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Jochen Zeitz (47) ist seit 1993 Chef des Sportartikelherstellers Puma. In diesem Frühjahr wechselt er zur französischen Konzernmutter PPR, zu der auch Gucci gehört. Bei dem Luxusgüterkonzern verantwortet Zeitz den Sport- und Lifestyle-Bereich sowie das Thema Nachhaltigkeit. Bei Puma ist er Verwaltungsratschef. 2008 führte Zeitz ein Leitbild ein, das Puma auf Nachhaltigkeit verpflichtet. Er engagiert sich unter anderem in der „Initiative 2 Grad – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz“.

© picture-alliance/ dpa

Puma-Chef Zeitz: "Wir müssen unser Wirtschaftsmodell ändern"

Puma rechnet künftig Umweltkosten in die Bilanz mit ein. Der Tagesspiegel spricht mit Unternehmenschef Jochen Zeitz über nachhaltiges Wirtschaften und faire Preise.

Herr Zeitz, Puma wird künftig als weltweit erstes Unternehmen Umweltbelastungen in die Gewinn- und Verlustrechnung (G&V) aufnehmen. Wie sieht Ihre persönliche Bilanz aus?

Mein privater CO2-Fußabdruck liegt bei 40 Tonnen pro Jahr.

Und was kostet Sie das?

Rund 400 Dollar.

Sie werden in Kürze den Puma-Chefsessel verlassen und in der Konzern-Holding PPR Verantwortung übernehmen. Warum kommt die Umwelt-G&V erst jetzt?

Die Idee, Umwelt-Kosten in die Gewinn- und Verlustrechnung aufzunehmen, hatte ich bereits Ende 2009. Aber damals gab es noch niemanden, der diesen Ansatz systematisch und professionell verfolgt hat. Von der Idee her ist es ja nichts Neues, wenn man die kostenlosen „Dienstleistungen“, die die Umwelt uns zur Verfügung stellt, bewertet und mit einem entsprechenden Preis versieht. Heute gehen wir allerdings einen Schritt weiter. Wir wollen damit Denkanstöße für andere geben und daraus Lösungs- und Entscheidungswege ableiten. Wir werden das dann künftig Schritt für Schritt ausbauen.

Zum Beispiel?

Über Details kann ich bis zur Präsentation noch nicht sprechen. Aber wir müssen zunächst die Fragen beantworten: Wer ist innerhalb der Wertschöpfungskette für was verantwortlich? Welchen CO2-Fußabdruck nehmen wir mit auf? Bilden wir die gesamte Wertschöpfungskette ab oder nur das, was unmittelbar im Unternehmen geschieht?

Werden Puma-Produkte teurer?

Wir werden im kommenden Jahr die Preise erhöhen müssen, aber nicht wegen der umweltbezogenen Gewinn- und Verlustrechnung, sondern weil die Rohstoffpreise und auch die Lohnkosten stark gestiegen sind. Das gilt nicht nur für Puma, sondern für die gesamte Industrie. Wenn man Kosten internalisiert, die bisher nicht berücksichtigt wurden, kann man das durch Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen auffangen. Nachhaltigkeit gibt es aber nicht umsonst. Da müssen wir zunächst investieren.

Wo hat Puma noch Effizienzreserven?

Man muss sich überlegen, wie aufwendig jedes Produkt – zum Beispiel ein Schuh – konstruiert sein muss. Ähnlich wie die Autobauer versuchen wir, die Komplexität zu reduzieren. Das schafft Freiräume, um in neue, umweltfreundlichere Materialien zu investieren. Ein anderes Thema ist die Verpackung. Zunächst kostet es uns mehr, wenn wir weniger Verpackung verwenden. Langfristig zahlt es sich aber für uns aus, weil wir Energiekosten sparen.

Sind die Käufer von Lifestylemarken wie Puma eher bereit, ein paar Euro mehr für ein umweltfreundlich hergestelltes Produkt auszugeben als, sagen wir, ein Maschinenbauer?

Das glaube ich nicht. Auch ein Maschinenbauer, der einen fairen Preis für seine Energie bezahlen müsste, würde sich sofort überlegen, wie er seine Maschinen noch effizienter bauen und einsetzen kann. Die globalen Marken müssen aber bei ihren Kunden ein allgemeines Bewusstsein für Umweltfragen schaffen.

Ist es leichter, ein solches Thema in Zeiten einer Atomkatastrophe zu platzieren?

Schon seit dem Klimagipfel in Kopenhagen vor zwei Jahren ist klar, dass wir nicht auf die Politik warten können, sondern jeder seinen Beitrag zur Reduzierung der Treibhausgase und zum Schutz der Umwelt leisten muss. Die Unternehmen sind es, die am meisten verändern können. Wir müssen unser Wirtschaftsmodell hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft ändern.

Puma lässt die meisten seiner Produkte von Lieferanten in Asien, Afrika und anderen Teilen der Welt produzieren. Sind die hohen Umweltstandards dort durchsetzbar?

Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass in fünf Jahren 90 Prozent aller direkten Schuh- und Textilfabriken bei Nachhaltigkeit und Transparenz den hohen Puma- Standards entsprechen müssen. Wir werden dies konsequent in allen unseren Fabriken implementieren. Man kann bei 200 000 Mitarbeitern in Fabriken, die nicht zu Puma gehören, natürlich nicht immer sicher sein, dass alles reibungslos funktioniert. Die perfekte Fabrik gibt es nicht. Unsere Standards liegen aber weit über dem Niveau, das in Entwicklungsländern normalerweise anzutreffen ist.

Könnte eine umweltgerechtere Produktion bedeuten, dass Puma künftig wieder in Deutschland produziert?

Der Transport ist im Hinblick auf die Produktion ein Element unter mehreren. Die Weltwirtschaft ist auf einem globalen Transportsystem aufgebaut, das heißt die Logistikbranche muss ihrer Verantwortung gerecht werden und ihre eigene Umweltbilanz ziehen. Das kann im Ergebnis im ein oder anderen Bereich eine stärkere Regionalisierung der Produktion bedeuten. Aber Transportkosten allein rechtfertigen dies nicht, schließlich müssten Rohstoffe, Material und Vorprodukte immer noch um die Welt transportiert werden.

Sollte der Gesetzgeber die Rechnungslegungsvorschriften verändern?

Wie beim Sport die Spielregeln, sollten auch im Wirtschaftsleben die Rahmenbedingungen geändert werden, wenn dies nötig ist. Die freie Marktwirtschaft erfordert auch Grenzen. Sinnvoll wäre ein Nachhaltigkeitskodex nach dem Vorbild des Corporate-Governance-Kodex. Jedes Unternehmen müsste dann seinen CO2- Fußabdruck veröffentlichen. Das wäre ein erster Schritt. Die Automobilindustrie hätte sich auch nicht gewandelt, wenn es keine gesetzlichen CO2-Grenzwerte gäbe.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer

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