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Wirtschaft: Portugal spart – und schrumpft

Das Land erfüllt die EU-Vorgaben, doch das würgt das Wachstum ab.

Brüssel - Erneut müssen die Finanzexperten ihre Vorhersagen für ein Krisenland nach unten korrigieren: Die sogenannte Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds geht nach ihrem jüngsten Kontrollbesuch in Portugal von einem geringeren Wachstum und einer höheren Arbeitslosenquote aus, als vor nur einem Vierteljahr prognostiziert.

Statt um genau drei Prozent wird die portugiesische Wirtschaft in diesem Jahr demnach um 3,3 Prozent schrumpfen. Die Arbeitslosenquote im Jahresdurchschnitt wird mit 14,4 statt bisher 13,8 Prozent veranschlagt. Außerdem heißt es in dem neuen Bericht, dass „das Vertrauen der Verbraucher und der Unternehmen Rekord-Tiefstände erreicht hat“.

Peter Weiß, Missionschef der EU-Kommission in Portugal, musste in Brüssel einräumen, dass er und seine Kollegen vom starken Anstieg der Arbeitslosigkeit „ein wenig überrascht“ seien. Dabei sind die jüngsten Zahlen – am Montag hatte die Statistikbehörde Eurostat bereits eine portugiesische Quote von 15 Prozent vermeldet – noch nicht in die Berechnungen eingegangen, die auf dem Stand von Ende Februar basieren. „Wir haben Interpretationsschwierigkeiten“, sagte Weiß und verwies darauf, dass die Regierung in Lissabon 110 von 120 vorgeschriebenen Anpassungsmaßnahmen zur vollen Zufriedenheit der Geldgeber umgesetzt habe.

Interpretationsschwierigkeiten haben viele Abgeordnete, die im Europaparlament auf der linken Seite sitzen, nicht. Der Sozialdemokrat Peter Simon hält der Troika eine „neoliberale Denkweise“ vor. „Sie arbeitet mit Uralt-Rezepten, die schon vor 80 Jahren in Deutschland bei Brüning nicht funktioniert haben. Sparen, Sparen, Sparen allein reicht nicht.“ Auch für den Grünen Sven Giegold ist der Fall klar: „Weil Portugal das Programm so genau umsetzt, steigt die Arbeitslosigkeit.“ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte am Wochenende beim Treffen mit seinen EU-Kollegen erneut den strikten Sparkurs verteidigt: „Wir machen das ja nicht, um irgendjemanden zu quälen.“ Doch sei es die „Grundlage für soziale Sicherheit“, dass die Etats in Ordnung gebracht würden.

Das erledigt Portugal vorbildlich: Das Defizitziel für 2011 von 5,9 Prozent der Wirtschaftsleistung – zwei Jahre zuvor lag die Neuverschuldungsrate noch bei zehn Prozent – wurde dank einmaliger Privatisierungserlöse übererfüllt. Dieses Jahr soll der Wert bei 4,5 Prozent liegen – was durch drastische Kürzungen bei Überstundenzuschlägen, Renten und Urlaubstagen erreicht werden soll. Das Anpassungsprogramm ist Weiß zufolge „prinzipiell in der Spur“. Trotzdem soll Portugal nach Ansicht des Kommissionsvertreters weitere Strukturreformen und Einschnitte vornehmen, indem es etwa die Bezugsdauer von Arbeitslosenhilfe kürzt. Dann sei kein neuer Hilfskredit nötig. „Aber das letzte Urteil“, sagte Weiß, „spricht der Markt“.

Am heutigen Mittwoch entscheiden die IWF-Gremien in Washington, ob Portugal auf der Grundlage des jüngsten Berichts die nächste Rate aus dem 78-Milliarden-Euro-Paket vom vergangenen Frühjahr bewilligt bekommt. Die Euro-Finanzminister haben informell bereits grünes Licht gegeben, ausgezahlt werden soll die nächste Tranche in Höhe von 14,9 Milliarden Euro allerdings erst im Laufe des Monats Mai. Das noch bis 2014 laufende Hilfsprogramm geht von der Prämisse aus, dass sich Portugal bereits im Herbst nächsten Jahres wieder selbst Geld an den Finanzmärkten besorgen kann. Dann muss es 9,8 Milliarden Euro aufbringen – obwohl „Risiken und Herausforderungen weiterbestehen“, wie es im neuen Bericht heißt. Christopher Ziedler

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