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EU: Mehr Gipfel für mehr Wachstum

Die Staats- und Regierungschefs der EU beschließen eine gemeinsame Wirtschaftsregierung. Doch die Befugnisse sind unklar.

Brüssel - Alle Welt hat sich nur für Griechenland und mögliche Hilfspakete interessiert, als Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy am Donnerstagabend nach dem EU-Gipfel vor die Presse traten. Dabei hatten die beiden, die die deutsch-französischen Beziehungen als Motor der europäischen Zusammenarbeit offensichtlich wiederentdeckt haben, nach dem Treffen noch etwas im Gepäck, das Europa viel nachhaltiger prägen könnte als die Athener Schuldenkrise: eine Wirtschaftsregierung für die EU.

Von den 27 anwesenden Staats- und Regierungschefs habe „keiner an der Notwendigkeit einer Europäischen Wirtschaftsregierung gezweifelt“, verkündete Sarkozy in Brüssel: „Es sind alle einverstanden.“ Und Angela Merkel ging noch ein wenig ins Detail: Der Europäische Rat, die Zusammenkunft der Chefs also, werde sich künftig „als Wirtschaftsregierung der 27 Staaten verstehen und auch nach außen besser auftreten“, ergänzte die Kanzlerin. Eine spannende Entwicklung angesichts der Skepsis, die diesbezüglich noch vor Monaten in Berlin zu hören gewesen war. Dennoch drehten sich am Donnerstag alle der wenigen zugelassenen Nachfragen um Griechenland.

Mehr Aufschluss darüber, wie sich Europas Regierungen eine ihnen übergeordnete Wirtschaftsregierung vorstellen, gibt das Arbeitspapier des Brüsseler Gipfels, das der neue ständige Ratspräsident Herman Van Rompuy der Runde präsentierte. Deren Mitglieder, so heißt es darin, „sind verantwortlich für die Wirtschaftsstrategie ihrer Regierung. Auf der EU-Ebene sollten sie dasselbe tun“. Dazu sollen im Zuge der neuen Strategie EU 2020 „maximal fünf quantitative Ziele“ im Bereich Wachstum, Beschäftigung, Finanzen, Klima und Forschung formuliert werden, die dann in nationale Programme übertragen werden sollen. Die jährlichen Berichte zum Stand der Umsetzung sollen dann alle gleichzeitig bei der Brüsseler EU-Kommission eintreffen. „Das wird einen verständlichen Überblick bieten“, schreibt Van Rompuy, „auf dessen Basis wir dann gute Entscheidungen treffen können.“

Es wird demnach künftig mehr Gipfeltreffen geben, die sich ausschließlich der neuen Wachstumsstrategie widmen. So schlägt Van Rompuy etwa vor, bei einer Runde im August ausschließlich den Bereich Forschung und Innovation anzupacken. Zudem soll vor jedem der G-20-Treffen bei einem Vorbereitungstreffen die gemeinsame Position bestimmt werden, gerade wenn es um eine neue globale Finanzarchitektur geht: „Europa“, sagte Merkel, „muss hier der Treiber sein.“

Sanktionen für schlechte Wirtschaftspolitik, wie kürzlich die Initiative des spanischen Ministerpräsidenten José Luis Zapatero plakativ zusammengefasst worden war, stehen so klar zwar nicht in dem Papier. Dies wäre auch gar nicht mit den derzeit geltenden europäischen Verträgen vereinbar. Wohl aber ist auch den Staats- und Regierungschefs klar, dass sie Anreize für die tatsächliche Umsetzung des in der 27er-Runde Beschlossenen bieten müssen. Als mögliche Beispiele nennt der Belgier Van Rompuy Forschungsgelder, Mittel aus den EU-Struktur- und Kohäsionsfonds sowie Kredite der Europäischen Investitionsbank, die allesamt an bestimmte wirtschaftspolitische Zielvorgaben geknüpft werden könnten. Dabei geht es um Milliarden von Euro, die einen heimischen Minister oder Abgeordneten tatsächlich davon überzeugen könnten, eine eventuell als unangenehm oder gar falsch empfundene Vorgabe der EU-Wirtschaftsregierung doch zu unterstützen.

Ein weiteres Druckmittel trägt laut Arbeitspapier den Namen „Peer Pressure“, was auf eine gegenseitige Kontrolle der nationalen Reformprogramme hinausläuft. So wird auch Deutschland künftig Experten aus der Europäischen Kommission und anderen Mitgliedstaaten der EU begrüßen dürfen, die der neuen Wirtschaftsregierung berichten werden, ob es in der Bundesrepublik so vorangeht, wie es soll. „Im Falle dauerhafter Nicht-Erfüllung“, schreibt Herman Van Rompuy, „sollten die Überwachungsinstrumente der europäischen Verträge benutzt werden“. Christopher Ziedler

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Christopher ZiedlerD

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