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Ausstellung an der HU: Von "Russenlagern" und Zwangsarbeit

Eine Ausstellung an der Berliner Humboldt-Uni zeigt das Schicksal sowjetischer Kriegsgefangener - und deren Gesichter.

Es sind alte Männer, deren Porträts im Foyer des Hauptgebäudes der Humboldt-Universität Unter den Linden hängen. Alte russische Männer – und alleine das wäre schon spannend genug an einem Ort, der meistenteils von jungen Deutschen bevölkert wird. Doch die tiefenscharfen Fotografien des Berliners Lars Nickel zeigen mehr als nur wechselvolle Biographien, Armut und Wohlstand. Die Ausstellung „’Russenlager’ und Zwangsarbeit“, die am Mittwoch anlässlich des 70. Jahrestags des Beginns des deutschen Russlandfeldzuges eröffnet wurde, zeigt die, die bisher zu oft übersehen wurden, wie die Macher der Ausstellung, der Berliner „Kontakte e.V.“, meinen: sowjetische Kriegsgefangene.

Dass die weitgehende Nichtachtung russischer Zwangsarbeiter – etwa als anerkannte Opfer des Nationalsozialismus – ein großer Fehler speziell der Bundesrepublik war, daran lässt bei der Eröffnung im Senatssaal der HU keiner einen Zweifel: „Der kalte Krieg hat verhindert, die schmerzliche Wahrheit des Vernichtungskriegs auch gegenüber diesen Opfern zu öffnen“, sagt Günter Saathoff, Vorstand der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“. Die „Russenlager“ für sowjetische Kriegsgefangene seien „Vernichtungslager aus rassistischer Motivation heraus“ gewesen. Eine Haltung, die Michael Wildt, Historiker an der HU, teilt: „Was mit diesen Männern geschehen sollte, war der Wehrmachtsführung völlig egal.“

Wer sich ein Bild von den katastrophalen Lebens- und Sterbensbedingungen der „Ostarbeiter“ machen möchte, kann die Ausstellung, die neben den Bildern Nickels auch historische Fotografien zeigt, noch bis zum 20. Juli besuchen. Heute findet zudem um 19 Uhr im Kennedy-Saal des Schöneberger Rathauses ein Gespräch mit ehemaligen sowjetischen Kriegsgefangenen statt. Dass diese immer noch viel mitzuteilen haben, demonstrieren Jewgeniy Platonow und Juri Kusnezow bereits bei der Ausstellungseröffnung: Mit brüchiger Stimme berichtet Platonow von Zugfahrten, vor denen die Gefangenen mit kaltem Wasser übergossen wurden, damit möglichst viele von ihnen starben. Dass er und Kusnezow trotzdem im hohen Alter noch einmal nach Deutschland gekommen sind, nötigt auch dem Kabarettisten Georg Schramm Respekt ab: „Sie sind ein Stück Weltkulturerbe“, ruft Schramm im Gewand des deutschen Spießers Platonow und dem ordenbehängten Kusnezow zu. Die applaudieren.

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