zum Hauptinhalt
Spaß an Maschinen. Ein EADS-Ingenieur steht vor dem Vorderteil eines Weltraumtransporters.

© dapd

Technische Berufe: Traumjob Ingenieur?

Sie werden in Deutschland händeringend gesucht. Doch haben Techniker tatsächlich so gute Karriereaussichten? Wie Experten die Lage auf dem Arbeitsmarkt einschätzen.

Benjamin Baron passt ins Klischee. Die Jobsuche hat er schon hinter sich, obwohl er gerade erst seine Diplomarbeit schreibt.

In ein paar Monaten wird er in der Beratungsbranche arbeiten. In diesem Bereich schreibt er aktuell auch beim Autobauer VW die Abschlussarbeit für sein Studium in Wirtschaftsingenieurwesen an der Technischen Universität (TU) Berlin. Ein paar Monate hat seine Suche nach einem Job gedauert. Etwa zehn Bewerbungen hat er geschrieben, bis es mit seiner neuen Stelle geklappt hat, erzählt der 27-Jährige.

Benjamin Baron hat studiert, was Unternehmen heute offenbar händeringend suchen. Immer wieder kann man in der Zeitung lesen, dass es Deutschland an Ingenieuren mangelt. Besonders in der Elektrotechnik und im Maschinenbau seien sie rar. Durch Stellen, die nicht besetzt werden konnten, habe die Wirtschaft im vergangenen Jahr einen Wertschöpfungsverlust von einer Milliarde Euro zu beklagen, sagt Sonja Dulitz vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI). 80 000 offene Stellen für Ingenieure hat der Verband der deutschen Ingenieure (VDI) im „Ingenieurmonitor 2012“ gezählt. In Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sei die Lage besonders prekär, erklärt VDI-Sprecher Marco Dadomo. Und das sei nur der Anfang. Die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage soll in Zukunft sogar noch größer werden: In den nächsten 15 Jahren gehen eine halbe Million Ingenieure in den Ruhestand.

Doch was ist eigentlich dran an diesen Rechnungen? Kann man wirklich von einem Fachkräftemangel reden? Und wie wirkt sich das auf die Karriereperspektiven von Ingenieuren aus? Locken die Arbeitgeber die raren Fachkräfte, wie das gewöhnlich üblich ist, tatsächlich mit hohen Gehältern und attraktiven Arbeitsbedingungen?

80 000 freie Stellen. Alexander Kubis vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sieht die Berechnungen des VDI kritisch. „Ein Fachkräftemangel würde bedeuten, dass man die Stellen überhaupt nicht besetzen kann“, sagt Kubis. Das sei jedoch nicht die Regel. Es sei eher so, dass Unternehmen länger nach einer passenden Besetzung suchen müssen. Von der Ausschreibung der Stelle bis zum ersten Arbeitstag des neuen Kollegen sind bei „Mint“-Kräften (Fachkräfte im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) Ende 2010 114 Tage vergangen. Bezogen auf den gesamten Arbeitsmarkt waren dazu 72 Tage nötig. Der Arbeitsmarktexperte spricht eher von einem „wenige Fachrichtungen betreffenden Engpass“, der starken konjunkturellen Schwankungen unterliegt. Das IAB geht für das erste Quartal 2011 entsprechend von 47 000 offenen Stellen für Ingenieure aus, 33 000 weniger als der VDI veranschlagt.

Ist der Fachkräftemangel tatsächlich Fakt?

Auch Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht die Rechnung des VDI skeptisch. Die Ergebnisse einer von ihm durchgeführten Studie aus dem Jahr 2010 widersprächen der These eines unmittelbar bevorstehenden Fachkräftemangels. Die Zahl der Absolventen in den Ingenieurfächern habe insgesamt zugenommen, gerade im Fach Maschinenbau, das nach Betriebswirtschaftslehre inzwischen das beliebteste Studienfach sei. Dadurch würden die Universitäten heute sogar mehr Nachwuchs für den Markt liefern als benötigt werde.

Für seine These spricht auch die Tatsache, dass sich das Einkommen in der Branche kaum verändert habe, erklärt Brenke. Seine Studie belegt, dass die Gehälter von Ingenieuren in den letzten vier Jahren nicht stärker gestiegen sind, als in anderen Berufsgruppen auch. Wäre der Fachkräftemangel aber wirklich so dramatisch, würden Betriebe sich die begehrten Arbeitskräfte weit mehr kosten lassen – und Ingenieure deutlich besser bezahlen.

Durchschnittlich starten Ingenieure mit einem Einstiegsgehalt von 40 000 Euro ins Berufsleben. Das ist nicht mehr als Hochschulabsolventen in vielen anderen Fachbereichen verdienen. In der Beratungsbranche dagegen, in die Jungingenieur Baron wechselt, wird mehr gezahlt. Dort sind 50 000 Euro Einstiegsjahresgehalt üblich.

So viel etwa gibt es auch für Nachwuchsingenieure beim Autobauer Audi. Zudem bietet das Unternehmen zusätzliche Anreize wie eine Gewinnbeteiligung, gute Aufstiegschancen und soziale Leistungen, wirbt Sprecher Armin Zimny.

Von Fachkräftemangel sei bei Audi nichts zu spüren. Bisher habe das Unternehmen jedenfalls keine Probleme, vakante Stellen zu besetzen. An Interessenten gebe es keinen Mangel, sagt Zimny.

Bei der Auswahl geeigneter Kandidaten werden soziale Kompetenzen immer wichtiger. „So wünschen wir uns auch im Ingenieurbereich Team- und Kommunikationsfähigkeit, Selbstständigkeit und Analysefähigkeit. Denn ein Ingenieur, der seine Idee nicht ‚verkaufen' kann, wird in einem Großunternehmen an Grenzen stoßen“, sagt Zimny.

Dem Studenten Baron brachten ein Auslandsaufenthalt in Australien und die erwartete sehr gute Abschlussnote bei seiner Bewerbung Pluspunkte ein. Doch nicht nur mit guten Noten, sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt gut. So erlebt TU-Professor Jörg Krüger vom Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb die Jobsuche seiner Studenten überwiegend als erfolgreich. „Die meisten finden leicht einen Job“, sagt er. So leicht, dass er es schwer habe, gute Studenten für die Wissenschaft zu gewinnen. Denn die Uni zahlt weniger als Firmen in der freien Wirtschaft.

Benjamin Baron hätte sich durchaus vorstellen können, wissenschaftlich zu arbeiten. Er hat sogar erwogen, an der Uni zu bleiben, sich dann aber entschlossen, erst ein paar Jahre Berufserfahrung in der Industrie zu machen. Abgehakt ist das Thema aber für ihn nicht. Vielleicht wird er in seinem neuen Job Ideen für ein Promotionsthema sammeln – und dann später an die Uni zurückkehren. Das geringere Gehalt würde er in Kauf nehmen.

Zur Startseite