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Das Vermögensbarometer des deutschen Sparkassen- und Giroverbands zeigt, wie die Deutschen ihr Geld anlegen.

© dpa

Weltspartag: Wie Sparer mit niedrigen Zinsen umgehen

Wer Geld zur Seite legt, kämpft mit niedrigen Zinsen. Wie sie damit umgehen, erklären der Deutsche Sparkassen- und Giroverband und die Bundesbank. Fragen und Antworten.

Es gab schon bessere Zeiten, an die man sich sogar noch erinnern kann: Mitte 2007, also kurz vor der globalen Finanzkrise, lag der Zins auf eine zehn Jahre laufende Bundesanleihe bei 4,6 Prozent. Und da die Inflation bei etwa 1,9 Prozent lag, also deutlich darunter, waren Sparer in einer komfortablen Situation: Die Teuerung fraß weniger als die Hälfte des Zinsertrags weg, der sogenannte Realzins lag daher bei etwa 2,7 Prozent.

Sparen lohnte sich also. Bald danach begannen die nominalen Zinssätze jedoch zu sinken, die Zentralbanken reagierten auf die Krise mit einer Abwärtsspirale beim Leitzins – und darauf folgten auch die Staaten, die ihre wachsende Zahl an Schuldpapieren mit einem immer geringeren Zinssatz ausgaben.

Der vorläufige Tiefpunkt bei den Bundesanleihen war im vorigen Frühjahr erreicht: Der Nominalzins war auf knapp über 0,1 Prozent gesunken, und bei einer Inflation von jetzt nur noch 0,37 Prozent (auch eine Folge der Krise) lag der Realzins bei minus 0,25 Prozent. Die Rendite war also negativ. Die Anlage in die von Sparern einst so geschätzte Bundesanleihe lohnte sich jedenfalls in dem Moment nicht mehr.

Negative Realzinsen sind seit 2011 auf der Tagesordnung, und wann sich die Renditen wieder deutlicher und dauerhaft im positiven Bereich bewegen werden – das ist unklar. Doch wie reagieren die Deutschen auf diese Entwicklung? Verändert das Volk der Sparer – in Europa legen nur die Italiener ähnlich konservativ Geld zurück – jetzt sein Verhalten?

Was denken die Deutschen über die niedrigen Zinsen – und wie reagieren sie?

Die anhaltende Niedrigzinsphase beschäftigt immerhin jeden Dritten. Von den Menschen mit einem mittleren Nettoeinkommen von 1500 bis 2500 Euro – also in jener Gruppe, die genügend hat zum Sparen und der empfohlen wird, mehr für das Alter zurückzulegen – sagten 38 Prozent, ihre größte Sorge seien die niedrigen Zinsen. Je höher das monatliche Einkommen ist, desto stärker werden Niedrigzinsen zum Thema. Für die Entscheidung, wie sie ihr Geld anlegen, bewerten 42 Prozent aller Befragten niedrige Zinsen als „sehr wichtig“ oder „wichtig“. Nur 29 Prozent der Befragten – mutmaßlich sind das vor allem Geringverdiener, die wenig oder nichts zurücklegen können – finden den Faktor „unwichtig“. Die Zahlen finden sich im aktuellen „Vermögensbarometer“, das der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Dafür wurden 1900 Männer und Frauen befragt.

Trotz einer gestiegenen Besorgnis angesichts niedriger Renditen auf die als sicher geltenden Staatspapiere – wirklich verändert hat sich die Einstellung der Deutschen zum Sparen und Anlegen in der Krise nicht. Das ergibt sich aus dem neuesten Monatsbericht der Deutschen Bundesbank. Dort wird nochmals auf eine Umfrage von Mitte 2014 verwiesen, wonach nur sieben Prozent der Bürger ihr Anlageverhalten wegen der niedrigen Zinsen verändern. Der gesunkene Realzins hat nach Erkenntnissen der Notenbank offensichtlich kaum oder gar keinen Einfluss auf das Anlageverhalten. „Die privaten Haushalte sparen weiterhin über neun Prozent ihres verfügbaren Einkommens und damit in etwa so viel wie zu Beginn der 2000er Jahre, als die nominalen Zinsen – aber auch die Inflation – auf spürbar höherem Niveau lagen“, heißt es in dem Bericht.

Das Geld werde trotz der zeitweise negativen realen Rendite – also praktisch Kaufkraftverlusten – vor allem in liquide Bankeinlagen investiert. Dieses Verhalten und die ausgeprägte Risikoscheu hat nach Ansicht der Bundesbank wegen der jüngsten krisenbedingten Turbulenzen an den Kapitalmärkten sogar „noch spürbar zugenommen und Renditegesichtspunkte weiter in den Hintergrund geschoben“. Die Deutschen bleiben also trotzig bei ihrer Haltung.

