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Lutz Goebel (57) ist seit Mai 2011 Präsident des Verbands Die Familienunternehmer - ASU, der gut 180 000 inhabergeführte Firmen vertritt.

© Kai-Uwe Heinrich

Schuldenkrise: „Europa gaukelt sich etwas vor“

Lutz Goebel, Präsident des Verbands Die Familienunternehmer, warnt vor Anleihekäufen.

Von Carla Neuhaus

Herr Goebel, sollte die Europäische Zentralbank (EZB) wie geplant erneut Anleihen von Schuldenstaaten kaufen?

Nein, auf keinen Fall. Die EZB verzerrt durch diese Käufe die Zinsen für die Anleihen, der Marktmechanismus wird außer Kraft gesetzt. Eigentlich ist der Zins der Preis für das Risiko, dass eine Staatsanleihe ausfallen könnte. Wenn jetzt die EZB in den Markt eingreift und Anleihen kauft, ist das schlichtweg eine Zinssubventionierung. Damit gaukelt Europa sich etwas vor. Schließlich werden die Risiken so nicht kleiner, sie werden nur im Keller der Notenbank versteckt.

Diskutiert wird etwa, dass sich die EZB eine geheime Zinsobergrenze setzen sollte, ab der sie erst Anleihen kauft.

Es hilft nichts, wenn die Zentralbank erst ab einer bestimmten Zinshöhe in den Markt eingreift. Bevor Italien und Griechenland im Euro waren, haben sie doch auch zum Teil zehn bis 15 Prozent Zinsen gezahlt. Und heute soll schon bei sieben Prozent Schluss sein? Das funktioniert so nicht. Die Schuldenstaaten müssen dazu gebracht werden, ihre Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen. Nur so kann die Euro-Zone zusammengehalten werden. Durch Anleihekäufe erreicht man das nicht. Im Gegenteil, hierdurch wird der Anreiz für die Länder, die geplanten Reformen auch umzusetzen, nur noch verringert.

Was hätten die Anleihekäufe für Konsequenzen für Deutschland?

Diese Art der Staatsfinanzierung durch die EZB wird bei uns zur Inflation führen – vielleicht noch nicht kurzfristig, aber auf jeden Fall mittel- und langfristig. Und das trifft letztlich den Verbraucher.

Was sollte die Notenbank tun?

Die EZB muss auf die Preisstabilität achten. Sie darf sich nicht von der Politik instrumentalisieren lassen. Vielmehr sollte sie sich so verhalten wie die Bundesbank zu Zeiten der D-Mark und Geldpolitik unabhängig von politischen Einflüssen betreiben.

Und die Bundesregierung, was sollte die tun?

Angela Merkel muss jetzt eine eindeutige Position beziehen und klarstellen, dass die EZB keine Staatsanleihen ankaufen darf. Und: Sie muss dafür sorgen, dass die Stimmrechte im EZB-Rat geändert werden. Dafür müssten die Verträge zwar geändert werden, das wäre aber angebracht. Es kann nicht sein, dass Länder wie Malta und Zypern genauso viele Stimmen haben wie Deutschland, obwohl wir mit 27 Prozent EZB-Anteil am stärksten haften. Würden sich die Stimmen nach dem Anteil am Kapital richten, hätte es Bundesbank-Chef Jens Weidmann auch nicht so schwer, sich durchzusetzen.

Lutz Goebel (57) ist seit Mai 2011 Präsident des Verbands Die Familienunternehmer - ASU, der gut 180 000 inhabergeführte Firmen vertritt. Das Interview führte Carla Neuhaus.

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