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Wirtschaft: Karstadt-Quelle entschädigt Wertheim-Erben

Der jahrelange Streit um das Areal am Potsdamer Platz ist beendet. Der Handelskonzern zahlt 88 Millionen Euro

Düsseldorf - Karstadt-Quelle entschädigt die Erben der in der Nazi-Zeit enteigneten Kaufleutefamilie Wertheim und beendet damit den erbitterten Streit um Grundstücke in Berlin. Der Handelskonzern zahle 88 Millionen Euro an die Erbenvertretung Jewish Claims Conference (JCC), sagte Konzernchef Thomas Middelhoff am Freitag in Düsseldorf. Dafür lassen die Erben ihre Ansprüche auf die Topgrundstücke fallen.

„Ich bin sehr froh, dass es zu dieser Einigung gekommen ist. Wir wollten einen Schlussstrich“, sagte JCC-Direktor Roman Haller. An einen Tisch gebracht hatte die verfeindeten Parteien Altbundeskanzler Helmut Kohl, dem Middelhoff für sein Engagement dankte.

Zentrales Streitobjekt in der Auseinandersetzung war das sogenannte Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz, auf dem sich heute das Beisheim-Center sowie die Luxushotels Marriott und Ritz- Carlton befinden. Dieses Grundstück hatte der Berliner Senat nach der Wiedervereinigung der Kaufhauskette Hertie für einen Euro überlassen. Später kaufte Karstadt den Konkurrenten Hertie und veräußerte das Grundstück im Jahr 2000 für 145 Millionen Euro an den Investor Otto Beisheim (siehe Kasten).

Nach Ansicht der Wertheim-Erben um Sprecherin Barbara Principe handelte es sich dabei um ein unrechtmäßiges Geschäft. Sie hatten stets betont, nicht Hertie, sondern sie selbst hätten das Areal im Herzen Berlins und weitere etwa 50 Grundstücke in Ostdeutschland vom Senat erhalten müssen. Mit zahlreichen Protestaktionen am Potsdamer Platz machten sie auf ihr Anliegen aufmerksam und bekamen vor mehreren Gerichten Recht.

Karstadt-Quelle wollte jedoch weiterkämpfen – bis sich die Gegner nach den geheim gehaltenen Gesprächen nun überraschend einigten. Kohl und andere Politiker hatten befürchtet, der Streit werfe im Ausland ein schlechtes Licht auf Deutschland. „Wir waren gehalten, unserer Verantwortung gegenüber der Geschichte gerecht zu werden“, sagte nun Middelhoff. Der Handels- und Touristikkonzern befreit sich mit der Einigung aus einer juristischen Auseinandersetzung mit ungewissen finanziellen Konsequenzen. „Bei Klagen in den USA hätten noch ganz andere Summen herauskommen können“, sagte Middelhoff. Das Unternehmen habe seine Zukunft nicht mit diesem Risiko belasten wollen.

Der Konzern befindet sich derzeit in einer schwierigen Phase. Middelhoff hat unter anderem den Verkauf der unprofitablen Versandhandelstochter Neckermann angekündigt. Durch den Verkauf von Warenhaus-Immobilien hat er das Unternehmen inzwischen wieder in den Gewinnbereich geführt. Die Zahlung an die Wertheim-Erben belaste die Gewinn- und Verlustrechnung nicht, so Middelhoff. Das Unternehmen habe bereits 2006 Rückstellungen bilanziert.

Die Erben-Sprecherin Principe zeigte sich erleichtert. „Wir alle in meiner Familie sind sehr froh, dass Karstadt am Ende Größe und Vernunft gezeigt hat und diesen historischen Konflikt gütlich beendet hat“, sagte die US-Amerikanerin. „Meine Familie dankt all jenen in Deutschland, von denen sie über viele Jahre moralisch stets Unterstützung erfahren haben.“ Principe war selbst an den Verhandlungen nicht beteiligt.

Die 88 Millionen Euro sollen nun in erster Linie den Wertheim-Erben zugutekommen. Außerdem ist laut JCC-Direktor Haller geplant, Überlebende des Holocausts in aller Welt zu unterstützen. „Wir hätten vielleicht noch auf eine höhere Summe kommen können. Wichtig ist aber, dass wir den letzten Überlebenden mit dem Geld jetzt helfen können.“

Nils-Viktor Sorge

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