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Akademikerkinder: Unter sich statt Unterschicht

Was ist bloß los mit Deutschlands Akademikerkindern? Sie stellen zwar noch immer die überwältigende Mehrheit der Studierenden, aber weniger entscheiden sich für ein Studium.

Nur noch 71 von 100 Kindern aus einem studierten Elternhaus gehen an eine Hochschule, zwei Jahre zuvor waren es noch 83. Dies ist das wohl überraschendste Ergebnis der neuen Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks, die am Freitag in Berlin vorgestellt wurde. Dass es mehr Akademikerkinder als je zuvor vorziehen, nach dem Abi eine Berufsausbildung zu machen, erstaunt auch die Hochschulforscher, die den Sozialbericht geschrieben haben. Offenbar sähen viele ein Studium nicht mehr als sicheren Einstieg in eine berufliche Karriere.

An der Diagnose über das sozial selektive deutsche Bildungswesen ändert dies freilich nichts. Denn der Anteil der Studierenden aus Familien ohne akademische Tradition stagniert. Von 100 dieser Kinder schafften es nur 24 an eine Hochschule, zwei Jahre zuvor waren es 23, vier Jahre zuvor allerdings noch 26.

Dass „Arbeiterkinder“ weiterhin benachteiligt sind, liest das Studentenwerk auch aus ihrer Befragung von gut 16 000 Studierenden im Sommer 2009 zu ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage ab, der Hauptquelle der Sozialerhebung. So ist erstmals seit 1991 der finanzielle Beitrag der Eltern am Einkommen der Studierenden zurückgegangen – im Vergleich zur Befragung aus dem Jahr 2006 von 52 auf 48 Prozent. Vor allem Eltern aus den mittleren und unteren sozialen Schichten stoßen an ihre finanzielle Belastungsgrenze, heißt es.

Was verdient ein Student heutzutage? Wer ledig ist und nicht im „Hotel Mama“ wohnt und somit als „Normalstudent“ gilt, verfügt im Durchschnitt über monatlich 812 Euro, Studierende aus einer niedrigen sozialen Schicht haben 783, Oberschichtkinder 833 Euro. Insgesamt 87 Prozent der Studierenden werden von den Eltern unterstützt – mit 445 Euro, zwei Drittel jobben neben dem Studium und verdienen damit 323 Euro im Monat, ein Drittel erhält Bafög, im Schnitt 430 Euro.

Eine erstaunliche soziale Schieflage ergibt sich bei den Studiengebühren, die aktuell in fünf Bundesländern gezahlt werden müssen, zum Zeitpunkt der Befragung in sechs Ländern. Für knapp 60 Prozent zahlen die Eltern die Gebühr, leisten können sich das folgerichtig die Besserverdienenden. Gleichzeitig sind deren Kinder öfter als andere von Studiengebühren befreit, etwa weil sie zwei studierende, gebührenzahlende Geschwister haben.

Fazit: Noch immer reproduzieren sich in Deutschland die Akademiker selbst.

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