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Kollegen gegen Kollegen. Kundgebung des Betriebsrats gegen die streikenden Piloten.

© Uwe Anspach/dpa

Tarifkonflikt bei der Lufthansa: Kollegen demonstrieren gegen streikende Piloten

Die streikenden Piloten der Lufthansa treffen auf Gegendemonstranten aus dem eigenen Konzern. Die Stimmung ist eisig. Ein Bericht aus Frankfurt am Main.

Die Stimmung ist so frostig wie die Temperaturen an diesem sonnigen Novembermorgen. Im Minusbereich. Rund 400 Lufthansa-Beschäftigte aus der Verwaltung und vom Check-in haben sich gegenüber der Lufthansa-Zentrale am vierspurigen Airportring aufgestellt, erwarten die Piloten, die sich 300 Meter östlich am Tor 21 des Frankfurter Flughafens sammeln. Als vier smarte braun gebrannte Piloten in Uniform an den „einfachen“ Lufthanseaten vorbeilaufen ernten sie laute Buhrufe. „Die Piloten haben nur ihre eigene Position im Blick“, wettert Cornelia Straub, Arbeitnehmervertreterin für die Boden-Mitarbeiter. „Die Piloten sind extrem unsolidarisch“, fügt Fabian Annich hinzu. Er kümmert sich in der Zentrale um Organisationsentwicklung.

Nicht nur er spricht von „Partikular-Interessen“ der rund 5400 Flugzeugführer unter den insgesamt 120.000 Lufthansa-Beschäftigten. „Ihr sägt auf dem Ast, auf dem alle sitzen“, steht auf einem Transparent. „Das Ansehen aller Lufthanseaten steht auf dem Spiel“, auf einem anderen. Mit geplanten Gehaltsaufschlägen von 2000 bis 3000 Euro im Monat wollten die Piloten schon einen „sehr kräftigen Schluck aus der Pulle“ nehmen, sagt Betriebsrat Ruediger Fell in die vielen Mikrofone. „Das muss finanziert werden, die Kolleginnen haben Angst um ihren Arbeitsplatz.“ Trotzdem aber wolle man den Piloten die Hand reichen.

Davon ist an diesem Morgen erst einmal nichts zu sehen. Als die rund 400 Piloten, unter die sich auch Flugbegleiter und Boden-Beschäftigte gemischt haben, langsam von Tor 21 zur Lufthansa-Zentrale laufen, will Ilja Schulz, Chef der Pilotenvereinigung Cockpit (VC), mit einigen der Boden-Beschäftigten sprechen. Die winken, buhen Schulz aus. „Wenn die nicht wollen“, sagt der und dreht ab. Andere blicken die „einfachen“ Lufthanseaten mit arrogantem Augenaufschlag an oder recken ironisch ihren Daumen. Die Stimmung ist aufgeheizt, Ordner greifen schlichtend ein, Polizisten schauen skeptisch einer Demonstration von zwei Beschäftigtengruppen zu, die es in dieser konfrontativen Form bei Lufthansa noch nie gegeben hat.

Zwar räumen viele Piloten ein, dass sie gut entlohnt werden. Aber auf Transparenten prangern sie vor allem an, dass der Konzern Milliarden verdient, „Heuschrecken“ die Gewinne kassieren würden und die Gehälter der Vorstände massiv gestiegen seien, während bei ihnen nichts passiert sei. Dass sie jedes Jahr außerhalb des Tarifvertrages automatisch drei Prozent mehr bekommen – kein Wort.

Ein neues Gehaltsangebot

Vor der Lufthansa-Zentrale hält Schulz dem Vorstand vor, er sei gar nicht an einer Einigung interessiert. „Unsere Bereitschaft, zu einer Lösung zu kommen, wird weiter mit Füßen getreten.“ Er beschwört die Einheit aller Lufthanseaten, nennt die Teilnehmer der Gegen-Demo „Einzelne“. Und klagt, dass der Vorstand Zugeständnisse der Piloten in dreifacher Millionenhöhe abgelehnt habe. Für fünf Jahre fordert VC 22 Prozent mehr. „Das ist keine maßlose Forderung“. Die Lufthansa-Vorstände Bettina Volkens, Karl Ulrich Garnadt und Harry Hohmeister hören zu. Und schütteln ihre Köpfe.

Und doch bleibt es trotz der Temperaturen am sechsten Streiktag der Piloten nicht nur frostig. Die Lufthansa-Top-Manager werden beim Gang auf dem zur Rednerbühne umfunktionierten Lkw von den Piloten zwar mit Buhrufen, aber auch mit Applaus begrüßt. Auch wenn sie am liebsten Lufthansa-Chef Carsten Spohr gesehen hätten. Der aber weilt in dieser schwierigen Phase bei einem Treffen des Airline-Bündnisses Star Alliance in Los Angeles. „In 38 Jahren Lufthansa habe ich nie einen solchen Druck auf das Unternehmen gespürt. Der Gegner sitzt außerhalb des Konzerns“, sagt Garnadt. „Ryanair greift uns an. Ryanair verhöhnt uns und mit jedem Streiktag wird das Hohngelächter lauter.“ Die Lufthansa habe Jahre verloren.

Die Piloten reagieren mit Buhrufen. Personalchefin Volkens spricht von Fehlern auf beiden Seiten. „Wir müssen reden und das geht nur an einem Tisch. Eine weitere Eskalation bringt uns nicht weiter.“ Wieder gibt es Buhrufe und doch auch Applaus, als die drei Manager die Bühne wieder verlassen.

Irgendwie ist Lufthansa im härtesten Konflikt doch eine Familie. „Das ist unsere Lufthansa – die der Piloten, der Kabinenmitarbeiter und der Beschäftigten am Boden“, sagt Schulz.

Mit einem Mal tut sich trotz der Kälte eine Perspektive auf. Hohmeister unterbreitet den Piloten ein neues Angebot: 4,4 Prozent mehr für zwei Jahre und eine Einmalzahlung von 1,8 Monatsgehältern – ohne Bedingung. Für jeden der 5400 Piloten macht das im Schnitt einmalig allein 20 000 Euro. „Wir werden das prüfen“, sagt VC-Tarifvorstand Jörg Handwerg. Und lässt indirekt erkennen, dass man kurzfristig wieder an einem Tisch sitzen könnte. Schließlich sehen auch die Piloten die Folgen der jüngsten Streikwelle: 4450 ausgefallene Flüge, 525 000 frustrierte Passagiere und viele Kunden, die künftig auf Lufthansa verzichten. Und Ergebniseinbußen zwischen 60 und 75 Millionen Euro.

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