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Interview mit Kraft Foods: „Wir brauchen mehr Transparenz“

Hubert Weber, Chef des europäischen Kaffeegeschäfts von Kraft Foods, über Spekulanten, Nachhaltigkeit und das Werk in Berlin.

Herr Weber, 2011 haben die Kaffeepreise verrückt gespielt. Warum?

Die Rohstoffpreise sind seit Anfang des vergangenen Jahres um 35 Prozent gestiegen, und die Schwankungen haben stark zugenommen. In einem solchen Ausmaß haben wir das bisher noch nie beobachtet. Das liegt vor allem an Finanzinvestoren, die immer mehr Geld in die Rohstoffmärkte pumpen. Das Kapital ist durch die Euro-Krise frei geworden, weil nun weniger in Immobilienfonds, Aktien oder Staatsanleihen investiert wird. Bei Kaffee, Kakao, Weizen und Soja haben sich die Summen, mit denen an den Märkten spekuliert wird, fast verzehnfacht.

Die Spekulanten sind aber nicht die einzige Ursache für die steigenden Preise.

Natürlich gibt es grundsätzliche Ursachen. Beim Kakao waren das die politischen Unruhen an der Elfenbeinküste, beim Kaffee war die Produktion leicht zurückgegangen. Solche Trends werden dann aber durch Finanzinvestoren deutlich verstärkt. Kaffee und Kakao sind ein Genussmittel, da ärgern sich die Verbraucher über steigende Preise. Bei Soja und Weizen aber führen Preissteigerungen in vielen Teilen der Welt zu Hunger. Eine weitere Ursache ist, dass immer mehr Anbaufläche für die Biospritproduktion genutzt wird. Deshalb entscheiden sich viele Bauern, statt Kaffee Zuckerrohr anzubauen, weil damit kurzfristig mehr Geld zu machen ist.

Aber die Warenterminbörsen, an denen spekuliert wird, hat es schon immer gegeben. Was ist heute anders?

Wir brauchen bei Kakao und Kaffee die Börsen, weil die Rohstoffe woanders produziert als verarbeitet werden. Zudem liegt zwischen der Ernte und der Verarbeitung viel Zeit. Die Börsen bieten eigentlich eine Möglichkeit zur Absicherung für Händler, Röster und Bauern. Doch durch die großen Finanzinvestoren, die in den vergangenen Jahren hinzugekommen sind, hat sich die Dynamik stark verändert. Die Spekulanten wollen möglichst viel Geld verdienen, und haben deshalb in einigen Fällen bewusst die Rohstoffe verknappt, um die Preise zu treiben.

Muss die Politik eingreifen?

Wir fordern eine Gleichbehandlung der Teilnehmer am Markt und mehr Transparenz. Bisher ist in vielen Fällen nicht erkennbar, wer an den Märkten spekuliert. Zudem haben nicht alle Marktteilnehmer die gleichen Bedingungen:. Für einen Finanzinvestor, der letztendlich keine Ware abnimmt, liegt die Einlage bei 5000 Dollar für einen Container mit Rohware. Produzent oder Röster müssen rund 90 000 Dollar bezahlen. Die Politik, aber auch die Börsenbetreiber, müssen diese Probleme dringend angehen. Nur dann bilden sich echte Preise und wir können verhindern, dass die Spekulanten die Rohstoffmärkte als Spielwiese nutzen.

Werden die Preise in diesem Jahr weiter steigen?

In den letzten Monaten sind die Preise gesunken, wegen der schwächeren Konjunkturaussichten. Aber wir vermuten mittel- bis langfristig auch 2012 einen weiteren Aufwärtstrend bei den Kaffeepreisen.

Wie geht Kraft Foods als Produzent damit um?

Wir müssen die Preissteigerungen weitergeben, zumindest zum Teil. Bei Röstkaffee sind 80 Prozent der Kosten durch den Rohstoff verursacht, das können wir kaum durch Einsparungen an anderer Stelle auffangen. Zudem müssen wir sehen, wie wir eine wachsende Weltbevölkerung langfristig versorgen, ohne dass die Kosten explodieren. Wir bemühen uns daher, effizientes Farmmanagement in den Ursprungsländern zu fördern, zum Beispiel durch Schattenbepflanzung oder spezielle Pflege der Pflanzen. Dadurch können wir höhere Erträge auf den Anbauflächen erzielen. Das ermöglicht den Bauern einen besseren Verdienst und sichert eine bessere Versorgung.

Gelingt es Kraft Foods, die Kosten an den Handel weiterzugeben?

