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Performance-Gruppe in Berlin zum Thema - na, klar - steigenden Mieten.

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Mieten in Berlin: "Nach Umzügen steigt die Miete um 30 Prozent"

Lukas Siebenkotten, Direktor des Deutschen Mieterbunds, hat aufschlussreiche Zahlen zu Mieterhöhungen in Berlin und Luxussanierungen und weiß, welche Folgen der milde Winter hat.

Herr Siebenkotten, wohnt der oberste Mieterschützer eigentlich in Berlin selbst zur Miete?

Ja, und ich will auch gern in meiner Wohnung bleiben.

Weil die Miete niedrig ist?

Nein, so billig ist die Wohnung gar nicht. Aber ich weiß, dass in Berlin Wohnungswechsel in aller Regel mit empfindlichen Mietsteigerungen verbunden sind.

Über welche Größenordnung reden wir?

Nach unseren Untersuchungen müssen Mieter in Berlin nach Umzügen im Schnitt 20 Prozent mehr zahlen, im Bereich des inneren S-Bahnrings sind es sogar 30 Prozent.

Ist Berlin damit Spitze?

Wenn es um die Unterschiede zwischen Bestands- und Neuvermietungsmieten geht, gehört Berlin zu den Top Ten in Deutschland – zusammen mit Hamburg, München und vielen Unistädten.

Im nächsten Jahr soll die Mietpreisbremse kommen. Wird sie solche Auswüchse verhindern?

Das ist zumindest das Ziel. Der Vermieter soll künftig bei Wiedervermietungen nur noch die ortsübliche Vergleichsmiete und einen Aufschlag von zehn Prozent verlangen dürfen.

Dann müssen die Vermieter in den nächsten Monaten noch mal ordentlich zuschlagen, bevor das nicht mehr geht.

In bestehenden Mietverhältnissen können sie das nicht. Da gilt die ortsübliche Vergleichsmiete. Aufschläge gibt es immer dann, wenn der alte Mieter auszieht und ein neuer einzieht. Das nutzen die Vermieter aber heute schon aus.

In Deutschland gibt es doch für alles Gesetze. Dafür nicht?

Doch auf dem Papier haben wir durchaus eine Regelung: Paragraf fünf des Wirtschaftsstrafgesetzes untersagt Mieten, die 20 Prozent oder mehr über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. In der Praxis wird das aber nicht geahndet.

Lukas Siebenkotten
Lukas Siebenkotten

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Warum nicht?

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Mieter, der sich auf diesen Paragrafen beruft, nachweisen muss, dass er gezwungen war, das „unmoralische“ Angebot des Vermieters anzunehmen, weil er keine andere Wohnung finden konnte. In Großstädten ist so ein Nachweis aber unmöglich. Es gibt doch immer irgendwo eine andere, billigere Wohnung. Deshalb fordern wir, dass dieser Paragraf reformiert wird. Aber das Justizministerium wählt einen anderen, ich finde falschen Weg. Das Ministerium will den Paragrafen streichen. Dabei müsste man einfach die Beweislast umdrehen und hätte dann ein wirksames Mittel gegen Mietwucher.

Die Mietpreisbremse soll nicht gelten, wenn Wohnungen umfassend modernisiert werden. Ist das ein Einfallstor für Wuchermieten?

Das ist ja nicht die einzige Ausnahme. Auch der Neubau soll ja ausgeschlossen werden. Und Mieten, die jetzt schon hoch sind, werden ebenfalls nicht angetastet. Da gibt es quasi einen Bestandsschutz, der Vermieter muss die hohen Mieten nicht reduzieren. Und auch nach Modernisierungen können die Mieten weiter kräftig steigen. Die Mietpreisbremse verhindert das nicht. Sie kann auch nicht alle Probleme lösen, die es am Wohnungsmarkt gibt. Wir brauchen mehr Wohnungen, damit Angebot und Nachfrage wieder ins Lot kommen.

