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Frau macht Yoga-Übungen.

© Imago

Volkssport Yoga: Das Geschäft mit der Entspannung

Geschäfte rund um die Entspannungskurse kommen weltweit auf einen Umsatz von 42 Milliarden Dollar. Allein in Berlin gibt es mehr als 200 Yogastudios mit Angeboten für alle – vom Baby bis zum Rentner.

Von Carla Neuhaus

Die Vorhänge sind zugezogen, das Licht gedämpft, aus der Stereoanlage kommen indische Klänge. Dazu die leise, ruhige Stimme des Yogalehrers. „Lenkt eure Energie in den Rücken“, sagt er. Zwei Frauen und zwei Männer liegen auf Matten und strecken erst das eine Bein Richtung Decke, dann das andere. Sie sind mit voller Konzentration bei der Sache. Yoga liegt im Trend. Während die einen Entspannung und Entkrampfung suchen, ist das für andere vor allem ein gutes Geschäft.

Schätzungen zufolge machen mittlerweile fünf Millionen Deutsche regelmäßig Yoga. Gut 20 000 Lehrer sollen die Körper- und Atemübungen bundesweit anbieten. Allein in Berlin gibt es über 200 Yogastudios, hinzu kommen Kurse im Fitnessstudio oder Sportverein. War Yoga früher etwas, das viele mit Esoterik assoziierten und deshalb ablehnten, ist es heute ein Massenphänomen.

Es gibt kaum eine Gruppe von Menschen, für die nicht mittlerweile maßgeschneiderte Yogakurse anboten werden. Es gibt spezielle Angebote für Schwangere, für Frauen in den Wechseljahren, für Senioren, nur für Männer oder auch für Babys. Manche Unternehmen bieten für ihre Belegschaft Yoga in der Mittagspause an. Die Fußballnationalmannschaft hat einen eigenen Yogalehrer. Selbst in Altenheimen steht Yoga immer öfter auf dem Programm. Krankenkassen bezuschussen es als Präventionskurs.

Die Yoga-Industrie

Und so ist es wenig verwunderlich, dass über die vergangenen Jahre rund ums Yoga eine eigene Industrie entstanden ist: ein Wachstumsmarkt, dessen Wert das „Wall Street Journal“ auf 42 Milliarden Dollar schätzt. Neben Yogastudios drängen Start-ups auf den Markt, die Onlinekurse für Yoga anbieten. Und Reiseveranstalter spezialisieren sich auf Yoga-Retreats. Schließlich floriert der Handel mit Zubehör wie Yogamatten oder spezieller Kleidung.

Besonders erfolgreich ist dabei die kanadische Firma Lululemon, die mit Matten und Klamotten jährlich fast 1,8 Milliarden Dollar umsetzt. Seit 2007 ist sie an der Börse notiert. Mit ihrem Onlineshop und ihren weltweiten Geschäften macht Lululemon Sportartikelherstellern wie Adidas oder Puma Konkurrenz. Auch in Berlin hat die Firma einen Showroom. Als Lululemon im Sommer zur Yogastunde aufs Dach des neu eröffneten Bikinihauses einlud, kamen 300 Menschen, um mitzumachen. Die Yogamatten, die die Firma ausgelegt hatte und die im Handel über 80 Euro das Stück kosten, durften die Teilnehmer am Ende des Kurses mitnehmen – für die Firma ein hübscher PR-Gag.

Viele Yogis sehen die Kommerzialisierung kritisch

Dabei ist das mit dem Yoga und dem Streben nach Gewinn so eine Sache. Viele Yogis, die seit Jahren dabei sind, sehen die Kommerzialisierung kritisch. Für die Berliner Yogalehrerin Miriam Kretschmar zum Beispiel hat Yoga etwas mit Askese, Selbstwahrnehmung und Selbstdisziplin zu tun. Dazu passt der Kommerz nicht so gut.

Kretschmar macht bereits seit 15 Jahren Yoga. Seit zehn Jahren betreibt sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten Stefan Datt das Charlottenburger Studio „Lernen in Bewegung“. Rein vom Yoga, sagt Kretschmar, könnten sie jedoch nicht leben. Die beiden haben mehrere Standbeine. Datt betreibt eine Physiotherapiepraxis direkt hinter dem Yogaraum. Außerdem bieten die beiden regelmäßig Pilger- und Urlaubsreisen an. Mit ihren Kunden machen sie Yoga auf Korfu, laufen den Jakobsweg entlang oder besuchen heilige Orte in Indien.

Einmal im Jahr richten Kretschmar und Datt ein Yogafestival aus, zu dem bis zu 7000 Gäste nach Berlin kommen. Doch auch dabei geht es ihnen eher weniger ums Geschäft. Um die Eintrittspreise niedrig zu halten, spannen Datt und Kretschmar Ehrenamtliche ein. Viele der Yogalehrer, die für das Festival aus Indien einfliegen, übernachten nicht im Hotel – sondern auf Matten im Yogaraum in Charlottenburg. Doch längst nicht alle Yogis legen wenig Wert auf Prestige und Geld. Mittlerweile gibt es weltweit etliche Lehrer, die zu Berühmtheiten geworden sind und für sich selbst werben wie für eine Marke. Manche haben ihren eigenen Yogastil entwickelt und lassen sich diesen rechtlich schützen. Ihre Yogakurse werden damit so exklusiv, dass ihre Fans um die halbe Welt reisen, um teilzunehmen.

Bikram Choudhury: Mit Yoga zum Millionär

Einer, der auf diese Weise zum Millionär wurde, ist der Inder Bikram Choudhury. Er hat sich eine feste Abfolge von 26 Yogahaltungen patentieren lassen, die stets in einem auf 38 Grad aufgeheizten Raum ausgeübt wird. Und obwohl seine Karriere mittlerweile von Vorwürfen wegen sexueller Übergriffe überschattet ist, reisen ihm noch immer jedes Jahr die Menschen hinterher. Denn nur wer von ihm persönlich ausgebildet wird, darf selbst Bikram-Yoga lehren. Neun Wochen dauert eine solche Ausbildung, ohne Übernachtung oder Verpflegung kostet sie gut 12 000 Dollar.

Zwar bieten andere Yogalehrer ähnliche Kurse in speziell aufgeheizten Räumen und nennen das dann zum Beispiel Hot Yoga. Doch viele Kursbesucher schwören auf das Original. Auch Nellie Nolde hat eine Ausbildung bei Choudhury mitgemacht, für die sie extra nach Mexiko gereist ist. Heute betreibt sie ein Bikram-Studio in Friedrichshain und sagt, sie habe ihren Traumjob gefunden. Ihre Kurse sind bunt gemischt: Anfänger treffen auf Fortgeschrittene, junge auf alte Teilnehmer. „Bikram-Yoga kann jeder machen“, sagt Nolde.

Etwa acht Kurse die Woche gibt sie selbst, zusätzlich beschäftigt Nolde freie Yogalehrer, die wie sie bei Choudhury gelernt haben. Besonders viel verdient sie damit allerdings nicht. Sie hofft, dass sie in zwei Jahren Gewinne macht. Denn in Berlin leben zwar sehr viele Menschen, die gerne Yogakurse besuchen. Gleichzeitig arbeiten hier aber auch sehr viele Yogalehrer. Daher ist der Markt umkämpft. Aber auf das große Geld haben die meisten Berliner Yogalehrer es ohnehin nicht abgesehen. So wie Nellie Nolde: „Ich bin froh, wenn ich davon leben kann.“

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