Ja, bisher schon. Der Markt ist sehr wettbewerbsintensiv, aber alle Anbieter sind durch die steigenden Rohstoffkosten in der gleichen Situation.

Die Verbraucher dürften kaum Verständnis für die höheren Preise im Supermarkt haben. Vergangenes Jahr kamen Preisabsprachen ans Licht, die Kraft Foods dem Kartellamt offenbart hatte.

Das sind Vorgänge aus den Jahren 2006 und 2007 gewesen. Die Absprachen sind ein Thema der Vergangenheit. Alle Mitarbeiter, vor allem unsere Vertriebs-Mitarbeiter, erhalten regelmäßige Compliance-Trainings.

Ist das Image von Kraft Foods nun durch die Preisabsprachen beschädigt?

Wir sind sicher, dass die damaligen Vorgänge heute keine Rolle mehr spielen.

Hat Kraft Foods die Kaffeepreise in der letzten Zeit erhöht?

Ja. Aber beim Kaffee ist die Nachfrage relativ unelastisch, die Kunden können nicht auf andere Produkte ausweichen. Daher spüren wir keine Veränderung im Umsatz.

"Berlin ist unser größter Produktionsstandort für Kaffee weltweit."

Sie bieten auch Fair-Trade-Kaffee an. Sind die Kunden bereit, dafür mehr zu zahlen?

Wir bieten nachhaltigen Kaffee an, vom Anbau bis zur Röstung. Zwar ist er im Anbau etwas teurer, aber durch Maßnahmen in unserer Produktion sparen wir zugleich Wasser und Energie ein. Zwischen 2005 und 2010 konnten wir 30 Prozent unseres Wasserverbrauchs reduzieren. Wir stellen auch fast die Hälfte unseres Stroms, den wir in der Kaffeeproduktion brauchen, selbst her, weil wir Kaffeemehl verbrennen. So können wir den nachhaltigen Kaffee zum gleichen Preis anbieten wie den normalen. In Wahrheit sind aber nur wenige Verbraucher bereit, für Nachhaltigkeit mehr zu zahlen. Deshalb ist Fair Trade auch immer noch eine Nische.

Wie kontrolliert Kraft Foods die nachhaltige Produktion?

Wir haben unser eigenes Personal vor Ort in den wichtigsten Anbauländern Brasilien, Vietnam und Kolumbien. Sie kümmern sich dort um die Beschaffung des Kaffees. Außerdem arbeiten wir mit unterschiedlichen Organisationen zusammen, zum Beispiel der Rainforest Alliance oder Fairtrade. Sie überwachen die Standards und bieten Weiterbildung für die Bauern an. Schon heute stammen 20 Prozent des Kaffees, den wir in Europa verkaufen, aus nachhaltigem Anbau, 2015 sollen es 100 Prozent sein.

Ist das überhaupt möglich, solche großen Mengen nachhaltig zu produzieren?

Ja. Es braucht aber feste und langfristige Zusagen der Firmen, dass sie die Mengen auch abnehmen. Dann können die Bauern ihre Anbaufläche für nachhaltigen Kaffee ausweiten. Wir verhandeln gerade mit Landwirten in Brasilien und Vietnam.

In Berlin stellt Kraft Foods Jacobs Krönung und Tassimo her. Sind Sie zufrieden mit der Wirtschaftsförderung und den Bedingungen in der Stadt?

Berlin ist unser größter Produktionsstandort für Kaffee weltweit. Wir sind mit unseren Mitarbeitern und der Auswahl an Arbeitskräften in Berlin sehr zufrieden. Zudem haben wir immer sehr gute Unterstützung von den städtischen Behörden und auch von Herrn Wowereit erfahren, zum Beispiel beim Ausbau unseres Werkes und dem flexiblen Betrieb.

Der Anteil von Tassimo steigt aber immer mehr im Gegensatz zu losem Kaffee. Bedroht das den Standort?

Nein, im Gegenteil. Wir produzieren ja hier schon die Einzelportionen für Tassimo und können so innerhalb des Werkes je nach Nachfrage umschichten. Tassimo schafft zusätzliche Arbeitsplätze in Berlin, allein 2011 haben wir die Produktion der T-Discs um 25 Prozent erhöht und 15 neue Mitarbeiter eingestellt.

Wie viele Arbeitsplätze sollen in diesem Jahr in Berlin hinzukommen?

Wie auch in den vorherigen Jahren übernehmen wir unsere Auszubildenden und zurzeit haben wir zehn offene Stellen.

Wie viel Kaffee trinken Sie eigentlich selbst?

Ich trinke vier bis sechs Tassen Kaffee am Tag.

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