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Arsen gelangt über die Wurzeln in die Pflanzen. Bestimmte Anbaumethoden sollen den Anteil des giftigen Halbmetalls im Reis nun reduzieren.

© imago/blickwinkel

Arsen-Belastung: Forscher warnen vor hohem Reiskonsum bei Kleinkindern

In Reiswaffeln und Babyreis steckt zu viel Arsen. Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung warnt davor, Säuglingen und Kleinkindern jeden Tag Reishaltiges zu geben.

Reiswaffeln sind so etwas wie der Inbegriff des ökologischen und gesunden Snacks für Kinder. Doch so gesund wie ihr Image sind die runden Cracker keineswegs. Das Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung warnt davor, Säuglingen und Kleinkindern jeden Tag Reishaltiges zu geben. Denn das Getreide ist mit Arsen belastet.

Erhöhte Krebsgefahr

Das Halbmetall erhöht die Gefahr von Haut-, Lungen-, Leber- und Nierenkrebs messbar. Ende Januar 2016 befand die Deutsche Gesellschaft für Toxikologie, dass die Bevölkerung, besonders Säuglinge und Kleinkinder, zu viel Arsen aufnehmen. Sie können dem Getreide fast nicht entgehen, denn viele Babybreis basieren auf Reis oder Reismehl. Kleinkinder bekommen so durchschnittlich zwischen 0,61 und 2,09 Mikrogramm je Kilogramm Körpergewicht an Arsen pro Tag ab. Schon ab 0,3 Mikrogramm je Kilogramm Arsen täglicher und lebenslanger Belastung steigt das Krebsrisiko um ein Prozent. Arsen kommt zu sechzig Prozent aus bestimmten Erdschichten. Das Wasser schwemmt das Halbmetall aus, sodass es ins Trinkwasser geraten kann. Pflanzen nehmen es über die Wurzeln auf. Die übrigen vierzig Prozent stammen aus Abgasen aus der Kupferverhüttung und Kohleverbrennung.

Seit 2016 gibt es in der EU erstmalig Grenzwerte für Arsen in Reis und Reisprodukten. „Wir Toxikologen haben ein um den Faktor zehn niedrigeres Limit gefordert. Dann wäre jedoch fast der gesamte Reis nicht mehr verkehrsfähig. Die Grenzwerte orientieren sich auch am Machbaren“, sagt die Potsdamer Toxikologin Tanja Schwerdtle. Sie sitzt seit Jahren in zahlreichen EU-Gremien zur Bewertung von Arsen und anderen Schadstoffen in der Nahrungskette.

Weniger Arsen in weißem Reis

Ausgerechnet der nährstoffreiche Vollkornreis und Parboiled Reis sind vergleichsweise hoch belastet. Geschälter weißer Reis ist dagegen schadstoffärmer, hat jedoch auch weniger Mineralien und Vitamine zu bieten. Noch viel höher waren die Arsenwerte in den vergangenen Jahren in Reiswaffeln und Reisbrei für Säuglinge. Deutlich mehr als die Hälfte der Produkte überschritt in den Analysen der Vorjahre den nun eingeführten EU-Grenzwert von 0,10 Milligramm je Kilogramm. Schwerdtle rät deshalb: „Abwechslung, Abwechslung und noch mal Abwechslung, vor allem, weil wir wissen, dass gerade Babys besonders sensibel hinsichtlich der Krebsentstehung sind.“ Statt Reis können es auch mal Kartoffeln, Hirse und Brot sein.

Für die Lebensmittelbetriebe sind die neuen Grenzwerte ein Problem. „Geeigneter Reis für Säuglinge und Kleinkinder steht in Europa nicht in ausreichender Menge zur Verfügung“, sagt Norbert Pahne vom Diätverband.

Reis aus Ägypten ist weniger belastet

Unternehmen wie Nestlé, Hipp und der europaweit größte Hersteller für Reiswaffeln Sanorice suchen deshalb weltweit nach schadstoffarmer Ernte. Doch Reis aus nahezu allen Herkunftsländern – den USA, Südamerika, Italien und in Asien vor allem Bangladesh – ist immer wieder zu stark kontaminiert. Besonders belastete Ware kam in der Vergangenheit aus China, sagt Schwerdtle. Weil das Land seit langem einen nationalen Arsengrenzwert hat, wurde das stärker belastete Getreide exportiert, vermutet sie. „Einzig Reis aus Ägypten ist kaum mit dem Halbmetall belastet, weil dort mit Nilwasser bewässert wird, das kaum Arsen aufweist“, erläutert Adam Price, Biochemiker an der schottischen Universität Aberdeen, der das Problem seit Jahren erforscht.

