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Zeitmanagement: Auf den letzten Drücker

Bei der Arbeit fällt es vielen schwer, den Überblick zu bewahren. Zeitmanagement kann helfen – und ist lernbar.

Schon wieder klingelt das Telefon. Dabei ist die letzte Unterbrechung gerade drei Minuten her. Der Papierstapel auf dem Schreibtisch will einfach nicht kleiner werden, muss aber bis Schichtende abgearbeitet werden. Eigentlich sollte auch noch ein Stündchen übrig sein, um an der Powerpoint-Präsentation zu feilen, die nächste Woche ansteht. Aber wenn das Meeting heute Nachmittag wieder so lange dauert wie gestern, klappt das nur mit Überstunden. Ganz zu schweigen von den E-Mails, die sich im Postfach türmen.

Situationen wie diese gibt es im Berufsalltag zuhauf. Immer mehr Arbeitnehmer setzt die enorme Aufgabenfülle unter Dauerstress. Das Gefühl, unter Zeitmangel zu leiden, wird durch die massive Zunahme elektronischer Kommunikation noch verschärft. Entsprechend groß ist mittlerweile das Angebot an Zeitmanagement-Kursen, die Abhilfe versprechen. Die Teilnehmer sollen lernen, Wichtiges von weniger Wichtigem zu trennen, sie sollen sich selbst besser organisieren und die Aufschieberitis überwinden.

Die ein- bis zweitägigen Seminare werden vor allem von privaten Bildungsinstituten, Industrie- und Handelskammern sowie Volkshochschulen angeboten. Ende 2009 nahm die Stiftung Warentest insgesamt 17 dieser Trainings unter die Lupe, die Preisspanne lag bei 45 bis 1420 Euro. Bewertet wurden vor allem Didaktik und Inhalte, zum Beispiel die behandelten Zeitmanagement-Methoden. Fazit: Richtig schlechte Kurse waren nicht dabei, für jeden Geldbeutel gibt es empfehlenswerte Seminare – man muss sich nur ausreichend informieren.

Einen ersten Überblick bietet die Weiterbildungsdatenbank Berlin: Die Suchmaschine liefert zum Stichwort „Zeitmanagement“ rund 200 Treffer, die sich nach Kriterien wie Branche, Dauer und Fördermöglichkeit filtern lassen. Passgenaue Angebote erfordern zusätzliche Recherche. „Verlassen Sie sich, wenn Sie unsicher sind, nicht ausschließlich auf die Seminarbeschreibungen“, rät Bestsellerautorin Cordula Nussbaum („Organisieren Sie noch oder leben Sie schon?“). Interessenten sollten ruhig mal beim Anbieter anrufen und Details erfragen. „Am besten informieren Sie sich vorab und fragen zum Beispiel bei Kollegen, wer schon an einem solchen Training teilgenommen hat und wie es für sie war.“ Nussbaum empfiehlt Seminare mit maximal zwölf Teilnehmern. „Dann kann richtig intensiv gearbeitet werden.“

Grundsätzlich zeichnen sich gute Zeitmanagement-Seminare dadurch aus, dass sie individuelle Lösungsansätze bieten. „Zunächst einmal sollen die Teilnehmer ein Gefühl dafür entwickeln, was an ihrem Arbeitstag alles passiert“, sagt Stefanie Hecker, Dozentin beim Testsieger Haufe Akademie. Hecker spricht von einem „Hamsterradgefühl“, das viele Arbeitnehmer quält: „Wenn sie morgens ins Büro kommen, stürzt gleich die ganze Arbeit auf sie ein. Und wenn sie abends nach Hause gehen, denken sie: Was habe ich heute eigentlich geschafft? Nach der Analyse des eigenen Arbeitsstils lernen die Teilnehmer klassische Methoden der Prioritätensetzung kennen, zum Beispiel das Pareto-Prinzip oder die ABC-Analyse (siehe Kasten). Entscheidend sei hier der Praxisbezug, so Hecker: „Ein gutes Zeitmanagement ist immer individuell. Ein junger Familienvater hat ganz andere Zeitressourcen als ein Sechzigjähriger, der seit 40 Jahren im Unternehmen arbeitet und dessen Kinder schon lange aus dem Haus sind.“ Wie aus einem Handwerkskoffer können die Seminarteilnehmer jene Methoden wählen, die am besten zu ihren speziellen Zeitproblemen passen. Am zweiten Kurstag geht es dann um die konkreten Techniken der Selbstorganisation. Zum Beispiel, wie sich Meetings besser strukturieren lassen oder wie man eine Filterfunktion im Mailprogramm einrichtet.

