zum Hauptinhalt
Baystian Sick

© dpa

Contra Bastian Sick: „Polizeigehabe hilft bei der Sprache nicht“

Sick of Sick: Der Linguist Meinunger ist gegen Sprachdünkel - und das Schwarz-Weiß-Denken von Bastian Sick.

Herr Meinunger, in Ihrem Buch „Sick of Sick?“, zu Deutsch: „Krank von Sick?“, möchten Sie zeigen, dass Sprache meistens komplizierter, manchmal aber auch wesentlich einfacher ist, als es der Linguist Bastian Sick in seinen populären Büchern darstellt. Können Sie ein Beispiel nennen?


Eines meiner Lieblingsbeispiele für seinen Sprachdünkel ist die Behauptung, „Sinn machen“ sei ein Anglizismus, der nicht in die deutsche Sprache gehöre. Denn „machen“ sei ein Verb, das aus dem Indogermanischen herrühre und von „kneten“ komme, und kneten könne man nur etwas, das man anfassen kann, Teig zum Beispiel. Wer so argumentiert, übersieht dabei völlig, dass das meiste, das wir im Deutschen „machen“, eigentlich abstrakt ist. Also man kann „Spaß machen“, irgendwas kann „Freude machen“, irgendwas „macht einem Sorgen“. „Sinn machen“ passt wunderbar zur deutschen Sprache, das ist kein Anglizismus, den man verteufeln müsste.

Oft herrscht Unsicherheit. Zum Beispiel bei der korrekten Anwendung des Genitiv – oder muss es heißen: des Genitivs? Und heißt es nun „die Anschläge des 11. September“ oder „des 11. Septembers“?

Fest steht, dass Namen, wenn ein Artikel dabei ist, nicht genitivisch mit s gebeugt werden müssen: „Die Hochzeit des Figaro“, „Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“. Und das trifft auch auf Namen für Daten mit historischer Bedeutung zu. Zur „Straße des 17. Juni“ würde keiner „Straße des 17. Junis“ sagen.

Und heißt es nun „am 28. Oktober diesen Jahres“ oder „dieses Jahres“?

Die meisten Menschen halten „diesen Jahres“ für richtig oder wenigstens akzeptabel, sogar Nachrichtensprecher! Eifrige Sprachhüter protestieren heftig, ihre Argumentation ist: Man sagt nie „der Anzug diesen Menschen“ oder „das Fell diesen Bären“ – also: der Genitiv von „dieser“ ist immer „dieses“, aber auch hier gibt es sprachintern Gründe, warum diesen mit n statt s hier grammatikalisch durchaus sinnvoll ist. Möglich ist es allemal.

Also gibt es im Deutschen nicht nur Richtig oder Falsch?

Ja, das ist wohl ein Problem. Die Leute haben ein Bedürfnis nach konkreten Vorgaben. Aber sprachlicher Ausdruck richtet sich auch nach dem Kontext, nach der Sprechsituation. Und es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache. Einfache Rezepte helfen da nicht weiter.

Sie schreiben in Ihrem Buch: „Seitdem Menschen sprechen, beklagen sie den Verfall der Sprache.“

Sprache verändert sich ständig. Ich finde vieles, was passiert, auch nicht gut. Aber ich bin davon überzeugt, dass man mit diesem Polizeigehabe der Sprache gegenüber eigentlich nichts erreicht.

Welche Lektüre würden Sie Menschen empfehlen, die sich intensiver mit Grammatik beschäftigen möchten?

Ich würde sagen: Lernt Fremdsprachen. Das macht sensibel für sprachliche Feinheiten. Aber die beste Schulung ist eigentlich, gute Literatur zu lesen.

Das Gespräch führte Eva-Maria Götz.

Das Buch von André Meinunger „Sick of Sick? Ein Streifzug durch die Sprache als Antwort auf den ,Zwiebelfisch’“ ist 2008 im Kadmos-Verlag erschienen und kostet 12,80 Euro.

ANDRÉ MEINUNGER forscht am Zentrum für Allgemeine Sprachwissenschaft in Berlin und lehrt an der Universität Leipzig, der Humboldt-Universität und der Medizinischen Akademie Berlin

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false