Juristen sagen. Auf gut deutsch: Gegen diese Vorhaben wird nur noch wenig einzuwenden sein.

Klaus-Ekkehard Gahlbeck, früherer Geschäftsführer des Diakonischen Werkes und heute Assistent der Geschäftsführung im Evangelischen Friedhofsverband, bestätigte dem Tagesspiegel, dass sein Verband der Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM) Flächen zur Errichtung von Flüchtlingsunterkünften angeboten habe – „wenn auch nicht in der Größenordnung von 50.000 Quadratmetern“.

Der Friedhofsverband wolle aber auch selbst aktiv werden und bis zu 2000 Plätze auf Kirchenland schaffen. „Wir planen weitere Wohnheime mit der Stephanus Stiftung, dem Diakonischen Werk Reinickendorf und der Caritas“, sagt Gahlbeck. Finanziert werden sollen die Baumaßnahmen zu zehn Prozent aus Eigenmitteln und aus Krediten. Weil die Grundstücke dem Verband gehören, fallen dafür keine Extrakosten an.

Der Neubau in Neukölln soll in U-Form errichtet werden und 126 Plätze bieten. Der Bauplatz liegt an der Netzestraße, einer Parallelstraße der Hermannstraße. Die hintere Grenze des Neubauvorhabens liegt am Friedhof Jerusalem V. Dieser Friedhof wurde 1870 bis 1872 auf der Westseite der Hermannstraße angelegt und erstreckt sich bis zum Tempelhofer Flughafengelände. Auf diesem Friedhof gibt es nur noch Nachbeisetzungen. Der zweite Neubau entsteht an der Jüterboger Straße in Kreuzberg, im hinteren Bereich des Friedhofs Friedrichswerder.

Bei der Planung wird schon heute an die Integration gedacht

Die Wohnanlage mit 140 Plätzen liegt dann nahe der Kfz-Zulassungsstelle. Gebaut wird im KfW-Effizienzhaus-40-Standard. Das Haus wird also nur 40 Prozent der Energie verbrauchen, die laut Energieeinsparverordnung bei einem Neubau erlaubt ist. Es soll Luft-Wasser-Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen geben. Dies soll die Kosten für die Heizung und Warmwasseraufbereitung fast auf Null reduzieren. Lange Gänge und Gemeinschaftsduschen soll es in den neuen Gebäuden für Flüchtlinge nicht geben.

„Es sollen gute Wohnunterkünfte werden, mit eigenen Nasszellen und Küchen“, sagt Gahlbeck. Geplant sind Apartments, 2-, 3-, 4- aber auch 5-Zimmer-Wohnungen für Familien. Dort soll man nicht nur vorübergehend wohnen können. „Denn ,vorübergehend’, das kann sich auch auf fünf oder sieben Jahre erstrecken“, sagt Gahlbeck.

Deshalb spiele der Integrationsgedanke bei der Planung eine große Rolle. Im U-förmig angelegten Bau in Neukölln zum Beispiel soll es im Bereich der Gemeinschaftsflächen auch um das Thema Arbeit und Qualifizierung gehen, es soll ein Café geben und Bewohner aus der „Normalbevölkerung“. Behinderte und Studenten sollen hier auch ein Zuhause finden können.

Wann die Bauten fertiggestellt sein werden, lässt sich heute noch nicht verlässlich sagen. Zunächst müssen die Bauleistungen ausgeschrieben werden. Die Zahl der Unternehmen, die in diesem Bausegment noch Kapazitäten haben, ist allerdings sehr übersichtlich – eine Handvoll. Sie arbeiten mit Grundmodulen, die in unterschiedlichen Konfigurationen geordnet und – dies vor allem – bis zur Hochhausgrenze gestapelt werden können. Die Decken der Module sind zunächst offen, was Material und Montageaufwand spart. Die Apartmenthäuser sind im Durchschnitt 15,4 Meter hoch.

In beiden Fällen haben die Bezirksämter die Pläne der Kirchen Anfang Dezember in vollem Umfang beschlossen. Bis Ende 2016 sollen in Berlin weitere Modulbauten stehen, die der Senat für die Flüchtlinge errichten lässt.

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