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Der Schein trügt. Steuerhinterzieher sollen es in Zukunft schwerer haben, ihr Geld an den Behörden vorbei ins Ausland zu schaffen. Die Politik arbeitet an neuen Regeln.

©  Imago/Helge Sobik

Vertreibung aus dem Paradies: Wie die Politik Steuerhinterziehung bekämpfen will

Privatleute und Unternehmen haben in der Vergangenheit immer wieder Geld am Fiskus vorbei geschleust. Die Politik will das abstellen - nun ziehen auch Länder mit, die sich lange gesperrt haben.

Die Zahlen sind so gewaltig, dass sie selbst inmitten von Ukrainekrieg und Griechenlandstreit am Montag für Aufsehen gesorgt haben: Knapp 160 Milliarden Euro sollen laut Recherchen des Journalistennetzwerks ICIJ in den Jahren 2006 und 2007 über Konten der Schweizer Filiale der britischen HSBC-Bank geflossen sein – mit dem Ziel, Steuern zu hinterziehen, Geld zu waschen oder den Terror zu finanzieren. Das macht die Schätzung der EU-Kommission noch glaubhafter, dass dem Fiskus europaweit ungefähr eine Billion Euro im Jahr entgehen.

Neben Privatpersonen haben in der Vergangenheit auch Konzerne immer wieder versucht, Gewinne am Fiskus vorbei ins Ausland zu transferieren. Sie nutzten Steuerschlupflöcher aus und trafen geheime Absprachen mit den Steuerbehörden. Besonders beliebt war die Masche, Gewinne an Tochterfirmen im Ausland zu überweisen. Jedes Jahr entgehen den Steuerbehörden in der EU gut 150 Milliarden Euro, weil Konzerne Schlupflöcher ausnutzen.

Die Politiker wollen die Steueroasen trocken legen

Der Kampf gegen diese Steuervermeidung ist daher auch Thema beim Treffen der G20-Finanzminister, das am Montag in Istanbul begonnen hat. Die Staaten wollen sich auf neue Leitlinien verständigen, wie Länder künftig untereinander besser die Steuerdaten multinationaler Konzerne austauschen können.

Auch wenn die EU erst vor zwei Wochen ein Steuerschlupfloch in der sogenannten Mutter-Tochter-Richtlinie geschlossen hat, stehen die Industrieländer noch am Anfang. Dass Erträge aus Patenten, Lizenzgebühren oder Darlehenszinsen innerhalb von Konzernen nicht länger weg von der Muttergesellschaft hin zu Tochterfirmen in Niedrigsteuerländern verlagert werden können, ist Teil des Aktionsplans der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Insgesamt soll er 15 Maßnahmen umfassen. Sieben davon hatte die OECD schon 2014 auf dem G20-Gipfel im australischen Brisbane vorgelegt. Über die übrigen Maßnahmen wird noch diskutiert.

Es dauert, bis die neuen Regeln umgesetzt werden

Verabschiedet werden soll der vollständige Plan in diesem Jahr. Anschließend dauert es allerdings noch bis 2017, bis die Informationen über die jeweiligen Abmachungen zwischen den Steuerbehörden vertraulich ausgetauscht werden. In der EU hat Kommissionschef Jean-Claude Juncker – nach den Lux-Leaks-Enthüllung vom November selbst unter Druck – einen entsprechenden Gesetzentwurf in den kommenden Monaten angekündigt.

„Die entsprechenden Maßnahmen sind bereits ergriffen worden“, teilte seine Behörde dagegen am Montag als Reaktion auf die neuen Enthüllungen zum Geschäftsgebaren von Europas größter Bank HSBC mit.

Nun ziehen auch Länder mit, die sich lange gesperrt haben

Tatsächlich hat sich im politischen Bemühen, die private Steuerflucht einzuschränken, schon deutlich mehr getan. Ebenfalls als Folge einer journalistischen Enthüllung im April 2013 – „Offshore-Leaks“ genannt – ist nach Jahren der Blockade die sogenannte Zinssteuerrichtlinie reformiert worden. Dies sei „die entscheidende Waffe gegen Steuerflucht“, sagte eine EU-Kommissionsprecherin. Nun werden nicht mehr nur automatisch Zinserträge im Ausland dem heimatlichen Finanzamt des Kontoinhabers gemeldet, sondern alle Arten von Kapitaleinkünften. Auch Österreich und Luxemburg, die sich lange gegen die Aufgabe des Bankgeheimnisses gewehrt hatten, wollen nun mitziehen. Die beiden Länder hatten stets darauf verwiesen, sie könnten dem neuen Gesetz nicht zustimmen, solange nicht auch die Schweiz dem Informationsaustausch zustimme.

Doch mittlerweile hat auch die Eidgenossenschaft den neuen Standard akzeptiert – in Kraft treten wird er jedoch nicht vor 2018. Bis dahin soll nach Brüsseler Angaben auch ein bilaterales Abkommen zwischen der EU und der Schweiz über den zwingenden Datentransfer abgeschlossen sein. Es würde ein altes, weniger weitreichendes Abkommen ersetzen. Parallel handelt die Gemeinschaft auch mit Liechtenstein, Monaco, San Marino und Andorra Vereinbarungen aus.

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