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Wirtschaft: Urbane Querdenker

Das Masterstudium Real Estate Management an der TU bringt Ökonomen und Architekten zusammen

Neulich ging es um Oranienburg. Sebastian Pijnenburg hatte einen Kunden, der sich für die kleine Stadt als Standort interessierte. Sofort fiel Pijnenburg ein Experte ein, den er zu dem Thema befragen konnte: Einen Stadtentwickler, der mit ihm zusammen studiert. Es musste schnell gehen und er griff zum Telefon. Sonst hätte er auch auf die nächste Vorlesung am folgenden Wochenende warten können.

Der 28-Jährige ist Student im Weiterbildungsmasterstudiengang Real Estate Management an der Technischen Universität (TU), genau wie der Stadtplaner, den er für das Projekt kontaktierte. Um was für einen Auftrag es genau ging, darf Pijnenburg nicht erzählen. Nur, dass der Kunde ein Gebäude suchte. Denn Sebastian Pijnenburg arbeitet neben dem berufsbegleitenden Weiterbildungsmaster als Berater – offiziell heißt das „Consultant“ – für Industrie- und Spezialimmobilien bei einer großen Firma, die ihren Sitz am Potsdamer Platz hat.

Von der Standortplanung über die Projektentwicklung bis hin zum Facility Management: Damit beschäftigen sich die 17 Studenten, die in diesem Semester dafür eingeschrieben sind.

Das Besondere dabei ist der interdisziplinäre Ansatz. Denn sie alle haben ganz unterschiedliche Vorbildungen. Sebastian Pijnenburg hat in Mainz Betriebswirtschaftslehre studiert und die Universität nach seinem Bachelor-Abschluss erst einmal verlassen, um ein Trainee-Programm bei der Immobilienfirma zu absolvieren. Als das beendet war, im vergangenen Herbst, wurde er Consultant und begann gleichzeitig den Weiterbildungsstudiengang – als Teilzeitstudium neben dem normalen Berufsalltag.

Wie seine Kommilitonen. Doch die meisten haben ganz andere Abschlüsse: etwa in den Fächern Architektur, Stadt- und Regionalplanung, Landschaftsarchitektur, Bauingenieurwesen, Rechtswissenschaft oder Vermessungswesen. Jeden Freitag verlässt Sebastian Pijnenburg sein Büro schon mittags und fährt nach Wedding zum TIB-Gebäudekomplex Humboldthain der TU, wo die Lehrveranstaltungen immer freitagnachmittags und sonnabends stattfinden. Manchmal gibt es Blockveranstaltungen, die eine ganze Woche dauern – fünf Tage pro Jahr könne er sich von seinem Arbeitgeber als Bildungsurlaub anrechnen lassen. Vier Semester dauert der Studiengang, das entspricht einem einjährigen Vollzeitstudium.

„Alles, was ich lerne, kann ich gleich eins zu eins im Job umsetzen“, sagt Sebastian Pijnenburg begeistert. Vor allem schätzt er, dass sich durch seine Kommilitonen aus den verschiedenen Branchen ein so spannendes „Netzwerk“ gebildet hat. Das helfe oft weiter. Wie neulich bei der Sache mit Oranienburg. Aber auch beim Studium hilft es sehr, dass die Studenten aus so unterschiedlichen Richtungen kommen: Jeder bringt anderes Vorwissen mit. So lernen die Studenten voneinander fast genau so viel wie von den Dozenten. „So macht das Studium wirklich Spaß.“ Auch das die Altersspanne der Studenten von Anfang 20 bis Anfang 40 reicht, sieht Pijnenburg als Pluspunkt.

Vor kurzem hat er alle Kommilitonen zu einem Barbecue eingeladen. „Damit die mal sehen, mit wem wir so viel Zeit verbringen.“ Denn die Zusammenarbeit der Studenten ist sehr eng. In den ersten drei Semestern arbeiten sie in Teams aus jeweils vier bis sechs Studenten an so genannten Machbarkeitsstudien – drei Studien müssen sie jeweils fertigstellen. In diesem Semester hat Pijnenburg gemeinsam mit einem Landschaftsarchitekten, einem Stadtplaner und zwei Architekten an einer Studie über eine Fläche in Rendsburg gearbeitet. Sie wurde einst von der Bundeswehr genutzt, jetzt plant die Stadt, dort Wohnungen bauen zu lassen. Die Studenten entwickelten dafür ein Konzept.

Dabei lernen sie, was sie später zum Beispiel in einer Projektentwicklungsfirma anwenden können. Und sie bekommen einen sonst seltenen Einblick in die Arbeitsfelder und -weisen der anderen, im Arbeitsalltag zahlt sich das aus. Der Betriebswirtschaftler Pijnenburg war in seinem Team für Städtebau und Soziologie zuständig: „Es ging darum, den Standort für Pendler, die in einer anderen Stadt arbeiten, attraktiv zu machen – per Wohlfühlfaktor.“ Da er selbst schon Pendler war und außerdem gerade Vater geworden ist, machte er sich vor allem Gedanken über die Kinderbetreuung. Auf die Lösung für das Problem kam allerdings dann doch der Landschaftsarchitekt im Team: Sie wollen eine „Zeitbörse“ einrichten. Dort können sich Bewohner registrieren lassen, die Zeit haben, um auf die Kinder der Beschäftigten aufzupassen.

Außerdem bekommt Pijnenburg einen internationalen Einblick in seinem Studium. Einmal pro Semester kommen Professoren der New Yorker Universität NYU nach Berlin, um Blockseminare zu geben. Und zum Curriculum gehört auch ein einwöchiger Workshop an der NYU. „Die Internationalität des Studiengangs ist mir sehr wichtig“, sagt Pijnenburg. In New York hat er gemeinsam mit Studenten der NYU und der Business School of Amsterdam an einem Planspiel gearbeitet und auch Studenten aus Ungarn waren mit dabei. In drei Gruppen – Käufer, Verkäufer, Finanziere – haben sie nachgestellt, wie Objekte den Besitzer wechseln. Dabei haben die Studenten aus den unterschiedlichen Ländern einiges voneinander gelernt. „Wir Deutschen wollten immer zu sehr ins Detail gehen. Die Amsterdamer und die Amerikaner waren da pragmatischer. Aber am Ende haben wir eine gute Symbiose geschaffen.“

Der größte Teil der Kosten des New York-Aufenthalts ist in den Studiengebühren enthalten. 13 800 Euro zahlen die Studenten für das gesamte Studium. Hinzu kommen rund 200 Euro pro Semester für die Immatrikulation, den Beitrag zum Studentenwerk und das Semesterticket. Ein vergleichbarer Studiengang an der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) kostet etwa genau so viel. Doch Sebastian Pijnenburg wollte unbedingt an die TU: „Die kennt man weltweit.“

Wichtig findet er auch, dass man als Absolvent des TU-Studiengangs die Möglichkeit hat, nach einer externen Prüfung Mitglied der Institution „Royal Institution of Chartered Surveyors“ (RICS) zu werden. Kann man sich diesen Titel und dazu den Master auf die Visitenkarte schreiben, hat man es in der Immobilienbranche geschafft – und ist begehrt auf dem Arbeitsmarkt. Stadtplaner etwa verdienen normalerweise eher mittelmäßig, spezialisieren sie sich dagegen als Immobilienexperten, haben sie bessere Verdienstmöglichkeiten.

Und auch Sebastian Pijnenburg sagt, mit dem Master sei „es leichter, in der Firma monetär aufzusteigen.“ Eine Aussicht, für die er gern auf Freizeit verzichtet. „Man opfert viel, aber es lohnt sich.“

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