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Wirtschaft: Latein, verhandlungssicher

Gabriele Meister wundert sich über das Arbeitsamt

Der Zug nach München ist rappelvoll. In Bayern wartet mein letztes Projekt, in drei Monaten endet mein Arbeitsvertrag. Als ordentlicher Preuße habe ich mich deshalb unter www.arbeitsagentur.de „arbeitsuchend“ gemeldet.

Prompt ruft mich ein Agentur-Berater an: „Wir müssen Ihre Angaben vervollständigen. Welche Sprachkenntnisse haben Sie denn?“ Ich: „Englisch, Spanisch ...“ Danach kommen wir zu meinen Lateinkenntnissen. Der Berater: „Welches Niveau soll ich da für Sie ankreuzen? Verhandlungssicher?“ Ich versuche, ihm zu erklären, was „Großes Latinum“ bedeutet: dass ich zwar Caesars „Gallischen Krieg“ übersetzen kann, bei einer Konversation im Vatikan aber aufgeschmissen wäre. „Also können Sie das nun verhandlungssicher oder nicht?“, fragt der Berater. Ich seufze innerlich und sage: „Ja, dann kreuzen Sie eben verhandlungssicher an, Grundkenntnisse oder Muttersprache passt ja noch weniger.“

In meinem Theologie-Studium habe ich neben Latein auch noch Griechisch und Hebräisch gelernt. Auf der Sprachkenntnis-Liste der Arbeitsagentur kann man von Albanisch, Bengali, Birmanisch bis hin zu Hochdeutsch, Bayerisch und Schwäbisch alles ankreuzen, nur nicht Altgriechisch und Althebräisch. „Also bei den Sprachen haben Sie dann wohl noch Zusatzqualifikationen“, stellt der Berater etwas ratlos fest. „Sagen Sie das meinem Kollegen, wenn Sie im Dezember persönlich zu uns kommen.“ Ich verspreche es und lege auf.

Im Dezember werden meine drei Monate in München vorbei sein. Ich werde im rappelvollen Zug zurück in den Norden fahren und am nächsten Tag einen Termin bei der Arbeitsagentur haben. Auf die Frage nach meinen Sprach-Qualifikationen werde ich sagen: „Inzwischen auch Bayerisch, verhandlungssicher!“

Die Autorin besucht die Henri-Nannen-Journalistenschule in Hamburg und steht kurz vor dem Abschluss.

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