In der Umfrage für das „Vermögensbarometer“ nannten 50 Prozent als wichtigstes Kriterium zum Vermögensaufbau „Sicherheit“. Die Rendite führten nur 27 Prozent an. Die Langzeiterfahrung, wonach reine Sparvermögen auf der Bank schon seit den 1960er Jahren meist nur negative Renditen brachten (also die Inflation den Zinsertrag wegfrisst), ändert daran offenbar nichts. Das Zurücklegen an sich wird als wichtiger erachtet als der jährliche reale Zugewinn.

Wie zufrieden sind die Deutschen mit ihrer finanziellen Situation?

Und mit diesem Spar- und Anlageverhalten glauben die Deutschen auch ganz gut zu fahren. Speziell in der Gruppe der mittleren Einkommen bleiben Lebensversicherungen (58 Prozent), das Sparbuch (55 Prozent) und Rentenversicherungen (53 Prozent) die beliebtesten Vorsorgemaßnahmen, auch wenn sie aktuell wenig bis nichts abwerfen – und viele Fachleute und Verbraucherberater mittlerweile sogar von neuen Lebensversicherungen abraten, weil der Garantiezins stark gesunken ist. Die Bundesbank hält hier jedoch etwas dagegen: Versicherungsansprüche bringen ihrer Analyse zufolge trotz der Niedrigzinsen real meist über zwei Prozent und damit so viel wie Mitte der 90er Jahre und vor dem Ausbruch der Finanzkrise 2007. Von einem außerordentlich niedrigen Renditeumfeld könne bei Versicherungen deshalb nicht gesprochen werden, so schreibt die Bundesbank.

Etwas mehr als die Hälfte der Deutschen ist laut „Vermögensbarometer“ trotz all der Turbulenzen der vergangenen Jahre mit der eigenen finanziellen Situation „zufrieden“ oder „sehr zufrieden“. Innerhalb von zehn Jahren ist diese Zahl sogar um 13 Prozentpunkte gewachsen. Der Anteil der Unzufriedenen hat sich dagegen halbiert und liegt bei neun Prozent. Jeder fünfte Befragte erwartet für die nächsten beiden Jahre eine Verbesserung, jeder achte eine Verschlechterung der persönlichen Lage.

Wie denken die Deutschen über die verschiedenen Anlageformen?

Ein gewisses Umdenken scheint dennoch einzusetzen. Denn laut „Vermögensbarometer“ halten angesichts der Niedrigzinsphase 36 Prozent die risikoreicheren Aktien und 35 Prozent Investitionen in Immobilien für eine besser geeignete Geldanlage. Zum Vergleich: 2014 hielten neun Prozent Aktien und 32 Prozent Immobilien für eine geeignetere Form. Hingegen hält jetzt fast die Hälfte das Sparbuch für eine weniger geeignete Anlage.

Gezielt gefragt zum Vermögensaufbau liegt aber der Erwerb einer eigenen Immobilie mit 53 Prozent deutlich vor Aktien und Investmentfonds, die nur ein Fünftel für geeignet halten. Natürlich hängt die Einstellung auch von den Einkommensverhältnissen ab. Nur ein Prozent der Geringverdiener bezeichnet Aktien als ein relevantes Thema. Bei Gutverdienern interessiert sich dafür fast ein Viertel. Faktisch investieren aber nur sieben Prozent aller Befragten ihr Geld in Aktien, 70 Prozent in Bargeld-, Sicht- und Sparguthaben. Relative Sicherheit geht vor Risiko. Oder wie die Bundesbank es formuliert: Die privaten Haushalte zeigen nach wie vor „eine ausgeprägte und anhaltende Risikoaversion“.

Was wäre, wenn die Deutschen ihr Anlageverhalten ändern?

Die Bundesbank weist in ihrem Bericht darauf hin, dass ein größerer Einsatz riskanterer Anlagen die Rendite verbessern würde. Während Sparguthaben seit Jahren wenig bis nichts bringen, lag die Gesamtrendite des Geldvermögens der Bundesbürger wegen renditestarker Anlageformen von 2008 bis Anfang 2015 immerhin bei etwa 1,5 Prozent. Erträge aus Wertpapierkursgewinnen und Dividenden auf Aktien bessern das Bild also auf – jedenfalls über mehrere Jahre hinweg, denn zwischenzeitlich können die Verluste bei Risikopapieren natürlich deutlich höher sein als die bei Sparkonten.

