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Leistungsträger. Aus Bioabfällen wie Laub kann Pflanzenkohle hergestellt werden. Sie begünstigt das Wachstum der Pflanzen.

© picture alliance / dpa

Biokohle: Schwarzer Schatz

Die Erdbeerernte um über 80 Prozent steigern? Der Botanische Garten verbessert den Boden mit einem neuen, klimafreundlichen Verfahren.

Die Blätter dämpfen die Großstadtgeräusche, es riecht nach nassem Waldboden. Der Rotbuchenwald, der die Besucher des Botanischen Gartens am Eingang Königin-Luise-Platz im Südwesten Berlins empfängt, ragt dicht in den Himmel. Nur eine Buche am Wegrand fehlt, übrig geblieben ist ein trauriger Stumpf. Daneben eine Informationstafel: Der Baum sei von einem holzzersetzenden Pilz befallen und sicherheitshalber gefällt worden.

Früher hätte das Buchenholz den Botanischen Garten schnell verlassen, es wäre irgendwo zersägt, entsorgt, verbrannt worden. Heute sieht das anders aus. Alles, was an Biomasse anfällt, bleibt an Ort und Stelle. Seit fünf Jahren betreibt der Botanische Garten Kreislaufwirtschaft, mit dem Ziel, sowohl Geld zu sparen als auch die eigene Kohlendioxidbilanz maßgeblich zu verbessern.

Der Torf kam aus baltischen Hochmooren

Nur was anstellen mit 2000 Kubikmetern pflanzlichen Rückständen, die im Laufe eines Jahres anfallen, weil Äste geschnitten, Bäume gefällt, Rasen gemäht werden muss? Vor dieser Aufgabe stand das „TerraBoGa“-Forschungsteam der Freien Universität Berlin. Nach fünf Jahren Arbeit wurden nun die ersten Ergebnisse vorgestellt. Konstantin Terytze, Professor für Geowissenschaften an der FU und wissenschaftlicher Leiter von TerraBoGa, scheut dabei keine Superlative: „Das Projekt ist einzigartig.“ Erstmals sei es gelungen, in einer so großen Anlage wie dem Botanischen Garten den Kreislauf zu schließen. Und das „in einem urbanen Umfeld, mitten in der Stadt!“

Bislang war ausgerechnet der 43 Hektar große Botanische Garten mit seinen rund 22 000 Pflanzen kein Vorbild für Nachhaltigkeit. Der Torf, der als Grundlage für viele Topfpflanzungen benötigt wird, stammt aus Hochmooren im Baltikum. In großen Mengen musste er eingekauft und nach Berlin transportiert werden. Viel Geld gab der Botanische Garten außerdem für Dünger aus, mit dem die Pflanzen versorgt werden konnten. Der eigene Grünschnitt wurde wiederum von der Berliner Stadtreinigung entsorgt und größtenteils verbrannt. Alles in allem ergab das eine schlechte Ökobilanz.

Bioabfälle im Druckkochtopf

Die neue Strategie der Wissenschaftler beruht auf mehreren Säulen. Zum einen wurde die Kompostierung wiederbelebt und ausgeweitet. Ein Schredder und ein Kompostwender wurden angeschafft. Nun landet der komplette Grünschnitt des Gartens auf dem Kompost.

Der sperrige Rest, Strauchschnitt und Stammholz, wird zu „Biokohle“. So bezeichnen Experten pflanzliche Reste, die unter Sauerstoffmangel in kohliges Material umgewandelt werden (weiteres zum Ursprung von Pflanzenkohle finden Sie hier). Dafür wurde eine kleine Karbonisierungsanlage errichtet, die pro Stunde aus 20 Kilogramm gehäckselter Frischmasse 5 Kilo Biokohle herstellt. Der Stoff gilt als wahres Wundermittel, seit Jahren wird weltweit an seiner Nutzung geforscht. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Herstellungsverfahren: Bei der hydrothermalen Karbonisierung (HTC) werden Bioabfälle in einer Art Druckkochtopf zusammen mit Wasser erhitzt. Es entsteht ein Schlamm aus Braunkohlekügelchen. Bei der Pyrolyse, die im Botanischen Garten angewendet wird, wird gehäckselte Biomasse in einem Holzvergaser verschwelt. Die dabei entstehende Biokohle lässt sich zur Verbesserung der Bodenqualität und als natürliches Hilfsmittel bei der Kompostierung einsetzen. Biokohle kann zudem andere Stoffe gut fixieren und ist daher ein hervorragendes Träger- und Bindemittel für Nährstoffe.

