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Studieren in der Sonne. Die Unis bieten für Bachelors kürzere Auslandsaufenthalte an (im Bild die Uni Genua).

© IMAGO

Auslandsaufenthalt: Bachelor auf Reisen

Wie klappt ein Auslandsaufenthalt in den neuen Studiengängen? Die Berliner Unis wollen mehr Studenten zum Austausch motivieren.

„Ich möchte im Ausland studieren, am liebsten in einem englischsprachigen Land. Und schnell soll es gehen.“ Wenn Michael Färber hinter seinem Tisch in der Infothek des Akademischen Auslandsamts der TU Berlin sitzt, hört er diese Sätze regelmäßig. Michael Färber berät als Tutor Studierende mit Interesse an einem Auslandsstudium. Den meisten seiner Kommilitonen, die ihre Auslandspläne lieber heute als morgen in die Tat umsetzen möchten, muss der Student der Stadtplanung erst einmal einen Dämpfer verpassen: Von der ersten Idee bis zum Semesterstart an einer Universität im Ausland können bis zu eineinhalb Jahre vergehen. Deshalb ist der Rat, den Färber den Interessenten gibt: Früh mit der Planung anfangen, am besten schon im ersten Semester. Denn eines braucht man für die Planung wie für den Studienaufenthalt im Ausland: Zeit.

Genau diese Zeit fehlt Bachelor- und Master-Studenten – so klagen zumindest viele. Studenten, die in den neuen Studiengängen eingeschrieben sind, entscheiden sich laut einer Studie des Hochschul-Informations-Systems (His) seltener für einen Auslandsaufenthalt als ihre Kommilitonen, die auf Magister und Diplom studieren. Im Jahr 2009 hatten 15 Prozent aller Bachelor-Studenten einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt absolviert – also ein Auslandsstudium, ein Praktikum oder einen Sprachkurs. Dagegen waren ein Drittel aller Diplom-Studenten und die Hälfte aller Magister-Studenten im Ausland.

Deutschlandweit ist die Zahl der Studenten, die mit dem Erasmus-Programm an einer europäischen Universität studieren, seit zwei Jahren rückläufig, wie der diesjährige Erasmus-Jahresbericht des Deutschen Akademischen Austauschdienstes belegt. Auch die Berliner Hochschulen sind betroffen: Setzt man die Zahl der Erasmus-Studenten in Relation zur Studierendenzahl insgesamt, dann liegt Berlin im Ländervergleich nur auf Platz zwölf. Die FU schickte 2006/2007 bundesweit noch die zweitmeisten Studenten nach Europa. 2008/2009 lag sie auf Platz neun. Insgesamt schickte die Uni im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 20 Prozent weniger Studenten ins Ausland als noch im Vorjahr. Auch die HU verzeichnete einen Rückgang bei den Erasmus-Studenten. Sie fiel 2008/2009 in der Erasmus-Statistik von Platz drei auf Platz zehn zurück. Nur an der TU blieben Zahl der Studienaufenthalte im Ausland nach eigenen Angaben stabil.

Die Berliner Unis wollen diesen Trend umkehren und in diesem Jahr wieder deutlich mehr Studierende ins Ausland schicken. Für die Auslandsämter bedeutet das: Umdenken. Früher kamen die Studenten von alleine zu ihnen, heute müssen sie massiv für das Auslandsstudium werben. Alle drei großen Unis haben Marketingkampagnen gestartet. Sie geben aufwändig gestaltete Broschüren heraus und gehen in Veranstaltungen – teilweise schon bei den Erstsemestern. Studienplätze im Ausland gibt es mehr als genug: An FU, HU und TU stehen den Studierenden mehr als 3000 pro Jahr zur Verfügung. Neben den Erasmus-Programmen haben die drei Unis mehrere hundert Partnerschaftsverträge mit Hochschulen in aller Welt – mit unterschiedlichen Schwerpunkten: Die FU setzt auf die USA, die HU auf Osteuropa. Die TU schickt viele Studenten nach China.

Warum zögern Studierende, ins Ausland zu gehen? „Der Bologna-Prozess war eine Mobilitätsbremse“, sagt Carola Beckmeier, Leiterin des Akademischen Auslandsamts der TU. Die Bachelor- und Masterstudiengänge seien sehr verschult und ließen weniger Freiraum für ein Auslandsstudium. Zudem habe sich in den Köpfen der meisten Bachelor-Studenten festgesetzt, in sechs Semestern den Abschluss in der Hand haben zu müssen, sagt Günter Schepker, Leiter des Akademischen Auslandsamts der FU. „Die Angst, zu lange zu studieren, ist zu groß.“ Deshalb wollten viele Bachelor-Studenten nur ein Semester weg.

Darauf hat die FU reagiert und bietet nun ein kürzeres USA-Programm an. Bachelor-Studenten aller Fächer können sich für einen von insgesamt 25 Studienplätzen an kalifornischen Unis bewerben. Die Studenten sind nur von September bis März in den USA und können zum Sommer wieder an der FU einsteigen.

Noch schwieriger als im Bachelor ist es im zweijährigen Master, ein Auslandssemester einzuschieben. Wer weg möchte, muss sich gleich in den ersten Wochen nach Studienbeginn bewerben – oder von vornherein einen Master studieren, bei dem ein Auslandsaufenthalt integriert ist, so wie bei den Doppelmaster-Programmen der TU. Nach zwei Jahren Studium – eines davon im Ausland – erhalten die Studenten hier einen Abschluss aus zwei Ländern. „Die Doppelabschluss-Programme richten sich aber nur an eine kleine Zahl von Studenten“, sagt Carola Beckmeier vom Auslandsamt. Sie plädiert dafür, dass in allen Studiengängen ein Semester für einen Auslandsaufenthalt reserviert wird.

In den neuen Studiengängen ist genau festgelegt, welche Module mit welchen Inhalten für den Abschluss nötig sind. Module laufen oft über mehrere Semester – ein zusätzliches Hindernis für einen Auslandsaufenthalt. Um die Anerkennung von im Ausland besuchten Kursen schon vor der Abreise zu klären, müssen an der HU alle Studenten ein „Learning Agreement“ mit ihrem Institut schließen. Darin ist genau festgelegt, was ihnen an der Heimatuni anerkannt wird.

Durch eines lassen sich die Studenten aber am besten überzeugen, so die Erfahrung der Auslandsämter: Erfahrungsberichte von Kommilitonen, die bereits im Ausland studiert haben. Die Auslandsämter sehen zudem die Professoren in der Pflicht: „Es wichtig, dass sie die Studenten motivieren“, appelliert Günter Schepker von der FU. Die Studenten, die in seine Sprechstunde kommen, ermutigt er zur Bewerbung: „Ein interessantes Auslandssemester erhöht eure Chancen auf dem Arbeitsmarkt viel mehr als ein Studium in Regelstudienzeit.“ Wer ins Ausland wolle, müsse längst nicht immer einen Einser-Durchschnitt haben, sagt er. Eigeninitiative und Durchhaltevermögen seien wichtiger. Ann-Kathrin Nezik

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