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Aschenputtel ist eine klassische Heldin, die viele Hindernisse überwinden muss, bis sie am Ziel ankommt. Sie zeigt dabei Initiative, Ausdauer und lässt sich durch Rückschläge nicht entmutigen. In Change-Management-Kursen

© Matthias Hiekel/dpa

Weiterbildung: Helden des Arbeitsalltags

In Fortbildungen zum Thema Change-Management lernen Führungskräfte, wie sie Veränderungen im Unternehmen durchsetzen. Seminarkonzepte mit Ansätzen aus Kunst und Kultur werden dabei zunehmend beliebter – etwa das Prinzip der Heldenreise

Aschenputtel hat Nina Trobisch als Kind besonders beeindruckt, dieses Mädchen, das im Dreck Alternativen findet, sich immer wieder aufrappelt und selbst etwas tut, statt nur auf den Prinzen zu warten. Für sie ist Aschenputtel eine wahre Heldin. Die 55-jährige Theaterdramaturgin verwendet solche Heldengeschichten, um Unternehmen in Veränderungsprozessen zu unterstützen: Sie bietet Weiterbildungen zum Thema Change-Management an, die eine künstlerisch-ästhetische Grundlage haben. Dieser Ansatz ist für viele Firmen sehr ungewohnt, denn Unternehmen setzen nach wie vor meist auf konservative Managementtechniken. „Kreativität und schöpferisches Arbeiten haben in unserer Arbeitswelt leider zu wenig Platz“, sagt Nina Trobisch. Dabei können Führungskräfte so einiges aus der Welt der Kunst übernehmen, um ihre Arbeit im Unternehmen zu optimieren. „Am Theater habe ich gelernt, konzeptionell zu denken, genau zu beobachten und in einem Team kreative Lösungen zu suchen“, sagt Trobisch. All das gibt sie Führungskräften nun in Seminaren weiter.

Damit Veränderungen nicht scheitern

Change-Management ist Teil einer allgemeinen Führungskompetenz – und zwar ein besonders komplizierter: Change-Management ist immer dann gefragt, wenn Abteilungen vergrößert oder verkleinert werden, zwei Unternehmen fusionieren, die Produktion umgestellt oder eine neue Software eingeführt wird. Damit so etwas gelingt und nicht am Widerstand der Mitarbeiter scheitert, bieten so einige Trainer und Institute Change-Management-Kurse an. Wer ein bisschen sucht, findet in Berlin-Brandenburg inzwischen sogar etliche Programme, die die klassischen Pfade des Change-Managements verlassen – und stattdessen auf die Kraft des Theaters setzen oder auf die Arbeitstechniken von Künstlern oder Architekten: Mit Hilfe des „Design Thinking“ zum Beispiel sollen auch rationale Zahlenmenschen lernen, Fragestellungen so frei zu durchdenken, wie ein Künstler das noch tun kann.

Eine Frau und ihre Heldin. Für Nina Trobisch, Dramaturgin und Coach, ist Aschenputtel ein Vorbild. Anhand der Figur erklärt sie in ihren Seminaren Führungskräften, wie sie Widerständen begegnen können.
Eine Frau und ihre Heldin. Für Nina Trobisch, Dramaturgin und Coach, ist Aschenputtel ein Vorbild. Anhand der Figur erklärt sie in ihren Seminaren Führungskräften, wie sie Widerständen begegnen können.

© Foto Kitty Kleist-Heinrich

Zurück zu Nina Trobisch und ihren Helden. Mit Veränderungen kennt sich die 55-Jährige aus, sie hat sich in ihrem Leben oft auf Neues eingestellt: Trobisch ist 18, als sie zu DDR-Zeiten in die Fußstapfen der Mutter tritt und in Leipzig Theaterwissenschaft studiert. Danach arbeitet sie einige Jahre als Dramaturgin. Nach dem Mauerfall lässt sie sich in den Niederlanden zur „Dramadozentin“ ausbilden. In diesem Studiengang lernt man, Elemente des Theaters auf andere Ebenen zu übertragen, auf den Bildungsbereich zum Beispiel, soziale Einrichtungen oder therapeutische Angebote. Trobischs Schwerpunkt verlagert sich, nach und nach spezialisiert sie sich auf die Beratungsbranche, bildet sich im Systemischen Coaching und in der Gestalttherapie weiter. 2006 besucht sie ein Seminar zur so genannten Heldenreise – das sie auf eine neue Idee bringt.

