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Unternehmerverbands-Forderung: Weniger Urlaub - und Deopflicht

Die Chefin des Unternehmerverbandes mittelständische Wirtschaft, Ursula Frerichs, hat gefordert, den Urlaub der deutschen Arbeitnehmer auf vier Wochen zu verkürzen. Wie realistisch ist das?

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Es gibt Themen, bei denen verstehen die Deutschen keinen Spaß. Wer ihnen zum Beispiel vorwirft, zu wenig zu arbeiten und zu viel Urlaub zu machen, kann allenfalls mit dem Beifall mancher Unternehmer rechnen. Auf Zustimmung der überwiegend abhängig beschäftigten Bevölkerung braucht er nicht zu hoffen.

Einer, der das leidvoll erfahren hat, war Helmut Kohl. Im Oktober 1993 sagte der damalige Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende in einer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag: „Die Zukunft Deutschlands kann nicht gesichert sein, wenn wir unser Land als kollektiven Freizeitpark organisieren.“ Hintergrund war eine Debatte um kürzere Arbeitszeiten bei steigenden Lohnkosten und immer mehr Urlaub, an die sich heute freilich keiner mehr erinnern kann. Kohls Wort vom „kollektiven Freizeitpark“ und die darauf folgende Welle der Empörung ist dagegen in Erinnerung geblieben.

Es ist also kein Wunder, dass der Unternehmerverband mittelständische Wirtschaft (UMW) viel Aufsehen erregt mit seiner dieser Tage erhobenen Forderung, die Arbeitnehmer sollten in Zukunft zwei Wochen weniger Urlaub machen. UMW-Vorstandschefin Ursula Frerichs verkündete in der „Bild“-Zeitung: „Sechs Wochen sind zu viel, vier Wochen reichen völlig aus.“ Zur Begründung erklärte Frerichs, Deutschland liege bei den Urlaubstagen weltweit an der Spitze. „Wir müssen unsere Besitzstände zurückschrauben, könnten die Vier-Wochen-Regelung 2011 auf Probe einführen, um den Aufschwung zu unterstützen.“

Unterstützung erhielt Frerichs vom Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), der sich für eine zeitweise Absenkung des Urlaubsanspruchs auf fünf Wochen aussprach. Das war es dann aber auch.

Aus der Politik wurden die beiden Verbände mit Kritik überschüttet. „Wer solche Vorschläge unterbreitet, ist ganz offensichtlich urlaubsreif“, höhnte die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei, Katja Kipping. Der Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Lindner wies den Vorstoß der Unternehmerverbände ebenfalls zurück. Dass die Deutschen Urlaubsweltmeister seien, „ist ein Klischee“, sagte der Liberale. In Wirklichkeit lägen die Deutschen mit ihrem Urlaub im europäischen Vergleich am unteren Rand. „Für eine Urlaubskürzung sehe ich keinen Anlass“, sagte Lindner und forderte die Unternehmen auf, Betriebsvereinbarungen zu schließen. „Wer in Konjunkturphasen wegen voller Auftragsbücher keinen Urlaub gewähren kann, muss diesen auf Ausgleichskonten für schwächere Zeiten sichern“, sagte Lindner. Er habe den Eindruck, dass die deutschen Arbeitnehmer für solche flexible Regelungen offen seien.

Keine Rückendeckung, nirgends: Auch der Parlamentskreis Mittelstand der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wollte am Freitag nichts von den Forderungen wissen. Die Politik sei nicht zuständig, erklärte der Vorsitzende und Bundestagsabgeordnete Michael Fuchs: „Im Bundesurlaubsgesetz ist der Mindesturlaub definiert. Alles andere ist Sache der Tarifparteien. Wenn Verbände der Meinung sind, der Urlaub müsse kürzer werden, müssen sie das mit den Tarifparteien verhandeln. Viel Spaß!“

Tatsächlich beträgt der gesetzliche Mindestanspruch auf Urlaub in Deutschland 20 Tage bei einer Fünf-Tage-Woche. Dass viele Arbeitnehmer über deutlich mehr Urlaubstage verfügen, ist in Tarif- oder einzelnen Arbeitsverträgen geregelt. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit weiß: Die Zahl der Urlaubstage in Deutschland hat in den vergangenen 30 Jahren deutlich zugenommen. 1970 waren es noch 20 Tage, bis 2007 stieg die Zahl auf durchschnittlich 29,9 Urlaubstage pro Jahr.

Der Vergleich zu anderen Ländern ist schwer, weil stets auch die regionalen und nationalen Feiertage berücksichtigt werden müssen. Im Vergleich zu Ländern wie Frankreich oder Belgien stehen die deutschen Arbeitnehmer aber ganz gut da – sagt selbst der Deutsche Gewerkschaftsbund.

Ob Unternehmen auf Dauer wirklich profitieren würden, wenn ihre Arbeitnehmer seltener im Urlaub wären, ist umstritten – schließlich dienen Ferien auch dem Erhalt der Arbeitskraft. Wer durchrackert, fällt irgendwann im Beruf aus. Peter Walschburger, Biopsychologe an der Freien Universität Berlin, sagt es so: „Um kontinuierliche Arbeit zu gewährleisten, müssen sich Phasen der Aktivität und Phasen der Ruhe, in denen es keinen Stress und keinen Zeitdruck gibt, abwechseln.“ Diese Abwechslung entspreche einem tief in der menschlichen Natur verwurzelten Bedürfnis nach Rhythmus. Kommt der aus dem Takt, ist das schlecht für die Gesundheit. Im Idealfall erfülle sich der Mensch im Urlaub die Dinge, die seinen innersten Bedürfnissen entsprechen, sagt Biopsychologe Walschburger.

Vielleicht braucht die Vorstandsvorsitzende des Unternehmerverbands mittelständische Wirtschaft, Ursula Frerichs, ja tatsächlich selber Urlaub, wie die Linken-Politikerin Kipping mutmaßt. Unter Frerichs’ Führung macht der Verband jedenfalls vor allem mit nicht durchsetzbaren Forderungen Schlagzeilen. Zuletzt verlangten Frerichs und Co. allen Ernstes die Einführung einer Deopflicht am Arbeitsplatz.

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