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Studieren lohnt sich nicht immer - zumindest, wenn man vom Finanziellen ausgeht.

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Interview zu Karrierechancen: "Die Elite schottet sich ab"

Nicht die Ausbildung, sondern die soziale Herkunft ist entscheidend für die Karriere. Warum sie in Zukunft sogar noch wichtiger wird und warum es gut ist, sich mit Opern und Kunst auszukennen, erklärt Soziologe Michael Hartmann.

Von Carla Neuhaus

Ist das Studium immer noch ein Garant für einen hoch bezahlten Job?

Nein. Wer in den fünfziger und sechziger Jahren studiert hat, hatte später fast automatisch ein hohes Einkommen und eine angesehene Position in der Gesellschaft. Heute fängt fast jeder Zweite eines Jahrgangs ein Studium an. Wer heute studiert, bewahrt sich die Chance auf einen guten Job – aber mehr erst einmal nicht.

Wovon hängt es ab, wer eine hoch bezahlte Stelle findet?
Die soziale Herkunft spielt eine zentrale Rolle. Mehrheitlich schaffen es diejenigen nach oben, die aus gutbürgerlichen Elternhäusern stammen.

Warum?
Die Entscheidung, wer eine Spitzenposition bekommt, wird in der freien Wirtschaft meist von einem kleinen Kreis entschieden. Da zählt vor allem die Frage: Wer ist so wie ich? Wenn immer mehr Menschen einen Universitätsabschluss haben, wird die Konkurrenz um die guten Posten schärfer und die soziale Herkunft noch wichtiger. Die Elite schottet sich ab. Es gibt immer Möglichkeiten, wie man das Kriterium der sozialen Herkunft ausspielen kann.

Michael Hartmann
Michael Hartmann

© privat

Wie zum Beispiel?
Soziale Aufsteiger sind oft unsicherer. Wenn Sie die ausbremsen wollen, provozieren Sie Fehlverhalten: Reden Sie zum Beispiel mit ihnen über Oper oder gehen Sie zu einer Vernissage. Da ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich unangemessen verhalten, größer als bei jemandem aus einer Akademikerfamilie.

Ist der Aufstieg rein durch Bildung überhaupt noch möglich?
Möglich ist das schon. Solche Ausnahmen wird es immer geben. Aber je weiter es nach oben geht, desto schwieriger wird es. Aufsteiger, die aus einer Arbeiterfamilie kommen, machen wenn überhaupt eher in ein und demselben Betrieb Karriere. Quereinstiege sind selten.

Ist das in anderen Ländern anders?
In Skandinavien sind die Aufstiegschancen deutlich besser. Dort ist man viel offener, wenn es um die Besetzung von Spitzenpositionen geht. Aber es gibt auch Länder wie die USA oder Großbritannien, wo es schwerer ist, sozial aufzusteigen.

Wird das Ungleichgewicht durch die Eliteuniversitäten noch verstärkt?
Dadurch wird eine bedenkliche Entwicklung in Gang gesetzt. In 30 bis 40 Jahren wird ein Abschluss einer dieser Universitäten für manche Spitzenpositionen dann fast zwingend Voraussetzung sein. Wenn ein Chef auf einer Eliteuniversität war, wird er Bewerber bevorzugen, die auch dort waren. Bereits jetzt gibt es Untersuchungen, die zeigen: An den Eliteuniversitäten bewerben sich bei gleicher Abiturnote Akademikerkinder erfolgreicher als Kinder aus Arbeiterfamilien.

Und die Privatunis?
Die haben durch die Eliteuniversitäten an Ansehen verloren. Zumal bereits jetzt die Absolventen in ihrer großen Mehrheit in der Unternehmensberatung oder im Investmentbanking landen. Kaum jemand schafft es wirklich in eine Topposition.

Was muss sich ändern?
Wenn man das durchgreifend ändern wollte, müsste man nicht nur eine Frauenquote, sondern auch eine Quote für Migranten oder Arbeiterkinder einführen. Außerdem müsste die Rekrutierung für Spitzenjobs stärker versachlicht werden. Die Entscheidung darf nicht so stark von der persönlichen Einstellung einzelner Personen abhängen.

Der Soziologe Michael Hartmann (59) ist Professor an der Technischen Universität Darmstadt. Er forscht schwerpunktmäßig über Eliten in Deutschland.

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