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Klaus-Peter Siegloch war ein bekanntes Fernsehgesicht – heute vertritt er die Belange der Luftverkehrswirtschaft.

© BDL

Luftfahrt-Präsident Siegloch: "Es gibt keinen Flughafen ohne Lärm"

Luftfahrt-Präsident Klaus-Peter Siegloch über Flugrouten, die Luftverkehrssteuer und Europas Airlines in der Klimafalle.

Herr Siegloch, seit wenigen Tagen ist der Luftverkehr in den europäischen Handel mit Klimazertifikaten eingebunden. Was bedeutet das für die Branche?

Zunächst vor allem bürokratischen und juristischen Aufwand. Mit Inkrafttreten des Gesetzes sind Pflichten verbunden: Die anfallenden Kosten müssen in die Bilanzen aufgenommen werden. Und das sind hohe Kosten: Allein die Lufthansa rechnet mit Mehrkosten von 130 Millionen, Air Berlin mit 28 Millionen Euro für den Kauf von Emissionszertifikaten in diesem Jahr. Dabei ist noch völlig unklar, ob nichteuropäische Airlines das überhaupt mitmachen.

Wie kann das sein?

In einem ersten Schritt haben alle Airlines ja knapp 85 Prozent der Klimazertifikate kostenlos zugeteilt bekommen – gemessen an ihrem durchschnittlichen CO2-Ausstoß von 2004 bis 2006. Dieser Anteil soll mit jedem Jahr sinken. Den Rest müssen sie am Markt kaufen. Die nichteuropäischen Fluggesellschaften haben die zugeteilten Zertifikate auch bekommen, wehren sich aber weiter grundsätzlich gegen diesen Emissionhandel.

Aber über EU-Politik entscheidet doch immer noch die EU, oder?

Im Prinzip ja, aber die Airlines in China, Russland und Indien zum Beispiel betrachten die Einbindung in unseren Zertifikatehandel als unzulässigen Eingriff in ihr Geschäft. Und die Regierungen dieser Länder sehen sie darüber hinaus als Eingriff in ihre staatliche Souveränität. In den USA ist der Gesetzgeber sogar dabei, US-Airlines die Teilnahme am EU-Emissionshandel ausdrücklich zu verbieten.

Wozu soll das führen?

Wir fürchten, dass sich diese Gesellschaften am Ende auf derartige nationale Gesetze berufen und dann einfach keine neuen Zertifikate kaufen und damit Millionen Euro sparen. Einheimische Airlines wie die deutschen sind aber in diesem EU-Recht gefangen und müssen bezahlen. Das ist Ungleichbehandlung, ein klarer Wettbewerbsnachteil.

Im Dezember hatten Sie die Bundesregierung eindringlich aufgefordert, die Einführung des Emissionshandels zu verschieben. Warum nicht ganz absagen?

Weil wir nach wie vor der Meinung sind, dass der Emissionshandel eine sehr wichtige Initiative ist, um entscheidende Verbesserungen für die Umwelt zu erreichen. Durch den Emissionshandel wächst der Luftverkehr seit diesem Jahr CO2-neutral, und das ist ein Riesenfortschritt. Der deutsche Luftverkehr spricht sich deshalb für dieses Instrument aus - unter einer Bedingung: Das muss wettbewerbsneutral geschehen. Alle müssen zahlen.

Was heißt das?

Dass alle Gesellschaften weltweit, die in die EU einfliegen, Zertifikate kaufen müssen. Wenn hier international eine Einigung gelingt, wäre das System sinnvoll für die Umwelt. Anders als die deutsche Luftverkehrssteuer übrigens. Die hilft der Umwelt gar nicht.

Nun hat die Bundesregierung diese Steuer immerhin gesenkt. Ausreichend?

Diese kleine Senkung – zum Beispiel bei Inlandsflügen von 8 Euro auf 7,50 Euro – ist ein Anfang, aber bei weitem nicht ausreichend. Das ist doch so: Wenn Sie bei einem Auto aus allen vier Rädern die Luft herauslassen und dann nur einen Reifen wieder aufpumpen, dann kommen Sie immer noch nicht viel weiter. Die Luftverkehrsteuer schadet Flughäfen, Fluggesellschaften und natürlich auch den Passagieren.

Wie sieht Ihre Bilanz nach einem Jahr Luftverkehrssteuer aus?

Wir haben eine Studie in Auftrag gegeben und zum Beispiel festgestellt, dass der Luftverkehr in Deutschland 2011 im Schnitt zwar gewachsen ist, in den angrenzenden Nachbarländern aber im Schnitt um rund zwei Prozent stärker. Das heißt: Deutschland, dessen Wirtschaft insgesamt ja überdurchschnittlich stark gewachsen ist, hat sein Potenzial im Luftverkehr nicht ausschöpfen können.

