zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Neuer Markt: Fondsmanager geraten in Bedrängnis

Ist der Neue Markt ganz tot, nur scheintot oder doch nur siech? Nach dem Absturz um 7300 Punkte auf 15 Prozent seiner ehemaligen Größe, nach Favoritensterben, Pleiten und Betrügereien mehren sich besorgte Stimmen, die ein finales Kursbeben befürchten - ausgelöst durch die Schließung eines Neuer-Markt-Fonds.

Ist der Neue Markt ganz tot, nur scheintot oder doch nur siech? Nach dem Absturz um 7300 Punkte auf 15 Prozent seiner ehemaligen Größe, nach Favoritensterben, Pleiten und Betrügereien mehren sich besorgte Stimmen, die ein finales Kursbeben befürchten - ausgelöst durch die Schließung eines Neuer-Markt-Fonds. Der Hintergrund: Nachdem auch die letzten verbliebenen Perlen des Neuen Marktes in sich zusammen fielen, wurden Gerüchte laut, ein Fonds musste wegen massiver Anteilsverkäufe seiner Kunden größere Aktien-Positionen losschlagen. Ausgeguckt haben sich die Gerüchteköche vor allem jene Fonds, die sich nach Jahren oder Monaten großer Erfolge in der Krise am schlechtesten behauptet haben: Den H & A Lux Dac Neuer Markt und den Dac Kontrast Universal. Die Anlageentscheidungen trifft bei beiden Fonds ein Mann, dem die Anleger in den goldenen Zeiten des Neuen Marktes blind vertrauten und dessen Kaufempfehlungen sich auch mal in einer Vervielfachung des Kurses niederschlugen: Bernd Förtsch. Noch vor einem Jahr kauften Privatanleger ungeprüft, was der Börsen-Guru aus Kulmbach empfahl. Als er seiner Fangemeinde Anfang letzten Jahres das bayerische Biotech-Unternehmen Morphosys mit dem Kursziel 1000 Euro ans Herz legte, verdreifachte sich der Kurs binnen weniger Tage.