Anbieter wie die Haufe Akademie richten sich mit ihren Seminaren vor allem an Fach- und Führungskräfte. Entsprechend hoch sind die Preise. So kostet ein eintägiges Zeitmanagement-Training knapp 650 Euro. Auch andere Privatanbieter wie Thiel und Partner, Integrata oder die Technische Akademie Wuppertal bilden häufig auf Firmenkosten weiter. Für Selbstzahler stellen Volkshochschulkurse eine günstige Alternative dar. Die VHS City West erhielt von der Stiftung Warentest ein Lob für didaktische Qualität – ein zweitägiger Zeitmanagement-Kurs kostet dort gerade mal 50 Euro. Zwar bieten die Volkshochschulen nur ein- bis zweimal pro Jahr solche Kurse an. In Berlin allerdings kommt pro Semester ein Dutzend Seminare zusammen.

Sabine Andrek leitet den Kurs „Arbeitsorganisation, Zeit- und Selbstmanagement“ an der Volkshochschule City West. Ihr Seminar wird häufig von Geschäftsleuten besucht, die bereits ein umfangreiches Vorwissen besitzen. „Sie haben an Fortbildungen zum Thema Zeitmanagement teilgenommen und oft mehrere Bücher gelesen. Allerdings stellen viele von ihnen fest, dass sie schon nach zwei bis drei Monaten wieder in den alten Trott verfallen. In einem Wochenendkurs der VHS können sie ihr Wissen auffrischen und sich einen neuen Anschub holen.“

Eine weitere Zielgruppe sind Studenten, die gerade ihre Promotion schreiben oder sich auf Prüfungen vorbereiten. Andrek fragt die Teilnehmer zuerst nach den Zielen ihrer Arbeit. Die wenigsten Menschen könnten ihr diese spontan nennen. „Was ist beispielsweise das Ziel, das ich mit einer Selbstständigkeit erreichen will? Erst wenn ich weiß, was für mich wichtig ist, kann ich entscheiden, auf welche der anstehenden Aufgaben ich mich konzentriere.“ Mit den Seminarteilnehmern macht sich Andrek dann auf die Suche nach „Zeitdieben“. Das können ausufernde Meetings sein – oder auch Mitarbeiter, die ständig mit störenden Anfragen daherkommen.

Wie Stefanie Hecker sieht Sabine Andrek solche Kompaktkurse als Anreiz, sich weiter mit dem Thema zu beschäftigen. „Ein besseres Zeitmanagement setzt eine grundlegende Verhaltensänderung voraus. Darauf habe ich als Trainerin in einem zweitägigen Seminar wenig Einfluss. Ich kann den Teilnehmern aber einen methodischen Handwerkskoffer bieten und sie motivieren, die vorgestellten Werkzeuge auszuprobieren und gegebenenfalls in ihren Arbeitsalltag zu integrieren.“ Neben den Kompaktkursen bieten viele Berater auch längerfristiges Zeitmanagement-Training an.

Die IHK Berlin veranstaltet selbst keine Zeitmanagement-Seminare, berät aber unter www.ihk-berlin.de. Einen Überblick der bundesweiten IHK-Kurse liefert das Weiterbildungsportal WIS (http://wis.ihk.de).

Bücher zum Thema Zeitmanagement hat die Stiftung Warentest im Januar 2010 verglichen, mit dem Ergebnis: „Viele sind zu flach.“ Nachzulesen nach kostenpflichtigem Download unter http://www.test.de/themen/bildung-soziales/test/Buecher- Zeitmanagement-Viele-sind-zu-flach-1819 217- 1817208.

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DIE ABC-ANALYSE

Ein aus der Betriebswirtschaft stammendes Verfahren zur Priorisierung von Aufgaben. Diese werden in drei Klassen aufgeteilt: A-Aufgaben sind sehr wichtig und müssen sofort erledigt werden. B-Aufgaben sind wichtig, müssen aber nicht sofort erledigt werden. C-Aufgaben sind eher unwichtig und können vorerst vernachlässigt werden.

DAS PARETO-PRINZIP

Diese Methode geht auf den italienischen Ingenieur, Ökonom und Soziologen Vilfredo Pareto zurück. Das Prinzip besagt, dass 80 Prozent der Ergebnisse in 20 Prozent der Gesamtzeit eines Projekts erreicht werden. Die verbleibenden der Ergebnisse verursachen die meiste Arbeit. Nach dieser Regel ist Perfektion unwirtschaftlich.

DIE ALPEN-METHODE

Entwickelt hat sie der Ratgeber-Autor Lothar J. Seiwert. Mit der ALPEN-Methode lässt sich in wenigen Minuten ein schriftlicher Tagesplan erstellen. „A“ steht für das Notieren von Aufgaben, „L“ für das Abschätzen ihrer Länge, „P“ für Pufferzeiten, „E“ für das Treffen von Entscheidungen und „N“ für Nachkontrolle.

DAS EISENHOWER-PRINZIP

Es wurde von US-Präsident und Alliierten-General Dwight D. Eisenhower praktiziert. Das Prinzip unterteilt alle Aufgaben in A-, B-, C- und D-Aufgaben - je nach Wichtigkeit und Dringlichkeit. Dringliche und gleichzeitig wichtige Aufgaben (A) müssen eigenhändig und sofort erledigt werden. D-Aufgaben landen direkt im Papierkorb.

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