Welche Regionen und Unternehmen spüren die Steuer am stärksten?

Zunächst die grenznahen Flughäfen. Passagiere sind schlicht steuerfrei aus Nachbarländern abgeflogen. Und vor allem die Ferien- und Billigfluggesellschaften haben gelitten, weil die Steuer bei ihnen einen verhältnismäßig hohen Anteil am Ticketpreis ausmacht.

Sie vertreibt also Ryanair und Easyjet. Das ist doch gut für Lufthansa und Air Berlin.

Nein, sie ist für keinen gut. Die Steuer trifft alle, wenngleich unterschiedlich stark. Air Berlin etwa versucht zwar, etwas höhere Ticketpreise am Markt durchzusetzen, aber das gelingt nur bedingt. Das Wettbewerbsumfeld ist weiter sehr hart. Und nehmen Sie zum Beispiel einen Interkontinentalflug nach New York für rund 500 Euro. Der wurde bisher mit 45 Euro belastet, also fast zehn Prozent. Das ist mehr als die Marge, die man mit so einem Ticket erzielen kann.

Wenn das Geschäft künftig nicht so läuft, dürfte es manchem Flughafenanwohner in Berlin und Frankfurt am Main ganz recht sein. Fluglärm wird auch 2012 ein großes Thema.

Ich habe großes Verständnis dafür, dass Menschen ihren Anspruch auf Nachtruhe äußern. Es muss dabei eine faire Interessenabwägung geben. Dazu gehört eine gute Konsultation aller Beteiligten. Da muss ich sagen, dass die staatliche Planung und auch unsere Branche nicht immer alles getan haben, damit die Menschen, die an einem Flughafen wohnen oder dort hinziehen wollen, sich gut informiert fühlen. Wir müssen künftig so rechtzeitig wie möglich informieren, was Anwohner dort möglicherweise erwartet, so dass sie auf der Basis ihre Entscheidung fällen können.

Aber ...?

Es wird keinen Flughafen geben, der keinen Lärm erzeugt. Das ist unrealistisch. Ein Flughafen kann dafür Kern des wirtschaftlichen Aufschwungs einer ganzen Region sein. Das beste Beispiel ist der Ausbau des Flughafens Münchens, wo vorher nur grüne Wiese war. Der Landkreis Freising ist heute eine der dynamischsten Regionen Deutschlands. Und das zeichnet sich jetzt auch für Schönefeld ab.

Berlin-Schönefeld war zuletzt ein eher kleiner Ferienflughafen. Das haben Anwohner akzeptiert. Nun wird er das große Drehkreuz der Region.

In Berlin sind derzeit rund 225 000 Menschen von Fluglärm betroffen. Mit dem neuen Flughafen sollen es künftig nur noch rund 65 000 sein. Das ist nicht unbedingt ein Trost für jene, die jetzt neu betroffen sein werden, das verstehe ich. Aber es ist ein Fortschritt, dass es bei steigendem Flugverkehr dennoch weniger Lärm gibt. Die Branche investiert ja massiv in immer leisere Flugzeuge und in effiziente Schallschutzmaßnahmen am Boden. Was in jedem Fall aber gewachsen ist, ist die Sensibilität für Fluglärm.

Das ist doch legitim.

Vielleicht. Aber ich wohne in Berlin-Mitte und höre auch die S-Bahn. Mich selbst stört das nicht. Aber aus Studien wissen wir, dass heute viel mehr Menschen dem Lärm von Schiene und Straße ausgesetzt sind als dem von Flugzeugen. Wir müssen unsere Interessen abwägen: Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Anrecht auf Lärmschutz. Aber sie haben auch ein Anrecht auf eine funktionierende Wirtschaft, und dafür brauchen wir Flughäfen und den Luftverkehr.

Das Gespräch führte Kevin P. Hoffmann

DER LOBBYIST

Klaus-Peter Siegloch (65) wurde in Hamburg geboren, studierte dort Politik, Soziologie und Volkswirtschaft. Anschließend begann er seine journalistische Karriere beim NDR. Ab 1987 wurde er zum prominenten Gesicht der politischen Berichterstattung beim ZDF, als Washington-Korrespondent und als Moderator von „Heute“ und „Heute Journal“. Seit Juni 2011 ist er hauptamtlicher Präsident des noch jungen BDL.

DER VERBAND

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) wurde Ende 2010 gegründet und versteht sich als gemeinsame Stimme der Fluggesellschaften, Flughäfen, der Flugsicherung und der Dienstleister der Luftfahrt.

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