Kurse stürzen wie Steine

Seit der Götterdämmerung am Neuen Markt vertraut jedoch kaum noch jemand "Mister Dausend", wie der Franke inzwischen spöttisch genannt wird. Dass die Werbung für die Dac-Familie komplett eingestellt wurde und dass vor allem die Förtsch-Favoriten - beispielsweise Comroad oder D.Logistics - zuletzt wie Steine abgestürzt sind, werten manche Branchenkenner als Alarmzeichen. Andere halten es für denkbar, dass Privatanleger Förtschs Lieblingspapiere en masse losgeschlagen haben, weil sie das Ende eines seiner Fonds befürchten. Hartnäckig halten sich an der Börse die Spekulationen, Förtsch, der insgesamt elf Fonds berät, stehe bereits auf der Abschussliste und werde nach Kurt Ochner der zweite Neue-Markt-Guru sein, den sein Brötchengeber vor die Tür setzen könnte - mit ebenso drastischen Folgen. Nach dem Rausschmiss von Starmanager Ochner beim Bankhaus Julius Bär war es zu einem kleinen Erdbeben am Neuen Markt gekommen. Eingefleischte Förtsch-Fans hingegen streuen in den Internets-Boards Gerüchte, wonach erbitterte Förtsch-Konkurrenten nun die Gunst der Stunde nutzen wollen, um den ehemals erfolgreichsten deutschen Fonds-Lenker vom Sockel zu stürzen. Und die Fondsgesellschaft Universal Investment - für die Förtsch unter anderem den Dac Kontrast steuert - beteuert: Weder die Fonds noch deren Lenker stehen zur Disposition. Im Gegenteil: Man arbeite nach wie vor "sehr gut zusammen" und habe sogar "weitere gemeinsame Projekte in der Pipeline", sagt Universal-Geschäftsführer Bernd Vorbeck. Auch die Mittelabflüsse seien "nicht signifikant". Der sonst so auskunftsfreudige Förtsch selbst äußert sich nicht. Fakt ist jedoch, dass die beiden Förtsch-Fonds in der Wertentwicklung seit Jahresbeginn unter 25 Konkurrenten am schlechtesten abgeschnitten haben. Der H & A Dac Lux Neuer Markt hat seit Jahresbeginn etwa 70 Prozent eingebüßt, der Kontrast gut 60 Prozent. Beide haben damit schlechter abgeschnitten als die Vergleichsindizes am Neuen Markt. Auch der Bundesverband deutscher Investmentgesellschaften (BVI) beruhigt: Ein Fonds könne zwar geschlossen werden, allerdings nur nach dreimonatiger Kündigungsfrist und Bekanntmachung im Bundesanzeiger. Pleite gehen könne ein Fonds praktisch nicht, versichert BVI-Sprecher Frank Bock. Das Vermögen der Anleger werde grundsätzlich getrennt vom eigenen Vermögen der Fondsgesellschaft verwaltet. Selbst im Falle einer Überschuldung der Kapitalanlagegesellschaft stehe dem Anleger die Rückzahlung seiner Anteile zu. Das Risiko des Anlegers sei also auf Kursverluste begrenzt. Was passiert allerdings, fragen besorgte Anleger, wenn die Fondsgesellschaft den Fonds auflöst, einen Teil der Aktien aber nicht los werde? Dann müsse eben zu einem sehr niedrigen Preis verkauft werden, sagt BVI-Mann Bock. Die Depotbank könne aber auch eine andere Gesellschaft mit der Weiterführung des Fonds beauftragen. Auch ein namhafter Fondsmanager der Konkurrenz, der ungenannt bleiben will, glaubt, "dass Förtsch das Wasser bis zum Halse steht". Es sei logisch, dass "vor allem die Neue-Markt-Fonds mit der schlechtesten Performance von den Privatanlegern verkauft werden." Neben den Dac-Fonds gehörten dazu auch die Sektorfonds von Julius Bär und der DWS. Mit einem Minus von gut 50 Prozent seit Januar stehen der Uni Neue Märkte oder der Adig Neuer Markt vergleichsweise besser da. Der Invesco Neue Märkte verlor sogar "nur" etwas weniger als die Hälfte.

An ein schnelles Ende der Krise glauben selbst die Fondsmanager nicht mehr. Die alten Höchststände werde der Nemax All Share auf Jahre hinaus nicht mehr erreichen, meint Wassili Papas, Manager des eine Milliarde Mark schweren Fonds Uni Neue Märkte. Auch jetzt sei noch Abwärtspotenzial vorhanden: "Es ist nicht auszuschließen, dass der All Share noch unter die 1000 Punkte geht", warnt der Manager der Volks- und Raiffeisenbanken-Tochter Union Investment. Papas hat daher seinen Investmentanteil am Neuen Markt von ehemals 60 auf inzwischen 20 Prozent reduziert und legt hauptsächlich in den USA an.

Zockerparadies Neuer Markt

Zocker und Short-Seller hätten den Markt derzeit voll im Griff, sagt auch Kollege Ronny Ruchay, Manager des EuroAction MidCap aus dem gleichen Haus. Darüber müsse man aber schon froh sein, denn "sonst wäre fast gar keine Liquidität im Markt". Auch Michael Fraikin vom Invesco Neue Märkte glaubt, dass die Wiederbelebung der ehemals aufregendsten Börse Europas schwierig wird. 100 bis 150 Unternehmen, also etwa ein Drittel der 343 Firmen, seien "nicht mehr als Schrott", ist Fraikin überzeugt. Namen will man in der Branche nur inkognito nennen: Ein Marktkenner glaubt, "dass viele heute prominente Werte am Neuen Markt nicht überleben werden, unter anderem Intershop und Brokat". Die Marktbereinigung sei noch nicht beendet und begrenze einen Aufwärtstrend. "Gut möglich", so der Analyst, "dass wegen mangelnder Liquidität und ausbleibendem Erfolg dann auch ein Fonds aufgelöst oder mit einem anderen zusammengelegt wird - oder ein Fondsmanager vor die Tür gesetzt wird. Förtsch oder ein anderer."

Veronika Csizi

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false