zum Hauptinhalt
Manuskript-Kultur. In Bamako werden erste Handschriften aus Timbuktu restauriert, die vor der Zerstörung durch den IS gerettet wurden.

© CSMC/Universität Hamburg

Der "Islamische Staat" bedroht Kulturgüter: Zweite Rettung für Timbuktus Bücher

Hunderttausende alter Handschriften und Dokumente aus Timbuktu wurden 2012 vor den Kämpfern des IS versteckt. Jetzt werden sie in Mali mit deutscher Hilfe restauriert.

In 2400 Metallkisten hat Abdel Kadar Haidara das Kulturerbe seiner Heimat gerettet. Mit seinen Mitstreitern brachte der Generaldirektor einer der größten Bibliotheken Timbuktus rund 285 000 Dokumente und Manuskripte vor den 2012 heranstürmenden Kämpfern des IS in Sicherheit. In Malis Hauptstadt Bamako sollen die Schätze, die zum Unesco-Welterbe gehören, nun so restauriert werden, dass sie der Nachwelt endgültig erhalten bleiben.

Bis dahin ist allerdings noch viel zu tun. „Die klimatischen Bedingungen in Bamako sind anders als in Timbuktu und viele Werke haben wir noch nicht einmal ausgepackt“, berichtete Haidara jetzt in Düsseldorf bei der Gerda-Henkel-Stiftung. Die Stiftung hat bislang gut 600 000 Euro zur Rettung der Dokumente zur Verfügung gestellt, vom Auswärtigen Amt, das schon einmal 500 000 Euro gegeben hat, kommen jetzt weitere 350 000 Euro.

Jahrhundertealte Schriften

In Haidaras Bibliothek lagerten mehr als 300 000 naturwissenschaftliche, philosophische und theologische Schriften des frühen 12. bis ins 20. Jahrhundert. „Darunter sind viele Werke, die uns noch heute helfen, Konflikte zu verstehen, zum Beispiel gab es schon früher religiöse Fanatiker“, sagt Abdel Kader Haidara. Als die IS-Kämpfer in die Stadt einrückten, wurden die Werke der Bibliothek zunächst in verschiedenen Privathäusern versteckt, weil alle Beteiligten zunächst davon ausgingen, dass der IS schon bald wieder verschwinden würde.

Gemeinsam mit Freunden entwickelte Haidara dann einen verwegenen Plan. „Wir haben uns entschieden, die Werke unauffällig aus der Stadt zu schaffen.“ In der Zeit von August 2013 bis Januar 2014 schickten sie die 2400 Metallkisten auf den gefährlichen Weg ins 700 Kilometer entfernte Bamako, pro Fahrzeug selten mehr als zwei Koffer. „Die Fahrer mussten neun Kontrollpunkte überwinden, wurden beschossen, weil man glaubte, sie schmuggeln Waffen und konnten ihr Leben nicht selten nur deshalb retten, weil sie Geld zahlten.“ Immerhin gelang es, rund 95 Prozent der Werke zu retten.

Deutsche Hilfe beim Konservieren der Manuskripte

In Bamako versucht man nun auch mit deutscher Hilfe, die Luftfeuchtigkeit in den aktuellen Räumen zu senken. Eine Solaranlage liefert unabhängig von der Energieversorgung in Bamako den notwendigen Strom. Unterstützt werden Haidara und Kollegen vom Hamburger Centre for the Study of Manuscript Cultures (CSMC) unter Leitung von Michael Friedrich. Die deutschen Experten haben damit begonnen, Umfang und Zustand der Manuskript-Bestände zu untersucht und sie helfen dabei, sie zu sichern und zu erhalten. Vor allem leisten sie Hilfe zur Selbsthilfe, bilden Bibliothekspersonal vor Ort in den Konservierungstechniken aus.

Haidara hofft auf zusätzliche Unterstützung durch die Unesco – deren Hilfe er zunächst ablehnen musste. Während der Evakuierung hatte das Welterbekomitee von den Plänen der Retter erfahren. „Die Unesco wollte öffentlich eingreifen, das musste ich auf jeden Fall verhindern, denn dann hätte der IS erfahren, was wir machen“, sagt Haidara. Jetzt will er noch einmal auf die Organisation zugehen – um sie für Unterstützung bei der zweiten Rettung zu gewinnen.

Zur Startseite