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Wirtschaft: Heinz Schneider

(Geb. 1947)||Seinem Sohn riet er: „Sag nie, dass du etwas nicht kannst!“

Seinem Sohn riet er: „Sag nie, dass du etwas nicht kannst!“ Bono, der Sänger von U 2, erkannte sofort sein Potential: „You’re a man, man“. Das könnte man etwa so übersetzen: Du bist ein ganzer Kerl.

Halbe Kerle, die irgendwelche Erschöpfungen anführen, die sie daran hindern, mit ihm einen Kaffee am Ku’damm zu trinken, durften trotzdem seine Freunde bleiben. Heinz, auch „der dicke Heinz“ genannt, hat am Tresen seiner Kneipen so vielen die Beichte abgenommen, dass seine Toleranz gegenüber den Schwächen und Macken des menschlichen Individuums – er selbst inbegriffen – nahezu unerschöpflich war.

Die Bono-Anekdote stammt aus der Epoche des Heinz’schen Filmschaffens. Die fing an, als es mit den Kneipen nicht mehr so lief. Heinz kannte ja viele Leute aus der Bühnen- und Lichtspielbranche. Er war unendlich selbstbewusst, ein Nichts-ist-unmöglich-Mensch. So jemand ist beim Film sehr willkommen.

Für Bono machte Heinz die Aufnahmeleitung bei einer Musikvideoproduktion. Obwohl sein Englisch etwas eingerostet war, verschaffte er sich schnell Respekt. Beim Stalingrad-Film „Enemy at the Gates“ organisierte er den Fuhrpark. Auf einem Foto des Filmteams nimmt er viel Platz genau in der Mitte ein. Mit schwarzer Brille und hellem Anzug lehnt er an einer Kühlerhaube. Man meint: Der Dicke da, das muss der Regisseur sein.

Er hätte auch keinen Moment gezögert, wenn ein Produzent gefragt hätte: „Du, Heinz, willst du nicht ,Das Leben des Picasso’ verfilmen?“ Gefragt war Heinz jedoch eher als Darsteller: Für „Wand und Boden“ warb er im Kilt für „schottische Preise“. In „Otto, der Liebesfilm“ spielte er einen lärmenden Handwerker.

Heinz riet seinem Sohn: „Sag nie, dass du etwas nicht kannst!“ Er schrieb sich ständig Ideen in sein kleines schwarzes Notizbuch. Und er malte. Großformatige Ölbilder, abstrakte Farbphantasien, die an den vier Meter hohen Wänden seiner Altbauwohnung gerade so Platz fanden. Heinz hat seine Bilder auch verkauft – da beginnt aber schon die dritte Epoche seines Wirkens, wobei man sagen muss, dass die Epochen teilweise stark überlappen.

Noch mal zurück in die erste Epoche. Heinz war in den siebziger Jahren Mitbesitzer und treibende Kraft einer gutbürgerlichen, sich aber zugleich dem linksalternativen Spektrum durch gezielte Tabubrüche empfehlenden Kneipe namens „Hundekehle“ in der Hundekehlestraße, Grunewald. Einer der Tabubrüche schaute in Lucullus-Pose nackt den Gästen von der Speisekarte aus entgegen: Heinz. Es gab auch eine Single: „Heinz, die Hundekehle“. Was der Titel versprach, wurde überzeugend eingelöst: „Zieht den Bayern die Lederhosen aus“, „Blonde Haare, blaue Augen – und blöd“.

Wirt und Kneipe verschmolzen zu einer unverwechselbaren Unterhaltungsmarke. Heinz erzählte am Tresen gerne jüdische Witze oder behauptete trocken, das unbebaute Grundstück gegenüber gehöre der Ex-Kaiserin von Persien, Soraya. Die war ja in Berlin aufgewachsen.

Die „Hundekehle“ war in jeder Hinsicht ein Erfolg. Heinz schleppte das Geld in Waschkörben aus dem Laden, kaufte sich zuerst einen alten Porsche, dann einen neuen und residierte in einer großen Grunewald-Wohnung. Er eröffnete noch eine Kneipe, verdiente noch mehr Geld und zögerte nicht, sich vom pekuniären Ballast durch ungezügelten Konsum wieder zu befreien, bevorzugte Marken: Budapester Schuhe, Burberry-Pullover, Burlington-Socken, Cinque-Anzüge, Eileen- Gray-Möbel. Im Tiergarten war er einer der bestangezogenen Freizeitjogger.

Als es finanziell nicht mehr so gut lief, stieg Heinz von Porsche auf Range Rover um, später auf Citroen 2 CV, schließlich auf Fiat Panda. Den Panda umhegte er mit der gleichen Liebe wie alle seine Autos. „Der sieht doch auch ein bisschen aus wie’n Range Rover“.

Heinz war nicht unterzukriegen. Seine Geburtstagsfeiern boten Gesprächsstoff für einige Wochen. Diesen August stand wieder eine an, mit viel Würstchen und Kartoffelsalat, die 59. Heinz wollte beweisen, dass er noch der Alte war, ein Jahr nach der Bypass-OP. Am frühen Geburtstagsmorgen versagte sein Herz.

Viele Leute, die Heinz mochten, sitzen nun in den betriebsamen Cafés um den Ku’damm, aber sie wirken ein wenig verloren, ihr Dortsein hat keine Dramaturgie mehr, kein rechtes Ziel. Früher kam irgendwann Heinz vorbei und setzte sich für eine Viertelstunde. „Eine Banane laufen“, nannte er die Erkundungsgänge. Niemals hätte Heinz ohne Not seinen Charlottenburger Kiez dauerhaft im Stich gelassen.

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