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Neurologie: Chili lindert Schmerzen

Aktive Bestandteile der Chilischote lindern Schmerzen, ohne andere Empfindungen zu beeinträchtigen.

Eine Anästhesiemethode, die den Schmerz nimmt, ohne Taubheit zu verursachen oder die Bewegungsfähigkeit zu nehmen, wurde entwickelt. Konventionelle Lokalanästhetika wirken, indem sie unterschiedslos alle Kanäle einer Nervenzelle blockieren, so dass Bewegungsfähigkeit und Empfindungen ebenso blockiert werden wie Schmerz. Die neue Methode kombiniert zwei Komponenten, die sich auf schmerzleitende Nervenzellen in einem bestimmten Bereich richten, sensorische und motorische Funktionen jedoch unbeeinträchtigt lassen. Sie könnte sich in Situationen, in denen eine Anästhesie erforderlich ist, der Patienten aber auch Kontrolle über seine Muskeln oder seine Bewegungsfähigkeit braucht, als nützlich erweisen, zum Beispiel unter der Geburt oder bei bestimmten zahnmedizinischen Eingriffen. Bruce Bean von der Harvard Medical School in Boston und seine Kollegen gehen den Schmerz gezielt an, indem sie sich einen bestimmten Ionenkanal mit der Bezeichnung TRPV1, der nur in schmerzleitenden Nervenzellen vorkommt, zunutze machen. Dieser Kanal wird durch Capsaicin, das in der Chilischote enthalten ist, geöffnet. In Zellkulturen nutzten die Wissenschaftler Capsaicin, um die Ionenkanäle zu öffnen, so dass das von ihnen ausgewählte Lokalanästhetikum mit der Bezeichnung QX-314 in die Zelle eindringen konnte. QX-314 ist dem gängigen Lokalanästhetikum Lidocain ähnlich, im Gegensatz dazu kann es jedoch erst wirken, wenn es in die Zelle gelangt ist. Das Team entdeckte, dass Capsaicin das Eindringen des Anästhetikums lediglich in schmerzleitende Nervenzellen ermöglicht, wo es ihre Aktivität dämpfte. Die Kombination beider Komponenten zeigte ihre Wirkung ebenso bei lebenden Tieren. Wurde Ratten QX-314 plus Capsaicin injiziert, reagierten sie nicht auf einen normalerweise schmerzhaften Reiz an ihren Füßen, nachdem das Schmerzmittel einmal seine Wirkung entfaltet hatte. Die Ratten bewegten sich jedoch normal. Die Ergebnisse wurden online in Nature veröffentlicht (1).

Zusammen besser

Capsaicin wird bereits als Schmerzmittel bei Erkrankungen, bei denen schmerzleitende Nervenfasern überaktiv sind, eingesetzt, erklärt Michael Caterina von der Johns Hopkins University School in Baltimore, der ebenfalls Studien zum TRPV1-Kanal durchgeführt hat. Durch die Capsaicin-Gabe werden die Nervenenden überstimuliert, was eine Desensibilisierung zur Folge hat. Wie die Verbindung zu Chilipfeffer nahe legt, verursacht es jedoch ein unangenehmes brennendes Gefühl und kann nicht in hohen Dosen verabreicht werden. Caterina meint, was in der neuen Studie demonstriert wurde, sein ein cleverer Trick, der es möglich mache, dieses Problem zu umgehen. Werden Capsaicin und das Anästhetikum zusammen gegeben, ermöglicht Capsaicin dem Anästhetikum den Zugang zur Zelle, wo es seine Wirkung entfalten kann und der Schmerz (darunter das brennenden Gefühl) gelindert wird. "Die Verbindung wurde im Himmel geschlossen", sagt er.

Besser für Babys

In zahlreichen Situationen wäre eine Lokalanästhesie, die den Patienten weder lähmt noch benommen macht, von Nutzen. Allen voran Geburten, bei denen der Erhalt der Muskelkontrolle wichtig ist. Die übliche Peridualanästhesie, bei der das Anästhetikum in das Rückenmark injiziert wird, um die in die unteren Extremitäten und den Bauch führenden Nervenfasern zu blockieren, blockiert gleichfalls das Empfinden und die Bewegungsfähigkeit, wodurch es der werdenden Mutter schwerer fällt, das Baby hinauszupressen. Der Einsatz ist darüber hinaus in der Zahnmedizin denkbar, wo das Blockieren bestimmter Nerven zu unliebsamem Speichelfluss führen kann. Die Methode könnte ebenfalls bei der Behandlung chronischer Schmerzpatienten eingesetzt werden. Die klinische Anwendung zu etablieren, sollte nicht allzu schwierig werden, denn beide Substanzen sind bereits für den klinischen Einsatz zugelassen. "Wir gehen davon aus, dass es ebenso sicher sein wird, wie Lidocain", sagt Co-Autor Clifford Woolf, Anästhesiologe am Massachusetts General Hospital in Boston. "Wir denken, es könnte ziemlich schnell zu therapeutischen Vorteilen führen." Bean geht davon aus, dass ein paar Verfeinerungen die Methode noch effektiver machen werden. "Möglicherweise gibt es weitere Wirkstoffe, die länger anästhesierend wirken."

(1) Binshtok A. M., Bean, B. P. & Woolf C. J. Nature doi:10.1038/nature06191 (2007).

Dieser Artikel wurde erstmals am 4.10.2007 bei news@nature.com veröffentlicht. doi: 10.1038/news2007.140. Übersetzung: Sonja Hinte. © 2007, Macmillan Publishers Ltd

Kerri Smith

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