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Ausverkauf. Bei Hugendubel am Berliner Tauentzien ist morgen Schluss.

© Thilo Rückeis

Neues Kapitel: Buchhandelsketten spüren Druck aus dem Netz

Es ist nur ein Beispiel von vielen. Hugendubel an der Tauentzienstraße macht dicht. Was die großen Buchhändler derzeit plagt, könnte den kleinen helfen.

Nun ist endgültig Schluss: Am heutigen Samstag öffnet der Buchhändler Hugendubel seine Filiale an der Tauentzienstraße zum letzten Mal. Auf vier Etagen konnten Kunden in der Nähe des Ku’damms seit der Eröffnung vor bald 15 Jahren stöbern, lesen oder Kaffee trinken. Zwar soll es einen neuen Laden geben, der aber wird mit bis zu 2000 statt bisher 4500 Quadratmetern Fläche deutlich kleiner sein. Auch die Wohlthat’sche Buchhandlung, die wie Hugendubel zum Weltbild-Verlag gehört, will ihre zehn Filialen im Berliner Raum verkaufen. Und kürzlich kündigte die Douglas-Konzerntochter Thalia ebenfalls Schließungen und Verkleinerungen an.

Nachdem zunächst die kleinen Buchläden litten, stehen nun auch die großen Ketten vor der Konsolidierung: Onlinehändler wie Amazon nehmen dem stationären Buchhandel Umsatz weg, und auch das digitale Buch, das E-Book, findet auf Tablet-Computern immer mehr Leser. Vor gut zehn Jahren wurden noch 60 Prozent aller Bücher in Buchläden verkauft, heute sind es nur noch gut 50 Prozent. Der Umsatz der Händler lag im Jahr 2010 bei knapp fünf Milliarden Euro und schrumpfte 2011 nochmal um drei Prozent.

Der Marktanteil der Internethändler liegt heute bei 14 Prozent. Unter ihnen leiden vor allem die Ketten, die auf Fläche gesetzt haben und nun in teuren Innenstadtlagen große Filialen betreiben. „Die Umsätze steigen nicht im gleichen Maße wie die Kosten“, sagt Claudia Paul, Sprecherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Die Mieten würden die Unternehmen unter Druck setzen. Zwar haben die Läden eine große Auswahl, die Onlinehändler, die zudem bequem nach Hause liefern, aber eine noch größere. „Die großen Buchhändler haben hohe Fixkosten und leben in erster Linie von der Laufkundschaft“, sagt Arnold Picot, Professor am Institut für Information, Organisation und Management an der Universität München. Einer der Branchengrößen steuert nun um: „Wir müssen weg von den überdimensionierten Buchhandlungen“, erklärte Douglas-Vorstandschef Henning Kreke kürzlich. Verkaufsflächen von bis zu 600 Quadratmetern seien ausreichend.

Schon heute versuchen die Buchhändler, Geld mit Nebenprodukten zu verdienen. Mit Kuscheltieren, Kalendern, Computerspielen. Thalia machte im vergangenen Geschäftsjahr schon 20 Prozent des Umsatzes mit solchen Artikeln, bis zu 30 Prozent könnten es werden. Zudem will die Kette künftig überschüssigen Platz an andere Geschäfte vermieten. Ein Beispiel gibt es schon: Seit kurzem ist in die Filialen in Krefeld und Kassel ein Spielzeughändler eingezogen.

Vor der Konsolidierung kann dies den Buchmarkt nicht retten, glaubt Picot. „Weitere Schließungen und Übernahmen in der Branche halte ich für wahrscheinlich“, sagt der Wissenschaftler. Dazu passt, dass der Weltbild-Verlag gerade zum Verkauf steht – allerdings unabhängig von den Umwälzungen im Markt. Die katholische Kirche, der das Unternehmen gehört, will sich von dem Verlag trennen – allerdings nicht aus Geldnot: Die Bischöfe stören sich an der Literatur über Erotik und Esoterik im Sortiment.

Was die Großen derzeit unter Druck setzt, könnte den kleinen Geschäften helfen. „Sie werben mit guter Beratung und haben meist eine treue Stammkundschaft“, sagt Picot. Wie die Nicolaische Buchhandlung in Berlin Friedenau. Seit 1926 gibt es den kleinen Laden, der fünf Mitarbeiter beschäftigt. „Wir wollen nicht Amazon und den Ketten nacheifern“, sagt Geschäftführer Burkhardt Widera, der auf sein ausgewähltes Sortiment stolz ist. „Wir haben eine gute Berlin-Abteilung, dazu viel Belletristik und Taschenbücher.“ Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen künftig alle Buchhändler ihre Onlineshops stärken, meint Paul. „Das Angebot der großen wie Thalia und Hugendubel ist dabei durchaus konkurrenzfähig“, sagt sie. Experten gehen davon aus, dass der Anteil des Onlineverkaufs am Buchmarkt in den nächsten fünf Jahren auf bis zu 25 Prozent steigen könnte. „Allerdings ist das kein reines Substitutionsgeschäft“, sagt Picot. Im Internet kauften Kunden zum Teil andere Bücher als im Laden.

Weltbild/DBH, das sich früh auf den Versand- und Onlinehandel konzentriert hat, erlöst heute mit beiden Bereichen schon rund 50 Prozent seines Umsatzes. Kürzlich wandte die Verlagsgruppe sich dem Netz noch enger zu und stieg beim Onlinekiosk Pubbles ein. Hier können Kunden sich digitale Zeitschriften, Zeitungen und Bücher kaufen. Die Marktforscher der Gfk sehen bei den E-Books großes Potenzial. Noch ist der Marktanteil gering, im ersten Halbjahr 2011 lag er bei 0,7 Prozent. In den USA aber ist der Anteil der E-Books am Buchmarkt zwischen 2008 und 2010 von 0,6 auf 6,4 Prozent gewachsen. Auch in Großbritannien liegt er schon bei mehr als sechs Prozent. „Besonders bei Schulbüchern und Fachbüchern, die immer wieder aktualisiert werden müssen, sind die E-Books die Zukunft“, sagt Picot.

Ein Mittel, um die Kunden in die eigenen Onlineshops zu locken, sind auch E-Book-Reader. So wie Amazon den Kindle auf den Markt brachte, bietet auch Weltbild seit kurzem einen Reader an, Thalia hat den Touch Me im Sortiment. Das Wachstum ist auch hier sichtbar: Im Januar 2011 besaßen knapp 380 000 Deutsche einen E-Book-Reader, hat die GfK ermittelt. Im Juli 2011 waren es schon knapp 800 000 Geräte.

Auch für die kleinen Buchläden seien E-Book-Angebote, Onlineversand und Kurierdienste wichtig, sagt Paul. Die Nicolaische Buchhandlung in Friedenau hat zwar eine Homepage, ein Onlineangebot gibt es aber nicht. „Das haben wir auch nicht vor“, sagt Geschäftsführer Widera. Auch E-Books will er nicht verkaufen, er glaubt an das Buch. Das tut auch der Börsenverein. „Ein gedrucktes Buch hat ganz besondere haptische Qualitäten“, sagt Paul. Etliche Titel werde es auch in ferner Zukunft noch in gedruckter Form geben. „Das Buch wird das Leitmedium bleiben.“

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