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Begehrt: An der Rhön-Klinikum AG ist Fresenius schon seit langem interessiert.

© dpa

Krankenhäuser: Fresenius übernimmt Kliniken von Rhön

Weil die Übernahme des ganzen Unternehmens nicht geklappt hat, kauft Fresenius nun 43 Kliniken von Rhön-Klinikum. Die Fresenius-Tochter Helios wird damit der größte Klinikbetreiber in Europa.

Der Gesundheitskonzern Fresenius übernimmt für gut drei Milliarden Euro einen Großteil der Krankenhäuser von Rhön-Klinikum und schafft damit den größten privaten Klinikbetreiber in Europa. Mit dem überraschenden Coup von Fresenius-Chef Ulf Schneider nimmt der monatelange Kampf um die Beherrschung von Rhön-Klinikum eine unerwartete Wendung. “Der Erwerb der Kliniken der Rhön-Klinikum AG ist ein bedeutender Schritt im weiteren Ausbau unseres Krankenhausgeschäfts“, sagte Schneider. Fresenius schluckt mit dem Kauf von 43 Kliniken und 15 medizinische Versorgungszentren von Rhön den fränkischen Klinikbetreiber praktisch durch die Hintertür. In Berlin, wo die Fresenius Krankenhaustochter Helios ihren Unternehmenssitz hat, ist Rhön nicht vertreten. In Brandenburg betreibt das Unternehmen das Klinikum Frankfurt/Oder, das bei der Rhön-Klinikum AG bleiben soll. Rhön konzentriert sich künftig auf wenige Krankenhäuser, darunter auch die Uni-Klinik Gießen und Marburg. Damit zerschlägt Rhön-Gründer Eugen Münch sein Lebenswerk.

Fresenius war 2012 mit der Übernahme von Rhön-Klinikum gescheitert, weil sich der Konkurrenten Asklepios in letzter Minute bei der fränkischen Klinikkette eingekauft hatte. Kürzlich kündigte der Medizintechnikkonzern B. Braun an, seinen Anteil an Rhön auf über 25 Prozent aufzustocken, womit der Konzern einen Rhön-Verkauf dauerhaft hätte verhindern können. B. Braun und Asklepios wollten so die Schaffung eines übermächtigen Anbieters auf dem deutschen Klinikmarkt verhindern. “Die Blockade ist aufgehoben - die Kuh ist vom Eis“, sagte ein Beteiligter zu dem Fresenius-Vorstoß. B. Braun lehnte eine Stellungnahme ab, auch Asklepios wollte sich nicht äußern.

Die Spitzen von Fresenius und Rhön haben in den vergangenen Monaten mit ihren Juristen in aller Stille einen Plan ausgeheckt, der alle überrascht: Fresenius übernimmt nicht den gesamten Rhön-Konzern, sondern nur den Großteil seiner Kliniken. Die Aufsichtsräte und Vorstände beider Unternehmen hätten das Geschäft bereits abgesegnet und entsprechende Verträge unterschrieben, sagte ein Fresenius-Sprecher. Eine Zustimmung der Rhön-Aktionäre sei nicht mehr nötig. Sie sollen mit einer Sonderdividende von bis zu 13,80 Euro pro Aktie von dem Verkauf profitieren. Die im Nebenwerteindex MDax enthaltenen Rhön-Papiere schossen nach Handelsbeginn um mehr als elf Prozent auf 19,44 Euro nach oben. Die im Dax notierten Fresenius-Aktien gewannen 5,4 Prozent. Aktionärsschützer sehen das Übergehen der Anteilseigner dagegen kritisch. "Was man mit den Aktionären nicht geschafft hat, macht man jetzt durch die Hintertür", sagte Jürgen Kurz, Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), dem Tagesspiegel. "Für die Aktionäre bleibt ein bitterer Beigeschmack". Die DSW kündigte eine rechtliche Prüfung an, ob der Rhön-Vorstand und -Aufsichtsrat den Klinkdeal angesichts der damit verbundenen wesentlichen Veränderungen für das Unternehmen nicht doch der Hauptversammlung zur Abstimmung vorlegen muss.

