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Wirtschaft: Nicht um jeden Preis

Kritik an Reform bei Arzneimitteltests wächst.

Brüssel - Es geht um das Wie, nicht um das Ob: Dass Menschen im Namen des wissenschaftlichen Fortschritts Risiken ausgesetzt werden, gilt als gesellschaftlicher Konsens. So betont auch der Deutsche Bundestag die „besondere Bedeutung klinischer Forschung in der EU im Hinblick auf die Entwicklung neuer Arzneimittel und die weitere Verbesserung der Behandlungsmöglichkeiten von Krankheiten“. Eine neue Verordnung, von der EU-Kommission im Juli 2012 vorgelegt, soll eine existierende EU-Richtlinie von 2001 ersetzen, die in den 27 Mitgliedstaaten verschieden ausgelegt wird. Mit den vereinfachten Regeln ließen sich jährlich 800 Millionen Euro an Verwaltungskosten einsparen, die dann für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stünden, argumentiert Brüssel. Und es geht um den Wettbewerb. Da die Zahl der Genehmigungen von Arzneitests an Menschen abnimmt – 2007 waren es mehr als 5000, im Jahr 2011 nur noch 3800 – will die EU-Kommission laut einem Hintergrundpapier „die patientenorientierte Forschung in die EU zurückholen“.

Nun aber sollen Firmen, die Medikamente der Einfachheit halber an Menschen in Asien oder Russland testen, den Probanden Schutz auf EU-Niveau bieten. Wer seine Arznei auch in der EU zugelassen haben will, kann nicht mehr in „Niedrig-Schutz-Länder“ ausweichen.

Nicht nur deshalb sieht Peter Liese, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU im Europaparlament, das Gesetzesvorhaben „im Grundsatz positiv“. Das liegt vor allem am Kernpunkt, wonach künftig jeder Forscher nur noch eine Stelle kontaktieren muss und nicht mehr mehrere. Laut EU-Kommission sollen 24 Prozent aller in der EU beantragten klinischen Prüfungen in zwei oder mehr Mitgliedstaaten durchgeführt werden.

Der Arbeitskreis medizinischer Ethikkommissionen in Deutschland begrüßt, dass es für sogenannte „minimal interventionelle“ Versuche eine Sonderregelung mit weniger strengen Auflagen geben soll. Das gilt etwa für bereits bekannte Substanzen, die lediglich unter neuen Umständen getestet werden sollen. Hier hilft die Entlastung. Der Bundestag sieht „erhebliche Mängel“. Das liegt auch daran, dass für Unternehmen die Möglichkeit besteht, in EU-Länder mit niedrigeren Standards auszuweichen. Im Ministerrat haben bereits 16 Staaten Beratungsbedarf angemeldet, ehe im Juni erste Entscheidungen fallen sollen. Im EU-Parlament wird das genauso gesehen. Am heutigen Dienstag stellt die britische Labour-Abgeordnete Glenis Willmott im Gesundheitsausschuss ihren Bericht mit Änderungsvorschlägen vor.Christopher Ziedler

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