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Gazprom will zum Rundumversorger in Deutschland werden.

© dpa

Russischer Gasriese: Gazprom zahlt nur noch wenige Millionen Steuern in Berlin

Gazprom will zum Rundumversorger in Deutschland werden. Der Konzern will Kraftwerke in Bayern bauen und überall Stromhändler übernehmen. Steuern zahlen aber tut er aber kaum noch - zumindest nicht in Berlin.

Es hat 22 Jahre lang gedauert, aber nun scheint dem russischen Energiekonzern Gazprom die Zeit reif, sich auch den Privatkunden in Deutschland zu nähern – als Gas- und Stromversorger. „Wir wollen möglichst entlang der gesamten Wertschöpfungskette von der Gasproduktion, über den Transport bis zum Verkauf präsent sein“, sagte Wjatscheslaw Krupenkow, Hauptgeschäftsführer von Gazprom Germania, am Mittwoch in Berlin.

Gazprom, ein Rundumversorger: Daran war im Jahre 1990 noch nicht zu denken, als der damals noch voll staatliche Konzern hierzulande seine Außenstelle gründete. Mittlerweile arbeiten 180 Mitarbeiter in der Zentrale in der Markgrafenstraße in Berlin-Mitte, weltweit beschäftigt Gazprom Germania in 40 Tochtergesellschaften mehr als 1000 Mitarbeiter. Die Holding steuert das Geschäft in mehr als 20 Ländern in Europa, Zentralasien, aber auch in den USA und Mexiko.

Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz „in einem schwierigen Marktumfeld“, wie Krupenkow betonte, um 13 Prozent auf 9,8 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn legte fünf Prozent auf 341 Millionen Euro zu. „Für dieses Jahr gehen wir von einem ähnlichen Ergebnis von 340 bis 360 Millionen aus“, sagte er. Das Ziel scheint ehrgeizig angesichts der Tatsache, dass Gazprom-Konzernvize Alexander Medwedew am Mittwoch in Moskau ankündigte, dass man angesichts sinkender Nachfrage in diesem Jahr etwas weniger Gas nach Westeuropa liefern werde.

Es ist aber nur scheinbar ein Widerspruch: Zwar lahmt EU-weit die Konjunktur, es wird weniger Gas gebraucht. Auch hat Gazprom Probleme, sich mit an den Ölpreis gekoppelten Tarifen gegen neue Anbieter billigen Flüssiggases durchzusetzen. Mittelfristig aber dürften nicht nur in Deutschland mehr Gaskraftwerke, die bei der Stromerzeugung als gute Ergänzung zu Wind- und Solarparks gelten, gebaut werden. Der Markt bewegt sich. „Wir müssen Schwankungen und Unsicherheiten als Normalzustand betrachten und unsere Strukturen und Prozesse so gestalten, dass wir schnell und flexibel reagieren können“, sagte Krupenkow.

Er geht mehrgleisig vor. Zum einen baut Gazprom die vor einem Jahr in Betrieb gegangene Nord Stream Pipeline weiter aus. Der zweite Strang wird derzeit fertiggestellt. Damit bindet Gazprom Kunden langfristig an sich. Anstatt dieses Gas aber wie bisher nur an deutsche Großhändler zu verkaufen, will Gazprom künftig das importierte Gas auch selbst nutzen. Dazu verhandeln die Russen derzeit etwa mit der Bayrischen Landesregierung über den Bau, die Belieferung und den Betrieb von Gaskraftwerken in dem Freistaat. „Die Gespräche laufen gut, noch sind wir aber in einem frühen Stadium“, sagte Krupenkow. Es wäre das erste Mal, dass Gazprom außerhalb Russlands als Stromerzeuger tätig wird.

Stromhändler ist Gazprom bereits. Im November kauften sich die Russen den kleinen hessischen Händler Envacom mit 100.000 Kunden. Einige sprangen zunächst ab. Mittlerweile aber versorgt Gazprom Energy, wie die Firma jetzt heißt, schon 120.000 Kunden hierzulande mit Strom. Und Gazprom will weitere Versorger übernehmen. „Wo sich eine gute Chance bietet, werden wir zugreifen“, sagte Krupenkow.

Mit einem Umbau der Konzernstruktur und Anpassung des Geschäftsmodells hat der seit einem Jahr amtierende Chef es aber nicht belassen. Auch die Steuern, die sein Unternehmen abführt, wurden "optimiert", wie es hieß.

So hatten Berlins Finanzsenatoren den Aufstieg von Gazprom Germania stets mit Freude begleitet, zählte die Firma doch lange zu den größten Steuerzahlern der Stadt.

In Berlin führte die Firma für 2011 nur gut zehn Millionen Euro Steuern ab. Sie hat alle Abschreibungsmöglichkeiten genutzt: So setzte sie das Sponsoring des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 und den Europa-Park Rust bei Freiburg ab. Auch die Investitionen für den Ausbau von Gasspeichern und den Bau der Opal-Pipeline durch Ostdeutschland drückte die Steuerlast enorm. Zugleich konnte Gazprom Germania für das Geschäftsjahr 2011 eine Rekorddividende in Höhe von 410 Millionen Euro an die Moskauer Konzernmutter ausschütten, deutlich mehr als die angestrebten 75 Millionen. Kunden in der Ukraine und Usbekistan hatten verspätet Rechnungen bezahlt, hieß es.

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