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Schüler sitzen in einem Klassenraum vor Tablet-Computern, sie lächeln dabei.

© Thilo Rückeis

Update

Angela Merkel beim MINT-Gipfel: "Zugang zum Internet so selbstverständlich wie Zugang zu Wasser"

In Berlin befasst sich der MINT-Gipfel mit der „digitalen Spaltung“ der Gesellschaft. Angela Merkel fürchtet, selbst Schwellenländer könnten Deutschland bei der Digitalisierung überholen.

Ein leerer Handyakku, ein fehlender Internetzugang – das sind Situationen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hasst. „Man wird zunehmend unwillig, was da noch fehlt“, sagte die Kanzlerin am Donnerstag beim Nationalen MINT-Gipfel in Berlin. Der Zugang zum Internet müsse so selbstverständlich werden wie der Zugang zu Wasser. Merkel lobte Grundschulen mit Computern, Tabletklassen oder Online-Vorlesungen an Hochschulen. „Viele gute Beispiele, aber es gibt die unterschiedlichen Geschwindigkeiten, in denen das stattfindet.“ Deutschland drohe bei der Digitalisierung schon von Schwellenländern überholt zu werden, die historische Entwicklungen überspringen „und sofort mit dem Neuen beginnen“.

MINT-Forum fordert "digitale Pflichtzeit" für Schulen

Um „digitale Chancen“ und die „digitale Spaltung“ ging es beim 4. Nationalen MINT-Gipfel in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutsche Telekom AG. Das Nationale MINT-Forum, in dem sich 30 Wissenschaftseinrichtungen, Stiftungen und Verbände für eine bessere Bildung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) engagieren, verkündete „Kernforderungen“. So müssten sich die Schulen „inhaltlich, methodisch und strukturell“ den Herausforderungen der Digitalisierung stellen. Bundesweit sollte eine „Pflichtzeit“ für digitale Bildung eingeführt werden – integriert in den gesamten Fächerkanon. Die Länderminister fordert das Forum auf, entsprechende Konzepte für digitale Bildung vorzulegen.

Die Kultusministerkonferenz arbeitet bereits an einer Strategie zur „Bildung in der digitalen Welt“; Ende des Jahres soll sie vorliegen. Zu den bislang skizzierten Handlungsfeldern gehören neue Bildungspläne, die IT-Ausstattung der Schulen, Inhalte von Bildungsmedien – und die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften. Was die KMK dafür plane, sei allerdings „relativ konventionell“, kritisierte Ekkehard Winter, Geschäftsführer der Deutsche Telekom Stiftung und Leiter der Arbeitsgruppe Digitale Bildung im MINT-Forum.

Digitalisierung als "großer Alphabetisierungsauftrag"

Gefordert wird auch, die zivilgesellschaftlichen Initiativen, darunter solche von Mitgliedern des MINT-Forums, mit schulischen Angeboten zu verzahnen und „zu einem konsistenten System zu entwickeln“. Digitalisierung sei „ein großer Alphabetisierungsauftrag“, der nicht von Einzelinitiativen zu leisten sei, sagte Forums-Sprecherin Nathalie von Siemens. Es gehe um ein „Humboldt 4.0“: Die Bildung auf dem Weg zu selbstständigen und verantwortlichen Persönlichkeiten müsse eine digitale Dimension erhalten.

Programmieren? Kommt in deutschen Schulen kaum vor

Wo Deutschland bei der digitalen Bildung steht, sollte Gesche Joost, Professorin an der Berliner Universität der Künste und Leiterin des Design Research Lab der UdK, am Nachmittag demonstrieren. „Auf einer Europakarte, die zeigt, wo Informatik und Programmieren unterrichtet werden und wo neue Programme geplant sind, klafft ein großes Loch: Deutschland“, sagte Joost vorab im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Die skandinavischen Nachbarn, aber auch die Beneluxländer oder Polen seien sehr viel aktiver. Tatsächlich kommen deutsche Schüler in weltweiten Vergleichsstudien wie ICILS mit ihren IT-Kenntnissen gerade einmal ins Mittelfeld. Fast ein Drittel der getesteten Achtklässler hat nur rudimentäre Kompetenzen im Umgang mit Computern und Internet. An den Schulen teilen sich im Schnitt elf Schüler einen Computer.

Gesche Joost, Designforscherin an der Universität der Künste Berlin.
Gesche Joost, Designforscherin an der Universität der Künste Berlin.

© Mike Wolff

Die Bundeskanzlerin plädierte dafür, Schülerinnen und Schüler sollten auch in der Schule „die Fähigkeiten nutzen, die sie im Umgang mit ihren eigenen Smartphones haben“. Die Bildungsaufgabe der Schulen bestehe dann darin, einen „souveränen Umgang mit den digitalen Medien“ zu vermitteln und dabei Risiken und Möglichkeiten des Missbrauchs zu benennen.

„Bring your own device“ – die Nutzung eigener Geräte – sei ein guter Weg, um schnell mehr IT in die Schule zu bringen, sagt Joost. Aber auch dafür fehle eine Strategie. Ein weiteres Hemmnis sieht sie in der Skepsis gegenüber der Digitalisierung, vor allem bei Eltern. „Viele sagen, mein Kind soll lieber mit Holzspielzeug spielen und auf Bäume klettern.“ Diesen Gegensatz müsse man „einfach vergessen“. Es sei möglich, beides zu verbinden, etwa beim Geocaching, der elektronischen Schatzsuche im freien Gelände.

Schüler sehen sich durch Suchmaschinen manipuliert

Skeptisch sind aber auch die Jugendlichen, die beim MINT-Gipfel zu Wort kamen. Sie haben in Workshops eigene Forderungen formuliert. Ein Team kritisierte die Manipulation durch Suchmaschinen und erwartet vom Schulunterricht Hilfestellung für „einen kritischen Umgang mit digitalen Medien und Quellen“. Eine andere Gruppe wünscht sich einen unabhängigen „Education Guide“, in dem gute Lerninhalte aus dem qualitativ oft zweifelhaften Angebot im Netz zusammengestellt werden.

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