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Seit April wurde die Deutsche Post fünfmal bestreikt. Jetzt hat der Konzern DHL-Zusteller aus Polen kommen lassen, um den Betrieb am Laufen zu halten.

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Update

In Zeiten von Warnstreiks: Post setzt Zusteller aus Polen ein

Erneut haben am Dienstag laut Verdi 2000 Postmitarbeiter in Deutschland die Arbeit niedergelegt. In Berlin und Brandenburg hat der Konzern jetzt DHL-Mitarbeiter aus Polen einquartiert, um das Zustellsystem aufrecht zu erhalten.

Von Maris Hubschmid

Kein Paketberg zu hoch, kein Weg zu weit: Um die Folgen der Warnstreiks abzufedern, hat die Deutsche Post polnische Paketboten nach Deutschland geholt. Man setze „vorübergehend auch Kollegen von DHL Paket aus dem benachbarten Polen ein“, bestätigte eine Post-Sprecherin dem Tagesspiegel am Dienstag. „Dabei handelt es sich um erfahrene Zusteller, die freiwillig zur Unterstützung im Berliner Raum im Einsatz sind.“ Die Zusteller würden mit den üblichen Arbeitsmitteln für die Paketzustellung ausgestattet und geschult.

Demnach sind die polnischen Helfer bereits am Pfingstwochenende in Berlin unterwegs gewesen – auch an den Feiertagen. Leser hatten dem Tagesspiegel berichtet, in Charlottenburg am Pfingstmontag Sendungen erhalten zu haben, und sich außer über den Termin auch über die Tatsache gewundert, dass der DHL-Mitarbeiter offenbar kein Deutsch verstand. Das Unternehmen habe „die letzten Nachwirkungen der Streiks im Sinne der Kunden möglichst gering halten“ wollen, erklärte die Post die Maßnahme. Dass in vereinzelten Teilen Berlins, so neben Charlottenburg auch in Neukölln, am Sonn- und Feiertag zugestellt worden sei, habe aber ebenso mit einem derzeit hohen Paketaufkommen in der Region zu tun.

Die Aushilfen wohnen im Hotel

Die Aushilfsboten sind bei der polnischen Tochter von DHL angestellt. Dass ausländische Zusteller in Deutschland eingesetzt werden, hat es in der Geschichte der Deutschen Post bislang nicht gegeben. Wie viele es insgesamt sind, dazu wollte sich der Bonner Konzern am Dienstag nicht äußern. Ein Post-Sprecher sagte lediglich, die Lösung sei naheliegend, weil Polen deutlich dichter an Berlin und Brandenburg liege als zum Beispiel Bonn. Den Angaben zufolge beschränkt sich der Einsatz der polnischen Kollegen auf die beiden Bundesländer. Trotz der geografischen Nähe sind die DHL-Mitarbeiter in Berlin einquartiert, sie wohnten im Hotel, der Einsatz sei „inklusive Kost und Logis“. Für die Dauer ihres Aufenthalts in Deutschland würden sie nach deutschem Tarif bezahlt und bekämen auch Sonntags- und Feiertagszuschläge.

Nach Angaben von Verdi haben derweil am Dienstag wieder gut 2000 Postmitarbeiter die Arbeit niedergelegt. Berlin und Brandenburg seien von den neuerlichen Warnstreiks aber nicht betroffen gewesen, hieß es. Es ist der fünfte Warnstreik in Folge seit April. Verdi fordert in dem Tarifkonflikt eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 auf 36 Stunden bei vollem Lohnausgleich und 5,5 Prozent mehr Geld. Die nächste Verhandlungsrunde ist für den 1. und 2. Juni in Berlin angesetzt. Zuletzt waren am Donnerstag vergangener Woche Gespräche zwischen den Streitparteien ohne Ergebnis geblieben. Am Mittwoch sollen die Warnstreiks fortgesetzt werden. Auch für den Rest der Woche schließt Verdi weitere Warnstreiks nicht aus.

Einsatz von Beamten war rechtens

Einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung gegen den Einsatz von Beamten auf bestreikten Arbeitsplätzen wies das Arbeitsgericht Bonn am Dienstag zurück. Neben ihren rund 140 000 Angestellten zählt die Post etwa 38 000 Beamte, die nicht streiken dürfen. Verdi hatte mehr als zwei Dutzend Einzelfälle als angeblichen Beleg dafür aufgelistet, dass die Post rechtswidrig Beamte auf bestreikten Arbeitsplätzen eingesetzt habe. Der Konzern hatte den Vorwurf stets zurückgewiesen mit der Begründung, alle Beamten seien freiwillig eingesprungen. Die Richter folgten dieser Auffassung. Der Logistikkonzern forderte Verdi auf, „zu den eigentlichen Verhandlungsthemen zurückzukehren“. Auch dürften arbeitswillige Kollegen nicht weiter als Streikbrecher diffamiert werden, appellierte Konzernvorstand Jürgen Gerdes. Neben Aushängen am Schwarzen Brett habe es zuletzt auch Beleidigungen in Sozialen Netzwerken gegeben, Kollegen seien dort als „Judas“ und „abscheuliche Substanz“ beschimpft worden.

Die Gewerkschaft Verdi nannte den Einsatz von „Streikbrechern aus dem Nachbarland beispiellos skandalös. Das ist eine völlig neue Strategie, den Arbeitskampf im eigenen Land zu unterwandern, die auch bei der Bundespolitik auf Interesse stoßen dürfte“, sagte Verdi-Sprecher Jan Jurczyk dem Tagesspiegel.

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