Fresenius übernimmt von Rhön Kliniken und Versorgungszentren, die im laufenden Jahr zusammen einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 250 Millionen Euro und einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro erzielen sollen. Das sind rund zwei Drittel der Gesamterlöse von Rhön-Klinikum. Fresenius legt dafür 3,07 Milliarden Euro auf den Tisch - was ausschließlich über Fremdkapital finanziert werden soll. Fresenius übernimmt keine Finanzschulden von Rhön. Zusammen mit der eigenen Kliniktochter Helios könne Fresenius künftig in Deutschland eine flächendeckende Klinik-Versorgung anbieten.

Rhön will sich in Zukunft vor allem auf Krankenhäuser konzentrieren, an denen Spitzenmedizin und universitäre Forschung betrieben wird. Die Basis des nun deutlich kleineren Konzerns bilden die Häuser in Bad Berka und Frankfurt/Oder, der Stammsitz in Bad Neustadt sowie die Universitätskliniken in Gießen und Marburg. Die “neue Rhön“ formiert sich aus zehn Kliniken an fünf Standorten. Rund 15 000 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von etwa einer Milliarde Euro. “Wir starten auf der Basis einer stabilen Ertragskraft, die wir für steigerungsfähig halten“, sagte Rhön-Klinikum-Chef Martin Siebert.

Das Bundeskartellamt muss noch grünes Licht für das Geschäft geben. Dort hieß es am Freitagmorgen, es liege noch keine Anmeldung der Pläne von Fresenius vor. Rhön will nach eigenen Angaben die EU-Kommission bitten, die Pläne durch das Kartellamt prüfen zu lassen. Damit könnte das Verfahren erheblich verkürzt werden. Bei bestimmten Krankenhäusern ist auch die Zustimmung der ehemaligen Eigentümer nötig, meist der jeweiligen Kommune. Fresenius will den “überwiegenden Teil der Transaktion“ bis Ende des Jahres über die Bühne bringen.

Die Fresenius-Tochter Helios wird nach der Übernahme mit 117 Kliniken und einem Umsatz von rund 5,5 Milliarden Euro der größte private Klinikbetreiber in Europa sein. In Deutschland wird Helios der erste Anbieter mit einem flächendeckenden Kliniknetz.

“In Zukunft wird die Mehrheit der Menschen in Deutschland binnen einer Stunde eine Helios-Klinik erreichen können“, erklärte Fresenius. Zudem will der Konzern künftig eng mit den verbliebenen Rhön-Kliniken zusammenarbeiten und ist offen, auch weitere Krankenhäuser in dieses Netzwerk aufzunehmen. Der Zukauf werde sich bereits im ersten vollen Jahr nach seinem Abschluss positiv auf das Ergebnis je Aktie auswirken. Einmalaufwendungen von rund 80 Millionen Euro vor Steuern sind dabei allerdings nicht eingerechnet. Vor allem im Einkauf kann Fresenius durch den Klinikerwerb Kosten einsparen.

Fresenius-Chef Schneider hat den Konzern aus dem hessischen Bad Homburg in den vergangenen Jahren durch zahlreiche Milliarden-Übernahmen zu einem globalen Firmenkonglomerat ausgebaut. Die in aller Öffentlichkeit gescheiterte Übernahme von Rhön-Klinikum 2012 war für ihn allerdings ein großer Rückschlag. Fresenius hatte Rhön-Klinikum im vergangenen Jahr ganz übernehmen wollen, hatte aber eine Mindestannahmequote von 90 Prozent zur Bedingung gemacht. An der 90-Prozent-Hürde war im vergangenen Jahr der Übernahmeversuch von Fresenius gescheitert. Der Dax-Konzern hatte den Rhön-Aktionären 3,1 Milliarden Euro geboten. Fresenius hatte die Klinikkette mit seiner Tochter Helios, deren Unternehmenssitz in Berlin ist, zum größten privaten Klinikbetreiber verschmelzen wollen. In letzter Minute hatte die Konkurrenz das jedoch durchkreuzt. Asklepios, nach Helios die Nummer zwei auf dem privaten Klinikmarkt, hatte kurzfristig mehr als fünf Prozent der Rhön-Aktien gekauft. Auch die Familie des Fresenius-Wettbewerbers B. Braun Melsungen hatte mehr als fünf Prozent erworben – angeblich, um auch weiterhin Produkte an Rhön liefern zu können. Ende Juni, am Ende der Angebotsfrist, hatte Fresenius zwar 84,3 Prozent der Aktien einsammeln können, war aber an der 90-Prozent-Klausel gescheitert. mit Reuters

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