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Dem Sparprogramm bei Air Berlin könnten rund zehn Prozent der Stellen zum Opfer fallen.

© dpa

Sparprogramm der Airline: Air Berlin erwägt massiven Stellenabbau

Die Fluggesellschaft Air Berlin kann offenbar nicht mehr saniert werden, ohne Personal abzubauen. Rund zehn Prozent der Arbeitsplätze sollen Berichten zufolge gestrichen werden. Airline-Chef Mehdorn sieht die Schuld für die Krise derweil bei Bundesregierung und EU-Kommission.

Dass der Mann Konflikte nicht scheut, ist seit seinen zehn Jahren auf dem Chefsessel der Deutschen Bahn bekannt. Nun aber, als Chef von Air Berlin, scheint Hartmut Mehdorn tatsächlich nichts mehr zu verlieren zu haben. In einer Rede vor Berliner Unternehmern rechnete der 70-Jährige am späten Montagabend in teils deftiger Wortwahl mit Bundesregierung und EU-Kommission ab – und bereitete die Öffentlichkeit zugleich auf einen Stellenabbau vor. Am Dienstagabend meldete n-tv und die Agentur dapd, Air Berlin wolle jede zehnte Stelle abbauen. Das beträfe 930 Mitarbeiter. Offiziell bestätigt wurde das nicht. So steuert die Airline auf den Tag der Wahrheit zu: Am Donnerstag legt Air Berlin Geschäftszahlen für das wichtige Sommerquartal vor.

Der Manager sprach in einer alten Backsteinhalle auf dem Campus am Gasometer in Berlin-Schöneberg vor rund 150 Mitgliedern des Vereins Berliner Wirtschaftsgespräche. Das Thema lautete: „Drehkreuz Berlin: Die Entwicklung des europäischen Luftverkehrs“. Dazu verlor Mehdorn in seiner mehr als einstündigen Rede, die er weitgehend frei hielt, aber nur wenige Sätze. Auch über den Ärger rund um die verschobene Eröffnung des Flughafens BER und die vor einer Woche eingereichte Klage, mit der der Schaden für Air Berlin festgestellt werden soll, hielt er sich nicht weiter auf.

Ruck-Redner. Hartmut Mehdorn schüttete vor rund 200 Unternehmern in Berlin-Schöneberg sein Herz aus.
Ruck-Redner. Hartmut Mehdorn schüttete vor rund 200 Unternehmern in Berlin-Schöneberg sein Herz aus.

© Sabeth Stickforth

Eigentlich, so Mehdorn, sei eine funktionierende Luftfahrt „das Schmierfett einer funktionierenden Wirtschaft“. Das scheine die Politik nicht mehr zu verstehen. Bei Air Berlin habe man eine „schwierige Situation, vielleicht schwieriger, als es von außen sichtbar ist“. Die Politik aber kümmere sich nur noch um Nachtflugverbote, CO2-Richtlinien und immer neue Regeln. Er verwies auf einst stolze Staatsfluglinien wie Alitalia (heute bei Air France) und Iberia (heute bei British Airways), von denen kaum mehr als Türschilder übrig seien. Auch die skandinavische SAS sei am Ende. Sein Unternehmen habe im ersten Halbjahr 2012 170 Millionen Euro Verlust gemacht. Trotzdem gebe es zwischen Wirtschaft und Politik keinen funktionierenden Dialog mehr: „Für die sind wir nur die Lärmmacher.“ Seit Jahren könnten sich die EU-Staaten nicht auf einen einheitlichen Luftraum einigen, der Air Berlin und Lufthansa helfen würde, im Schnitt rund zwölf Prozent Kerosin einzusparen. Mehdorn kritisierte, dass selbst kleine Staaten in dieser Frage mitsprechen. „Warum soll ein Zypriote da mitreden? Der hält doch nur die Hungerkralle auf.“ Und mit der nun erfolgten Aufnahme der Luftfahrtbranche in den EU-weiten Emissionshandel „schießen wir uns richtig ins Knie“.

Die von der Bundesregierung auf einer Wochenendklausur beschlossene und seit Anfang 2011 erhobene Luftverkehrssteuer sei „Unzucht mit Abhängigen“. „Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich die Steuer nicht bezahlt und geguckt, was passiert“, sagte er. Aber der Staat buche die Steuer direkt von den Konten ab. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe ihm gesagt, diese Steuer werde man nie mehr hergeben. „Wir haben eine Regierung, die sich um uns nicht kümmert, die uns gar nicht zuhört“, klagte Mehdorn weiter. Air Berlin könne die Situation nicht mehr lange aushalten.

Bei seinem Antritt im September 2011 habe er versprochen, die Sanierung Air Berlins ohne Personalabbau zu versuchen. „Das kann ich heute nicht mehr versprechen.“ Lange habe er gedacht, es ginge ohne, „aber es geht wahrscheinlich nicht“. Lieb gewordene Dinge werde man sich nicht mehr leisten können. „Es liegt nicht an den Mitarbeitern der Air Berlin, es liegt nicht an meinem Kurs, es liegt an der Politik“, schloss der Manager seine Rede. Wann und wie viele Stellen Air Berlin abbauen muss, ließ er am Montag offen. Am Dienstag gab es Gerüchte, Air Berlin wolle jede zehnte Stelle streichen. Danach befragt verwies eine Firmensprecherin auf die laufenden Sparprogramme: „Ob dazu auch ein Stellenabbau gehört, kann zum jetzigen Zeitpunkt weder bestätigt noch dementiert werden“, teilte sie mit. Morgen, nach der Vorlage der Quartalszahlen, könnte es Klarheit geben.

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