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Milchquote: Rebellion im Bauernverband

48 Cent sind nicht viel Geld. Um einen gewöhnlichen Brief zu verschicken, reicht das nicht. Es ist derzeit aber genug, um einen Liter Frischmilch beim Discounter zu kaufen – sogar die gute, mit 3,5 Prozent Fett. Was viele Verbraucher freut, ist für die Bauern eine Katastrophe.

Berlin - 48 Cent sind nicht viel Geld. Um einen gewöhnlichen Brief zu verschicken, reicht das nicht. Es ist derzeit aber genug, um einen Liter Frischmilch beim Discounter zu kaufen – sogar die gute, mit 3,5 Prozent Fett. Was viele Verbraucher freut, ist für die Bauern eine Katastrophe. Seit Jahren leiden sie unter den niedrigen Milchpreisen. Vor gut einem Jahr reichte es ihnen: Sie boykottierten tagelang die Milchlieferungen, um gegen die niedrigen Preise zu protestieren. Damals verdienten die Erzeuger 32 Cent am Liter.

Gebracht hat es nichts, die Preise stürzten noch tiefer. Heute verdienen die Milchbauern nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter (BDM) nur noch 18 bis 24 Cent pro Liter – so wenig wie nie zuvor. „Davon kann niemand leben“, sagt Romuald Schaber, Vorsitzender des BDM. Im vergangenen Jahr hätten bereits 3500 milchproduzierende Betriebe dichtgemacht. Rund 80 000 gebe es noch. „Wenn sich nichts tut, müssen allein in diesem Jahr noch 20 bis 30 Prozent dichtmachen“, sagte Schaber am Freitag.

Was also ist zu tun? Der BDM hat eine klare Antwort: Die Bauern sollen weniger produzieren dürfen und dafür höhere Preise erzielen. Die EU-Agrarminister müssten auf ihrer Sitzung am 7. September „endlich eine wirksame Mengenreduktion für die Milcherzeugung beschließen“, fordert Schaber. Das ist allerdings wenig realistisch. Die EU will die Quote schrittweise ausweiten, um den hoch subventionierten Markt zu liberalisieren. Zudem liegt der BDM, der rund 30 000 Milchbauern vertritt, mit seiner Forderung auf Konfrontationskurs mit dem ungleich größeren Bauernverband. Dessen Präsident Gerd Sonnleitner hatte am Donnerstag erklärt, er halte eine Senkung der Milchmenge nicht für sinnvoll. Stattdessen setzt er vor allem auf Exporthilfen der EU.

Um sich gegen den einflussreichen Verband behaupten zu können, haben die Milchbauern sich nun Verbündete gesucht. Am Freitag stellten sie ein neues Bündnis mit Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen vor. „Der Bauernverband setzt auf Billigproduktion, die an den Weltmärkten ausgerichtet ist“, erklärte Milchbauern-Chef Schaber. Der Bauernverband vertrete die Interessen der Milchindustrie, nicht aber der Milchbauern. Auf industrieller Basis sei keine artgerechte Tierhaltung möglich, sagte Norbert Mauren vom Tierschutzbund. Vor den Folgen warnte Friedrich Ostendorff vom Bund für Umwelt und Naturschutz: „Wenn die Kuh vom Grünland verschwindet, verschwindet auch das Grünland.“ Auch Tobias Reichert von der Entwicklungshilfeorganisation Germanwatch forderte eine Abschaffung der Exportsubventionen, da diese die heimische Produktion in den Entwicklungsländern verdränge.

Der Protest steht zwar nun auf breiterer Basis. Die Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, bleiben aber beschränkt. Einen neuerlichen Lieferstopp der Milchbauern hält selbst Schaber für problematisch. Am 9. September wird das Oberlandesgericht Düsseldorf voraussichtlich erklären, dass der Boykott gegen das Kartellrecht verstieß. Für den Wiederholungsfall hat das Kartellamt bereits Bußgelder angedroht.

Daniel Gratzla

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