Genau das aber schreckt viele ab. Für die Bundesbank ein Fehler: Haushalte, die auch auf Investmentfonds und Aktien setzten, haben nach dem Bericht der Zentralbanker von einer beachtlichen realen Rendite profitiert. Trotz der zum Teil hohen Kursschwankungen hätten Aktien seit 1991 im Schnitt jährlich eine reale Rendite von gut acht Prozent gebracht – also nach Abzug der Inflationsraten. Aktien seien damit „die renditestärkste Anlageform“. Bei Investmentfonds liege die Rendite seit 1995 im Schnitt bei real knapp unter fünf Prozent pro Jahr. Bei Schuldverschreibungen, deren Nominalzins stetig gesunken ist, verweist die Bundesbank auf die starken Kursgewinne. Doch die Prediger der Abkehr vom Sparkonto reden meist in den Wind, eine breite Umorientierung im Anlageverhalten ist nicht zu erkennen.

Wie sorgen die Deutschen für das Alter vor?

Eine Folge für das Verhalten hat die Krise möglicherweise doch: Trotz einer laut „Vermögensbarometer“ gestiegenen Sparquote von 9,5 auf 9,7 Prozent sorgen immer weniger Menschen für das Alter vor. Laut Sparkassenverband sagen 40 Prozent der Deutschen, dass sie im Monat nichts für die Altersvorsorge zurücklegen. 2014 waren es 35 Prozent.

Unter den Geringverdienern, die höchstens 1000 Euro im Monat verdienen, lag die Quote sogar bei 61 Prozent. In der Einkommensklasse ab 2500 Euro betrug sie 25 Prozent. „Die Schere in der Bevölkerung geht auseinander“, sagt Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon. „Bezieher höherer Einkommen können einigermaßen mit der Niedrigzinsphase umgehen, Bezieher mittlerer und kleinerer Einkommen geraten bei ihrer Altersvorsorge immer mehr auf die schiefe Bahn.“

24 Prozent der Befragten sparen zudem überhaupt nicht. „Ich halte diese Zahl für dramatisch“, sagte Fahrenschon. 29 Prozent fühlen sich noch zu jung oder haben kein festes Einkommen. 22 Prozent sagen, ihnen fehle dafür das notwendige Geld, 13 Prozent haben sich über das Thema noch keine Gedanken gemacht. 2013 lag der Wert derer, die gar nicht sparen, bei 22 Prozent, im vorigen Jahr lag er bei 21 Prozent.

Geben die Deutschen jetzt mehr Geld aus?

Auch wenn die Deutschen optimistisch sind, bleiben sie vorsichtig. Jeder Fünfte hat sich in den letzten zwölf Monaten beim Geldausgeben eingeschränkt, nur sieben Prozent gaben aus eigener Sicht mehr aus. Bei älteren Menschen ist das noch stärker der Fall: 23 Prozent gaben weniger, vier Prozent gaben mehr aus. Nur sieben Prozent aller Befragten wollen ihren Konsum künftig ausweiten, 19 Prozent wollen weniger ausgeben als jetzt. Allerdings scheint sich damit in der Krise und angesichts niedriger Zinsen die Meinung verbreitet zu haben, dass Konsum derzeit vielleicht besser ist als Geldzurücklegen: Denn 2006 plante fast die Hälfte der Befragten, bei den Ausgaben zu sparen.

Was bedeuten niedrige Zinsen für die Wirtschaft?

Auch die Unternehmen geben mehr Geld aus und investieren wieder mehr. Zumindest der Mittelstand. Nach Angaben der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) investierten die kleineren Unternehmen 2014 gut 200 Milliarden Euro, zwölf Milliarden mehr als im Jahr davor – im Gegensatz zu den Großunternehmen und Konzernen, die 2014 ihre Investitionen um 20 Milliarden Euro gekürzt hätten.

Dabei spielen, so die KfW, auch die niedrigen Zinsen eine Rolle. Vor allem kleinere Mittelständler fänden dadurch den Weg zu Banken und Sparkassen. Die niedrigen Zinsen führen auch zu einer Entlastung bei den Zinszahlungen. 2014 beliefen sie sich der KfW zufolge im Mittelstand auf 38 Milliarden Euro, fünf Milliarden weniger als ein Jahr zuvor. 2008 hatten die Firmen sogar 53 Milliarden Euro für Zinsen aufwenden müssen.

Einen ausführlichen Bericht über sogenanntes "Rebalancing", wie sich Anleger vor einem Crash an den Aktienmärkten schützen können, lesen Sie hier.

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