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Dunkle Wolken über Siemens. Konzernchef Peter Löscher will angeblich bis zu 10 000 Stellen streichen.

© dapd

Siemens: Betriebsräte befürchten massiven Stellenabbau

Siemens präsentiert seine Bilanz und die Details zum neuen Sparprogramm. Klar ist: Das Unternehmen muss profitabler werden. Tausende Jobs könnten gestrichen werden.

Das hat Tradition: Siemens ist in mehr als 190 Ländern aktiv, und der Vorstand tagt immer mal wieder an einem anderen Ort, um seine Verbundenheit mit Kunden und Mitarbeitern in den Ländern zu zeigen. Vergangene Woche war das indische Neu Delhi an der Reihe. Das war passend gewählt: Große Erwartungen hatte man in die wirtschaftliche Entwicklung Indiens gesteckt, doch das Wachstum hat sich deutlich verlangsamt. Der Markt ist unberechenbar und schwierig. So könnte man auch das neue Geschäftsjahr überschreiben, das bei Siemens am 1. Oktober begonnen hat. Am Anfang steht ein neues Sparprogramm, das Vorstandschef Peter Löscher Effizienzprogramm nennt. 2013 werde ein Jahr des Übergangs, hört man aus Unternehmenskreisen. Das sind keine rosigen Aussichten.

Am Donnerstag präsentiert Siemens im Berliner Gasturbinenwerk erst einmal die Bilanz für 2012. Die Frage ist, ob das – bereits reduzierte – Ziel eines Ergebnisses von mindestens 5,2 Milliarden Euro erreicht wurde. Finanzchef Joe Kaeser hatte die Erwartungen zuvor gebremst und gesagt, Siemens nähere sich dem Ziel von unten. Viele Analysten sind skeptisch. Doch nach Informationen des Tagesspiegels hat Siemens sein Ziel erreicht und wird von einer „erfreulichen Geschäftsentwicklung“ im vierten Quartal berichten.

Allerdings muss man damit rechnen, dass im Abschlussquartal noch einige Dinge bereinigt werden. So hatte das Unternehmen vor kurzem angekündigt, sich komplett vom Solargeschäft zu trennen. Nur drei Jahre ist es her, dass Siemens für 284 Millionen Euro die israelische Solarthermie-Firma Solel übernahm. Doch im Geschäft mit der Sonnenenergie war der Verlust höher als der Umsatz. Nun zieht Siemens den Schlussstrich – und der Verlust verschwindet wohl aus dem Ergebnis der fortgeführten Geschäfte, die Siemens immer in den Vordergrund stellt. Die Trennung ist umso schmerzlicher, als Vorstandschef Löscher das Ziel vorgegeben hat, aus Siemens einen „grünen Infrastrukturgiganten“ zu machen. Wind- und Wasserenergie bleiben aber im Portfolio. Obwohl es auch im Windgeschäft Probleme gibt: Siemens musste bereits 500 Millionen Euro abschreiben, weil die Anbindung von Windparks auf See an das Stromnetz nicht klappt. Dennoch sind Wind und Wasser profitabel. Überhaupt ist das Energiegeschäft der größte und profitabelste der vier Siemens-Bereiche – dank der Gas- und der Dampfturbinen.

Probleme bereiten auch Geschäfte mit dem Iran, die zuletzt ein Volumen von 450 Millionen Euro hatten. Bereits 2010 kündigte Siemens an, sich aus dem Land zurückziehen zu wollen, bestehende Verträge wolle man jedoch erfüllen. Nun hat die EU Mitte Oktober die Sanktionen gegen Iran verschärft, so dass auch hier mit Abschreibungen zu rechnen ist.

Aus Sicht der Arbeitnehmervertreter fällt die Jahresbilanz düster aus. „2012 war ein schlechtes Jahr“, sagte Gesamtbetriebsratsvorsitzender Lothar Adler dem Tagesspiegel. „Die rückläufigen Zahlen bei Auftragseingang und Ergebnis haben das Management nervös gemacht.“ Allerdings sei das ein Jammern auf hohem Niveau, meint Adler. Wenn Siemens die Prognose erfülle, sei das schließlich das zweitbeste Ergebnis in der Geschichte des Unternehmens.

So habe das neuerliche Sparprogramm die Arbeitnehmer überrascht. „Schlanker, schneller und agiler“ soll Siemens werden, gibt Löscher vor. „Siemens ist kein Restrukturierungsfall“, meint Adler. Details des Programms kennt aber auch der Betriebsrat noch nicht. „Wir erfahren hoffentlich bald Genaueres“, sagt Adler. Verbesserungsbedarf sieht auch er: „Unsere Prozesse sind zu kompliziert“, sagt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. „Aber es geht nicht darum, dass wir schlanker werden müssen“, sagt er in Richtung Konzernleitung. „Wir müssen schneller werden als die Konkurrenz.“ Wo es zu Personalanpassungen komme, fordert er Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter, um sie an anderer Stelle wieder einsetzen zu können. „Einen Personalabbau nach der Rasenmäher-Methode wie beim letzten Mal, wird es mit uns nicht geben“, betont er. Fünf Hebel, so viel hat Löscher bereits verraten, will das Management ansetzen, um die Profitabilität zu steigern. So sollen unter anderem die Kosten runter, die Produktion muss billiger werden. Auch soll der Vertrieb in den Regionen stärker an die Marktgrößen angepasst werden, was bedeuten kann, dass Siemens in einigen Ländern seine Präsenz verkleinert. Kernaktivitäten stärken ist ein weiteres Ziel, das kann auch heißen, dass sich Siemens von weiteren Geschäften trennt.

„Wir wollen besser sein als die Wettbewerber und nicht im Mittelfeld dümpeln“, sagt Löscher. Tatsächlich arbeiten Konkurrenten wie General Electric oder ABB profitabler. Nach dem Ende des letzten Sparprogramms „Fit for 2010“, das Löscher 2007 startete, sei Siemens die Sache etwas zu lasch angegangen, sagen Beobachter. Hinzu kommt, dass das Unternehmen die Konjunkturentwicklung zunächst zu positiv einschätzte und in einen Aufschwung investierte, der ausblieb. Immerhin rund 30 000 Stellen hat Siemens in den vergangenen beiden Jahren netto geschaffen.

„Siemens hat zuletzt die Margen aus dem Fokus verloren“, sagt auch Analyst Ingo Schachel von der Commerzbank. „Das ist noch nicht dramatisch. Jetzt kommt es aber darauf an, ob die Maßnahmen überzeugen, die Siemens ergreifen will.“ Im Gegensatz zu 2007, wo es darum ging, die hohen Verwaltungskosten zu reduzieren, müsste diesmal an verschiedenen Stellschrauben gedreht werden. „Siemens muss insgesamt deutlich effizienter werden“, sagt Schachel.

Die Analysten der Investmentbank JP Morgan haben gerechnet und kommen auf eine Summe von vier bis fünf Milliarden Euro, die Siemens bis 2014 einsparen müsste, um in der Performance wieder bei den Besten zu sein. Wie viele Arbeitsplätze wird das diesmal kosten? Es kursieren bereits Zahlen von bis zu 10 000 der weltweit 360 000 Mitarbeiter (ohne Osram). Dass Löscher Zahlen zum Abbau nennt, ist unwahrscheinlich. Dafür könnte er eine andere spannende Zahl verraten: Die Ergebnisprognose für 2013.

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