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Finanzkrise: Wenn einer fällt, fallen alle

Eine Zahlungsunfähigkeit Griechenlands würde die Euro-Zone empfindlich treffen. Manche Experten sehen sogar das Weltfinanzsystem in Gefahr.

Als der Investmentbank Lehman Brothers im September 2008 das Geld ausging, stand die US-Regierung vor einer schwierigen Entscheidung: Retten oder pleitegehen lassen? Dass der Staat für die Fehler der Banker haften soll, könne man dem Wähler nicht vermitteln, dachten sie und schickten Lehman in die Insolvenz. Am Ende mussten die amerikanischen Steuerzahler hunderte Milliarden Dollar in die Rettung von Banken, Versicherungen und der beiden Autobauer General Motors und Chrysler stecken. In der Rezession, die auf die Finanzkrise folgte, gingen weltweit Millionen Arbeitsplätze verloren. Wenn Griechenland pleiteginge, stünde die Welt vor einer ähnlichen Katastrophe, glaubt Christoph Weil, Analyst bei der Commerzbank. Wie damals bei Lehman wäre die wichtigste Grundlage des Finanzsystems beschädigt: das Vertrauen.

„Die Banken würden einander kein Geld mehr leihen, weil keine weiß, welche Kredite die andere in ihren Büchern hat“, sagt Weil. Nach Angaben der Bundesbank waren allein die deutschen Banken Ende Oktober 2010 mit 27 Milliarden Euro in Griechenland engagiert. Auch die großen Versicherer würden Kapital verlieren, wenn die Griechen ihre Schulden nicht zurückzahlen könnten. Besonders hart würde es die Griechen selbst treffen. Die griechischen Banken und Versicherer, aber auch Privatleute sind die größten Gläubiger ihrer Regierung. „Ein Haircut würde in Griechenland ein richtiges Blutbad anrichten“, glaubt Weil.

Ein Haircut, also der teilweise Verzicht der Gläubiger auf die Rückzahlung ihrer Kredite, oder gar eine Pleite Griechenlands hätten aber auch Auswirkungen auf die anderen Schuldenstaaten in der Eurozone. „Wenn es ein Land macht, gehen die Spekulationen los. Das würde die ganze Peripherie erschüttern“, sagt Weil. Die Zinsen für Staatsanleihen aus Portugal, Spanien, Italien und Belgien würden weiter steigen, unabhängig von der tatsächlichen Lage im jeweiligen Land. Im schlimmsten Fall müssten sie alle auf den Euro-Rettungsschirm zurückgreifen, was diesen überfordern würde. „Wenn Griechenland fällt, würde Portugal sofort umfallen“, sagt Weil. „Und dann wird es schwer, Spanien zu halten.“ Wenn man den Griechen helfen wolle, ohne die Stabilität der Eurozone zu riskieren, müsse man über eine Verlängerung der Kredite sprechen, nicht über ihre Stundung.

Die Politik zeigt sich zuversichtlich. „Ich erwarte nicht, dass es weitere große Schocks geben wird“, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble am Samstag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. „Ich denke, die Euro-Zone hat die Kurve bekommen“, meint auch seine französische Amtskollegin Christine Lagarde. Alle Mitgliedsstaaten seien auf dem Weg, ihre Staatsfinanzen zu sanieren. Doch die Märkte sind nervös. Der Chef des Euro-Rettungsschirms, Klaus Regling, wirbt laut Informationen des „Spiegel“ bereits für eine Umschuldung Griechenlands. Die Regierung dementiert. Doch allein die Gerüchte haben dafür gesorgt, dass die Märkte kaum noch Vertrauen in griechische Anleihen haben. Die Papiere werden nur noch bei 70 Prozent ihres Nennwerts gehandelt. Alle drei Rating-Agenturen haben die Bonitätsnoten des Landes auf Schrottniveau gesenkt. 2013 läuft das Hilfspaket der EU aus. Dann müssen die Griechen wieder selbst Kredite am Markt aufnehmen. Die Zinsen dafür werden sich danach richten, ob es ihnen gelingt, den Haushalt einigermaßen in Ordnung zu bringen. Daran zweifeln viele Experten. EU und IWF haben gerade berechnet, dass die Gesamtverschuldung 2013 bei 158 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen wird. Bis dahin muss eine Lösung gefunden sein. Sonst droht Griechenland die Pleite. Miriam Schröder

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