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Momentan befinden sich noch rund 10 000 Deutsche in Ägypten. Die großen Reiseveranstalter sagten am Freitag alle Reisen in die Region ab.

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Update

Veranstalter sagen Reisen ab: Air Berlin verkauft keine Flüge mehr nach Ägypten

Auch Air Berlin reagiert auf die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes und verkauft keine Flüge mehr nach Ägypten. Zuvor hatten große Reiseveranstalter sämtliche Reisen in das Land abgesagt. Was erwartet die Kunden?

Von Maris Hubschmid

Air Berlin fliegt zwar trotz der dramatischen Lage in Ägypten weiter dorthin, neue Flüge können aber bis 15. September nicht mehr gebucht werden. Wer bereits einen Flug gebucht hat, aber das Ziel nun nicht mehr ansteuern möchte, könne kostenfrei ein anderes Air-Berlin-Ziel auswählen, teilte die Fluggesellschaft am Freitag mit. Air Berlin fliegt die Baderegionen am Roten Meer an - Hurghada, Marsa Alam und Scharm el Scheich. Die Fluggesellschaft reagierte mit ihrer Entscheidung auf die neue Einschätzung des Auswärtigen Amts zur Sicherheitslage in dem nordafrikanischen Land.

Dabei hatte es gestern noch beschwichtigende Worte gegeben: Die Tourismusziele am Roten Meer und auf der Sinai-Halbinsel im Küstenstreifen zwischen Scharm el Scheich und Nuwaiba seien fernab der Unruhen in Kairo, die Lage in den Badeorten unverändert ruhig, erklärten Politik und Reiseveranstalter. Für Feriengäste sei grundsätzlich keine Gefahr zu erwarten. Dass am Freitag das Auswärtige Amt nun seine Reisebedenken auf das ganze Land ausweitete, kam daher für viele überraschend. Die Veranstalter reagierten umgehend. Am frühen Freitagnachmittag sagte zunächst Branchenführer Tui sämtliche Reisen nach Ägypten bis einschließlich 15. September ab. Das gilt für alle Marken des Konzerns wie etwa auch 1-2-Fly und Discount Travel. „Ob über dieses Datum hinaus Buchungen storniert werden, machen wir von der weiteren Einschätzung des Auswärtigen Amts abhängig“, erklärte eine Tui–Sprecherin dem Tagesspiegel.

Kunden, deren Reise nach Ägypten abgesagt wurde, bekommen den vollen Reisepreis zurück

Wenig später zogen die Konkurrenten Thomas Cook mit den Marken Neckermann Reisen und Öger Tours sowie Alltours nach. Betroffene Kunden bekommen bei allen Anbietern den vollen Reisepreis erstattet und können kostenlos umbuchen. Entschädigungsleistungen wird es darüber hinaus nicht geben. „Wir können schließlich nichts für die Situation vor Ort“, begründete das der Tui-Konzern.

Urlaubern, die sich bereits in Ägypten aufhalten, steht es frei, ob sie ihren Urlaub fortsetzen oder abbrechen möchten. „Wir sind im steten Kontakt mit den Reiseleitungen vor Ort“, hieß es bei Tui. Demnach haben sich am Freitag vereinzelt bereits Feriengäste entschieden, ihren Urlaub vorzeitig abzubrechen. Bis zum frühen Abend seien aber keinerlei beunruhigende Vorkommnisse gemeldet worden.

Alltours-Urlauber können vor dem 1. November alle Reisen kostenlos stornieren

Schätzungen des Auswärtigen Amts zufolge halten sich derzeit noch mindestens 10 000 Deutsche in Ägypten auf. Allein mit dem Reiseveranstalter Tui sind noch 6000 Bundesbürger in Ägypten im Urlaub, sagte die Sprecherin dem Tagesspiegel. „Es gibt keine Meldepflicht, deshalb können wir die Gesamtzahl nicht näher eingrenzen“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. Laut dem Deutschen Reiseverband (DRV) war das Interesse an Reisen nach Ägypten zuletzt deutlich zurückgegangen.

Anders als Tui bieten Thomas Cook und Alltours Ägyptenurlaubern offiziell bislang keine Möglichkeit, kostenlos einen früheren Abreisetermin zu buchen. Dafür können Alltours-Kunden alle Ägyptenreisen bis einschließlich Oktober kostenlos canceln. Auch das Unternehmen L-Tur und der Kreuzfahrt-Anbieter Phoenix-Reisen gewähren für Ägyptenurlaube mit Abreisedatum bis Mitte September kostenlose Stornierungen. Für alle anderen Reiseveranstalter empfiehlt der DRV Urlaubern, sich direkt an das Reisebüro, indem die Reise gebucht wurde, oder den Veranstalter zu wenden. „Angesichts der verschärften Lage haben Kunden aller Unternehmen wohl gesteigerte Chancen auf Kulanz“, glaubt man bei der Verbraucherzentrale Brandenburg.

Das Auswärtige Amt hatte seinen Schritt am Freitagmittag mit „der Unvorhersehbarkeit der Entwicklung“ begründet. Demnach hat der Krisenstab des Ministeriums auch beschlossen, Mitarbeiter der Botschaft in die Urlaubsgebiete zu schicken, um verunsicherte deutsche Urlauber zu unterstützen. „Reisende sollten auf jeden Fall auch den Anweisungen des Hotelpersonals und der jeweiligen Reiseleitung Folge leisten“, rät der Verband.

Erste Unternehmen schließen Büros und Produktionsstätten

Gestern noch hatte das Ministerium lediglich dringend von Reisen nach Kairo und Oberägypten und zu Nilkreuzfahrten abgeraten. Bereits daraufhin hatte Tui kostenlose Umbuchungen angeboten und vorsorglich geführte Ausflüge ins Umland der Urlaubsregionen abgesagt.

Neben Deutschland sprachen am Freitag auch Frankreich, Großbritannien, Spanien und Italien Sicherheitshinweise für Urlauber aus. Russland verhängte einen Verkaufsstopp für Reisen nach Ägypten. Den erwarteten Umsatzverlust für die Branche bezifferte der russische Reiseverband auf 100 Millionen Euro.

Welche finanziellen Folgen die Maßnahmen für die deutsche Branche haben dürften, wollte der DRV am Freitag nicht mutmaßen. 2012 machten rund 1,2 Millionen Bundesbürger Urlaub in Ägypten.

Täglich neue Schreckensmeldungen machen auch internationalen Unternehmen Sorgen, die vor Ort ansässig sind. Als erste kündigten General Motors und Electrolux an, ihre Produktion vorübergehend einzustellen. Der Chemiekonzern BASF schloss sich an.

Nach Informationen des Afrika-Vereins der Deutschen Wirtschaft sind in Ägypten insgesamt rund 700 deutsche Unternehmer gemeldet. Zusammen setzten sie 2012 in Ägypten 2,1 Milliarden Euro um. Deutschland zählt zu den wichtigsten Handelspartnern des Landes.

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