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Die Zukunft des Verkehrs? Der Prototyp eines selbstfahrenden Autos von Google.

© picture alliance / dpa

Autonome Fahrzeuge: Selbstfahrende Autos sind auch nur Menschen

Es gibt gute Gründe, diese Technik zu fördern. Wenn sie sich durchsetzen soll, muss sie berechenbar und zuverlässig sein sein. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ralf Nestler

Es ist der Albtraum eines jeden Autofahrers: Ein Mensch, womöglich ein Kind, gerät plötzlich auf die Fahrbahn – kein Platz zum Ausweichen, zu wenig Zeit zum Anhalten. Was in dieser Situation zu tun das Beste wäre, mag man sich zigmal in Ruhe durchdacht haben. Tritt sie ein, handelt man instinktiv, ohne zu überlegen.
Was würde ein autonomes Fahrzeug tun? Was sollte es tun? Diese Fragen treiben die Entwickler schon lange um. Die ethische Dimension der selbstfahrenden Zukunft steht im Moment erneut im Fokus, nachdem bekannt wurde, dass ein Tesla mit Autopilot in einen Laster raste, woraufhin der Insasse starb. Er hatte sich bewusst für eine Fahrt in dem Wagen entschieden. Es kann jedoch genauso gut jeden anderen Verkehrsteilnehmer treffen, einen Fußgänger zum Beispiel.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis es einen Unbeteiligten trifft

Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Unfällen mit autonomen Fahrzeugen kommt, nimmt zu, je mehr davon unterwegs sind. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die erste unbeteiligte Person schlimme Verletzungen erleiden oder sogar umkommen wird. Spätestens dann wird die Debatte losbrechen: Wollen wir autonome Fahrzeuge auf der Straße haben? Grundsätzlich ja. Sie werden nicht müde, sind nie abgelenkt. Bei den meisten Unfällen ist menschliches Versagen im Spiel, vieles spricht dafür, dass ihre Anzahl durch autonome Fahrzeuge deutlich zurückgehen wird.

Verkehrsprobleme der Großstädte werden mit autonomen Fahrzeugen nicht gelöst

Doch manches bremst die Euphorie. Auch das beste Auto braucht einen Antrieb, was die Umwelt beeinträchtigt, und es braucht Platz. Die Verkehrsprobleme der Großstädte werden mit autonomen Fahrzeugen nicht gelöst. Sie werden sogar verschärft, wenn die Politik weiterhin große Schritte wie eine City-Tax oder entschieden bessere Bedingungen für Nah- und Radverkehr scheut. Und die rollenden Roboter können gehackt werden. Kriminelle, die es auf Wertsachen oder die Insassen selbst abgesehen haben, könnten die Autos zum Anhalten zwingen. Terroristen könnten die Fahrzeuge als ferngelenkte Waffen missbrauchen.

Über allem aber steht die Frage, wie verhindern autonome Fahrzeuge, dass Personen zu Schaden kommen? Das Bundesverkehrsministerium lässt gerade eine Kommission „Leitlinien für Algorithmen entwickeln, welche die Fahrzeugreaktionen in Risikosituationen bestimmen“. Sachschaden vor Personenschaden, lautet eine Forderung aus dem Hause Dobrindt.

Die Sensoren können Menschen und Gegenstände nur schwer erkennen

Völlig richtig, nur können die Sensoren der fahrerlosen Autos Objekte und Personen längst nicht so gut erkennen wie der Mensch. Die optischen Systeme liefern lediglich Messwerte für jedes einzelne Pixel und leiten daraus ab, um welches Objekt es sich handeln könnte. Das hat Tücken. Der Autopilot im Tesla zum Beispiel hatte wohl einen weißen Lkw-Anhänger mit einem Schild verwechselt. Es werde noch lange Zeit dauern, bis Computer in dieser Hinsicht so zuverlässig arbeiten wie Menschen, warnt Patrick Lin von der California Polytechnic State University in San Luis Obispo.
Angenommen, die Autos der Zukunft können das eines Tages – sollen sie einen „Ethik-Algorithmus“ erhalten? Jean-Francois Bonnefon von der Toulouse School of Economics und Kollegen konfrontierten hunderte Probanden mit Situationen wie dieser: Ein autonomes Fahrzeug nähert sich schnell einer Fußgängergruppe und kann nicht bremsen. Soll es weiterfahren oder gegen eine Wand lenken, was jedoch den Tod des Fahrzeugbesitzers und weiterer Insassen bedeutet? Die Mehrzahl wollte Autos, die die Zahl der Todesopfer um jeden Preis gering halten, auch wenn es Insassen trifft. Kaufen wollte so ein Auto aber niemand, im Gegenteil: Die Befragten wollten maximalen Schutz für sich und ihre Mitfahrer.

Entwickler und Behörden sollten genau überlegen, was sie auf die Straße lassen

Ist das unethisch? Auf jeden Fall ist es menschlich. Und so würde jeder in der eingangs beschriebenen Situation versuchen, das Leben des Passanten zu schonen, aber nicht das eigene aufs Spiel setzen. Es gibt keinen Grund, von einem autonomen Fahrzeug etwas anderes zu verlangen. Wenn diese Technik sich durchsetzen soll, muss sie für alle Beteiligten berechenbar sein. Wie weit der Weg noch ist, zeigt der Fall Tesla. Er ist ein guter Anlass für Entwickler und Zulassungsbehörden, genau zu prüfen, was sie auf die Straße lassen und was nicht. Ist das Vertrauen verspielt, fällt die automobile Revolution aus. Das wäre schade.

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