Prince sucht nach Möglichkeiten, den Anteil des Giftes zu reduzieren. Eine davon führt auf die Felder der Reisbauern. Philippinische Farmer haben beispielsweise herausgefunden, dass das wechselnde Trockenlegen und Fluten der Plantagen „den Arsengehalt in den Körnern dramatisch senkt“, wie Price klar macht. Denn das Arsen kann nur über die Wurzeln aufgenommen werden, wenn das Feld unter Wasser steht. Wird der Wasserspiegel auf fünfzehn Zentimeter unterhalb der Erdoberfläche abgesenkt, sobald sich die Körner füllen, sinkt der Arsengehalt um bis zu 90 Prozent. „Der Weltreisverband und die Weltgesundheitsorganisation empfehlen deshalb die Methode. Nur fallen die Ernten dadurch etwas geringer aus“, erklärt Price.

Wenn Reis, dann mit viel Wasser kochen

Wer selbst kocht, kannl den Arsen-Anteil in Reis recht simpel verringern. In vielen Ländern helfen traditionelle Zubereitungsmethoden, den Reis zu entgiften. Einheimische in Indien kochen ihn in der sechsfachen Menge Wasser und gießen den Überstand am Ende ab. Das vermindert den Gehalt an Arsen um 35 bis 45 Prozent. Aber die Methode kostet mehr Energie und viele Nährstoffe und Vitamine gehen verloren, wie der Chemiker Jörg Feldmann herausgefunden hat.

Auch Feldmann arbeitet an neuen Pflanzen, um das Arsenproblem in den Griff zu bekommen. In den Wurzeln der Reispflanzen befinden sich schwefelhaltige Eiweißstoffe, die Phytochelatine. Diese binden Arsen. Anschließend wird es in einem großen Hohlraum in den Pflanzenzellen, der Vakuole, eingeschlossen. Derart in Gewahrsam genommen kann der Schadstoff nicht ins Korn aufsteigen. Bestimmte Reissorten haben besonders viele Phytochelatine, etwa eine Reihe von Basmatireisarten und die in der Weltreisbank gelistete Sorte Tima.

„Über die Sortenwahl kann man ein Drittel des Arsengehalts reduzieren“, meint Feldmann. „Oft hängen die Ergebnisse vom Boden ab. Wir haben in Bangladesch tolle Erfolge erzielt, aber in Indien lieferten dieselben Sorten wieder relativ hohe Arsengehalte. Wahrscheinlich sind andere Metalle im Boden der Grund dafür.“ Es sei vielversprechend, arsenarme Reissorten zu züchten, schrieb die Weltgesundheitsorganisation deshalb 2013, aber schon die Umweltbedingungen, der Anbauort und die Bewässerung können die Arsenmenge messbar beeinflussen.

Mit Naturdünger gegen Arsen

Eine andere Strategie könnte indes als globale Lösung taugen. Feldmann entwickelt zurzeit eine Art Naturdünger gegen Arsen. Die genaue Rezeptur des Gegengifts verrät er nicht, weil die Arbeiten noch unveröffentlicht seien. Es ist aber bekannt, dass die Pflanzen kaum Arsen aufnehmen, wenn im Boden viele Eisensalze zugegen sind. Weshalb, ist bisher unklar. In Experimenten sank der Arsengehalt im Reis um ein Viertel und die Pflanzen wuchsen zudem schneller.

Einen ähnlichen Effekt beobachteten Forscher von der Leibniz-Universität Hannover, wenn sie siliziumhaltige Stoffe wie etwa die natürlich vorkommende Kieselsäure zusetzten. Dieser Stoff ist in Steinen massenhaft vorhanden. Biobauern bringen ihn schon heute als Gesteinsmehl auf ihre Äcker aus. Die Menge an Arsen im Reis würde unter dieser Behandlung den Wissenschaftlern zufolge gar um mehr als die Hälfte sinken. Es wäre die einfachste Lösung, wenn die Bauern nur einen Naturdünger auf ihre Felder streuen müssten, um die Arsenbelastung ihrer Ernte zu senken.

Für die Arsenexpertin Tanja Schwerdtle ist klar, dass mit dem Grenzwert von Arsen in Reis erst ein Anfang gemacht ist. „Jahrelang haben wir darauf gewartet. Nun ist er da und es wird sukzessive Verschärfungen geben.“ Dabei richten sich die Augen der Toxikologen und der Brüsseler Beamten nun auf andere Lebensmittel. Denn auch Fisch und in noch höherem Maß Algen enthalten viel Arsen. Schwerdtle sagt: „Es ist klar, dass Sushi-Liebhaber deshalb sehr hohe Mengen des Halbmetalls aufnehmen. Welchem Risiko sie sich aussetzen, müssen wir dringend klären. Das ist die nächste Aufgabe.“

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