Nach Modernisierungen bekommen viele Mieter kräftige Mieterhöhungen. Werden Modernisierungen eingesetzt, um Mieter zu vertreiben?

Modernisierungen sind ja eigentlich nichts Schlechtes, aber sie werden oft als Mittel eingesetzt, Mieten in die Höhe zu treiben. Solche Fälle kennen wir ja gerade in Berlin. Der Vermieter renoviert extrem aufwändig, und es ist ihm egal, ob der alte Mieter zahlt oder ob er die Wohnung zu dem neuen, hohen Preis an einen anderen vermietet.

Bundesjustizminister Heiko Maas will per Gesetz festlegen, dass zumindest bei energetischen Sanierungen die Mieter vor Kostenexplosionen geschützt werden. Die Kosten für energetische Modernisierungen, also etwa für eine Wärmedämmung, sollen nur noch so lange auf die Miete umgelegt werden dürfen, bis sich die Investitionen amortisiert haben. Werden Vermieter dann überhaupt noch Energiesparmaßnahmen anpacken?

Wir halten den Ansatz für falsch und sind damit ausnahmsweise mit der Wohnungswirtschaft einig. Wir haben sowohl dem Bau- als auch dem Justizministerium gesagt, dass wir eine andere Lösung begrüßen würden.

Welche?

Man sollte nicht länger die Kosten der energetischen Sanierung mit der Mieterhöhung verknüpfen. Das heißt nämlich: Je teurer saniert wird, desto stärker steigt die Miete. Man müsste stattdessen den Erfolg der Sanierung mit den Kosten verknüpfen: Je mehr man bei den Heizkosten sparen kann, desto höher darf die Miete steigen. Heute fragt keiner nach dem Ende der Modernisierung, ob sie unterm Strich etwas gebracht hat, das muss sich ändern. Außerdem müsste man die öffentliche Förderung erhöhen.

Was müsste der Staat zuschießen?

Derzeit gibt der Staat rund 1,8 Milliarden Euro im Jahr, wir bräuchten aber fünf Milliarden. Heute wird pro Jahr knapp ein Prozent des Wohnungsbestands energetisch modernisiert. Um die Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen – 20 Prozent weniger Wärmebedarf bis zum Jahr 2020, bis 2050 eine Reduzierung des Primärenergiebedarfs um 80 Prozent –, ist aber eine Sanierungsquote von mindestens zwei Prozent nötig. Das geht nur mit mehr öffentlichen Fördermitteln.

In den vergangenen Jahren haben Mieter happige Nachforderungen für Heiz- und Nebenkosten bekommen. In diesem Jahr dürfte das nach dem milden Winter aber wohl nicht so schlimm werden, oder?

Bei den Abrechnungen geht es ja meistens um das Kalenderjahr. Der Witterungsverlauf im Jahr 2013 war für die Mieter letztlich noch positiv.

Trotz des langen Winters?

Ja, der zog sich zwar bis in den Mai hinein. Aber der Januar und der Februar 2013 waren nicht besonders kalt, und von Oktober bis Dezember hatten wir praktisch gar keinen Winter. Unter dem Strich ist der Energiebedarf um etwa fünf Prozent gestiegen. Hinzu kommt, dass der Preis für Öl um sechs Prozent gesunken ist. Bei Gas und Fernwärme sind die Preise zwar gestiegen, aber nur moderat. Für 2013 wird es daher nach unserer Schätzung nicht zu hohen Nachzahlungen kommen.

Werden Mieter im Gegenteil etwa zurückbekommen?

Und wenn ja, wie viel? Zumindest wer mit Öl heizt, kann auf eine Rückzahlung hoffen. Und bei unterjährigen Abrechnungsperioden, beispielsweise vom 1. Mai 2013 bis 30. April 2014 oder vom 1. Oktober 2013 bis 30. September 2014, sind Rückzahlungen eigentlich sicher, meines Erachtens im dreistelligen Bereich.

Das Interview führte Heike Jahberg

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