Kohlenstoff wird gebunden - das kommt dem Klima zugute

Die größten Hoffnungen aber setzen Wissenschaftler in eine weitere Eigenschaft der Biokohle: Sie könnte zu einem Instrument gegen den Klimawandel werden, denn sie bindet langfristig große Mengen an Kohlenstoff und entlastet damit die Atmosphäre. Während des Wachstums nehmen die Pflanzen viel CO2 auf, das in Laub und Holz gebunden ist. Nach dem Absterben setzen chemische Reaktionen ein, in deren Folge Kohlendioxid wieder freigesetzt wird. Bei der Verkohlung hingegen verwandelt sich die Biomasse in eine stabile, schwer abbaubare, porenreiche Materie, die zusammen mit dem Kompost im Boden zur dauerhaften Humusbildung beiträgt.

Nur reichen diese Humuseffekte, um im Botanischen Garten künftig auf Dünger, zugekauften Kompost und den ökologisch fragwürdigen Torf zu verzichten? Kathrin Rößler, Mitarbeiterin des TerraBoGa-Teams, berichtet von ermutigenden, wenn auch uneinheitlichen Ergebnissen bei den Freilandversuchen.

Die Erdbeeren gedeihen prächtig, der Weißkohl hingegen bleibt cool

Während die Carica Papaya mithilfe des Biokohlekompostsubstrats deutlich größer wurde als Vergleichspflanzen, ließ sich die Coffea Arabica kaum von dem neuen Untergrund beeindrucken. Der Oleander wuchs auf Biokohlekompost zwar nicht schneller, entwickelte aber deutlich mehr Knospen. Die Weißkohlernte blieb stabil, aber die Erdbeeren explodierten förmlich, sobald sie auf Biokohlekompost standen: 83 Prozent Mehrertrag maßen die Forscher. „Insgesamt ergibt sich kein einheitliches Bild“, resümiert Rößler. „Aber wir konnten langfristige positive Wirkungen bei Bodenstruktur und Pflanzengesundheit beobachten.“

Besser waren die Ergebnisse teilweise, wenn die Biokohle mit menschlichem Urin versetzt wurde. Dieser natürliche Dünger fällt im Botanischen Garten ebenfalls in großen Mengen an. Seit 2010 einige Sanitäranlagen umgerüstet wurden, kann er dank wasserloser Urinale und Trenntoiletten direkt aufgefangen und verwendet werden. Die Besucher bemerken davon nichts, die neuen Toiletten unterscheiden sich in Optik und Gebrauch nicht von herkömmlichen Modellen.

Dass auch diese Biomasse nun Teil des geschlossenen Stoffkreislaufs ist, lässt Konstantin Terytze auf vielfältige Anwendungen hoffen. Zwar läuft das Projekt im Botanischen Garten in diesem Jahr aus, doch es gibt schon Interessenten. Das Konzept ließe sich auf Parkanlagen oder städtische Grünflächen übertragen, sagt der Wissenschaftler. Pflanzliche Abfälle gibt es in der Großstadt genug, statt sie umherzutransportieren und außerhalb der Stadt zu entsorgen, könnten sie vor Ort kompostiert oder verkohlt werden.

Auch der Berliner Tierpark ist an dem Verfahren interessiert

In den nächsten Monaten werden die Forscher ihre Ergebnisse zusammenfassen und allgemeine Handlungsanleitungen formulieren. Dann hoffen sie auf viele Nachahmer weltweit, etwa andere Botanische Gärten, Parkanlagen, Zoos. Denn wo zu dem Pflanzenschnitt auch menschliche oder tierische Exkremente hinzukommen, sind derartige Stoffkreisläufe finanziell und ökologisch besonders sinnvoll. Womöglich muss Terytzes Team für künftige Kooperationen gar nicht so weit fahren. Mit dem Berliner Tierpark, der ebenfalls reichlich Biomasse entsorgen muss, sind die Wissenschaftler bereits im Gespräch. „Die sind sehr interessiert.“

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