Das Heldenprinzip stützt sich auf uralte Mythen

In dieser Veranstaltung setzen sich Teilnehmer intensiv damit auseinander, was sie im Leben wirklich erreichen wollen. „Das Seminar hat mich tief berührt, mir war schnell klar, dass ich tiefer in die Inhalte einsteigen will, um sie auf meine Arbeitskontexte zu übertragen.“ Sie entwickelt ein eigenes Konzept, eine Marke, die sie sich schützen lässt: das „Heldenprinzip – Kompass für Innovation und Wandel“. Wie die Heldenreise stützt sich auch das Heldenprinzip auf uralte Mythen, die in ähnlicher Weise in allen Kulturen auftauchen: Heldinnen und Helden verlassen ihre gewohnte Umgebung und begeben sich auf eine beschwerliche Reise. Der US-amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell hat dieses Grundmuster ausführlich analysiert: Strukturen, Figuren und Dramaturgie ähneln sich, es geht immer darum, ein Abenteuer zu erleben, Rückschläge zu verkraften, Hilfe zu finden und – in ganz unterschiedlicher Form – gereift aus diesem Prozess hervorzugehen.

Veränderungen sind nichts Negatives

Nina Trobisch überträgt diesen Ablauf auf die heutige Arbeitswelt. Ihre Botschaft lautet: Veränderungen sind nichts Negatives, sondern ein natürlicher Prozess. Doch viele Unternehmensleitungen reagieren panisch, sobald es um neue Entwicklungen oder Strategien geht, vor allem, wenn überhaupt nicht absehbar ist, wie die künftige Entwicklung aussieht. Den Begriff des Helden hat Trobisch selbst lange abgelehnt, er klang ihr zu martialisch. Heute hat sich ihr Verhältnis zu diesem Wort entspannt. Der Held kann zum Beispiel ein Kollege sein, der eine Führungsaufgabe übernimmt, ein Personaler, der neue Mitarbeiter gewinnen muss, ein Geschäftsführer, der über die Einführung neuer Produkte nachdenkt - oder eine junge Kollegin, die eine neue Sprache lernt, um eine ausländische Niederlassung aufzubauen.

In den vergangenen Jahren hat Nina Trobisch elf Phasen entwickelt, die man während dieses Prozesses durchlaufen muss. Es geht unter anderem darum, Widerstände auszuhalten, zu ertragen, dass nicht jeder das Projekt gleichermaßen motiviert angeht – und sich immer wieder selbst zum Weitermachen zu bewegen. Das Heldenprinzip ist das zweite Konzept, das sie auch für das Bundesbildungsministerium evaluiert hat, und zwar an der Universität der Künste.

Sich auf Veränderungsprozesse einlassen

„Jede Veränderung braucht ihre Zeit, einem Helden gelingt ja auch nicht alles auf einmal, er braucht Geduld und Ausdauer.“ Das bedeutet aber auch: „Unternehmen müssen sich auf Veränderungsprozesse wirklich einlassen.“ Mit ihrem Konzept hat sie unter anderem den Berliner Kreativhandel Modulor unterstützt. Dessen Geschäftsführer Andreas Krüger und seine Kollegen wollten vor einigen Jahren etwas Neues beginnen, raus aus dem kleinen Laden am Südstern, größer werden und stärker mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten. Heute ist der „Planet Modulor“, zu dem sich der Kreativhandel mit rund 30 anderen Läden zusammengeschlossen hat, im Aufbau Haus am Moritzplatz längst etabliert.

Die Kunden haben das Angebot angenommen, auch die Bewohner haben den großen neuen Nachbarn akzeptiert. Im Café neben Modulor erinnert sich Nina Trobisch an die Zusammenarbeit: „Wir sind in einer Phase dazugekommen, in der es darum ging, die Netzwerkpartner zu einer Gemeinschaft zu entwickeln.“ Trobisch und ihre Kollegin führten viele Gespräche mit Vertretern der Geschäftsleitung. Mit den Belegschaften haben die beiden Workshops zu der Frage abgehalten, wie die Teams – und jeder einzelne – in Zukunft zusammen arbeiten wollen.

In der „Heldenberatung“ seien konkrete Handlungsvorschläge und Lösungsideen entstanden, sagt Andreas Krüger am Telefon. Das Projekt habe auch dabei geholfen, dass der Planet Modulor und die anderen Projekte am Moritzplatz weit über Kreuzberg hinaus „Strahlkraft gewinnen“ konnten. Er ist fest davon überzeugt: „Ohne die Beratung der Helden-Leute hätte das nicht so gut geklappt.“

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