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Der Konzern Siemens muss in seiner Energiepolitik den Spagat zwischen heimischen und ausländischen Kunden schaffen.

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Siemens: Noch keine Vision ohne Atom

Siemens muss entscheiden, ob es aus der umstrittenen Technologie aussteigt. Doch der Konzern zögert. Ausländische Kunden ticken anders als der heimische Markt.

Siemens steht vor einer schwierigen Entscheidung: Atomkraft ja oder nein. Doch mit einer klaren Aussage zögert das Unternehmen. „Energiepolitik wird derzeit in verschiedenen Gegenden der Welt unterschiedlich diskutiert“, sagte Konzernchef Peter Löscher Mitte vergangener Woche bei einem Festakt im bayrischen Schloss Linderhof. Deutschland setze in dieser Diskussion eigene Akzente, sagte er weiter. Es gehe dabei um eine gesamtgesellschaftliche Diskussion. Derzeit jedenfalls habe Siemens Atomkraft nicht im Portfolio. Und auch in den Zukunftsvisionen, die Löscher an diesem Abend vor seinen Gästen ausbreitete, kommt Atomkraft nicht vor.

Gerade hat sich Siemens von seiner Beteiligung an dem französischen Atomkonzern Areva getrennt. Ursprünglich tat das Unternehmen dies aber nicht, um aus der Kerntechnik aus-, sondern um gemeinsam mit einem neuen Partner intensiver als bisher in das Geschäft einzusteigen. Der neue Partner sollte der russische Staatskonzern Rosatom sein. Die Aussichten schienen gut: Noch bis vor wenigen Monaten wurden überall auf der Welt neue Kernkraftwerke geplant. Dann kam Fukushima.

Siemens steckt nun in der Zwickmühle. Zum einen möchte der Konzern als weltweit führender Anbieter umweltfreundlicher Technologien, als grüner Infrastrukturanbieter, wahrgenommen werden. Da passt der Bau von Kernkraftwerken nicht recht ins Bild. Hinzu kommt jetzt die Debatte um den Atomausstieg in Deutschland. Zum anderen möchte Siemens es sich aber auf keinen Fall mit Russland verderben. Das Land ist ein wichtiger Kunde, wenn es um Kraftwerks-, Bahn- oder Industrieprojekte geht.

Pionierleistung: In Schloss Lindenhof ließ sich König Ludwig II. die Venusgrotte als Kulisse für seine geliebten Opern bauen. Um die Grotte zu beleuchten, wurden 24 Kohlebogenlampen installiert. Im Vordergrund ist der Nachbau einer Leuchte zu sehen.
Pionierleistung: In Schloss Lindenhof ließ sich König Ludwig II. die Venusgrotte als Kulisse für seine geliebten Opern bauen. Um die Grotte zu beleuchten, wurden 24 Kohlebogenlampen installiert. Im Vordergrund ist der Nachbau einer Leuchte zu sehen.

© Siemens AG

Offiziell heißt es bei Siemens, man prüfe nach dem jüngst ergangenen Schiedsspruch zum Ausstieg bei Areva gemeinsam mit Rosatom, wie es weitergehen soll. Der Schiedsspruch sieht vor, das Siemens Areva bis September 2013 keine Konkurrenz machen darf. Doch das gibt dem Konzern nur scheinbar Luft. Denn der Druck wächst. Nicht nur die Russen, auch die deutsche Öffentlichkeit will wissen, wie es Siemens künftig mit der Kernkraft halten will. Die Berichte mehren sich, wonach der Ausstieg intern schon beschlossene Sache sei. Nach außen schweigt der Konzern dazu eisern.

Umso beredter ist Konzernchef Löscher, wenn es um die Umwelttechnik im Portfolio des Unternehmens geht: Rund 100 000 grüne Jobs, 18 000 grüne Patente und mehr als eine Milliarde Euro jährliche Investitionen in grüne Forschung und Entwicklung bei Siemens zählt er in Linderhof auf. Und Löscher erklärt auch, wie der in 25 Jahren weltweit um 50 Prozent steigende Energiekonsum gedeckt werden könnte: „Wir setzen auf Strom“, sagte er. Strom sei der Wegbereiter der Industrialisierung gewesen. „Heute ist Strom Wegbereiter der grünen Re-Industrialisierung.“ Er könne mit erneuerbaren Energien klimafreundlich erzeugt und verlustarm übertragen werden. „Die Schwelle zum Stromzeitalter der Nachhaltigkeit liegt nicht in weiter Ferne, wir können sie heute überschreiten“, erklärte er. Dafür sei noch einiges zu tun. „Zum Beispiel geht es um einen höheren Anteil erneuerbarer Energien im künftigen Energiemix.“ Nötig seien intelligente Netze, leistungsfähige Energiespeicher und auch mehr Effizienz in Erzeugung und Verbrauch.

Löscher machte in Linderhof deutlich, dass Siemens auch im neuen Stromzeitalter der Nachhaltigkeit den Takt vorgeben will. Die Atomkraft erwähnte der Chef von Deutschlands größtem Technologiekonzern in seiner Vision dabei mit keinem Wort.

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