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Zwei Dinosaurier aus dem Film Dinosaurier 3 D - Im Reich der Giganten.

© dpa/Constantin Film Verleih

Die Welt der Dinosaurier: Zertretene Schalen und Spuren im Schlamm

Aus wenigen Knochen und Abdrücken im Gestein rekonstruieren Paläontologen die Lebensumstände von Dinosauriern. Dabei schauen sie den Giganten der Urzeit buchstäblich ins Nest.

Der kleine Patchi hat es nicht leicht. Sein Vater ist zwar der unangefochtene Boss in der Pachyrhinosaurus-Herde, er selbst aber ist das kleine Nesthäkchen dieser Dinosaurier. So ziemlich alles geht bei ihm schief, immer wieder hänseln ihn die anderen. Am Ende aber wird der kleine Patchi selbst zum Chef und führt seine Herde erfolgreich durch drohende Gefahren. Dieser Plot dürfte geeignet sein, um vor allem Familien ins Kino zu locken, mögen sich die Macher des Films „Dinosaurier 3D – Im Reich der Giganten“ gedacht haben. Schließlich erlebt Patchi seine Abenteuer in einer realistisch gezeigten Dinowelt, die Kinder und – Hand aufs Herz – auch jung gebliebene Erwachsene fasziniert. Seit gut einer Woche läuft der Film in deutschen Kinos. Mancher Zuschauer mag sich fragen, wie realistisch das Gezeigte ist. Wie können Wissenschaftler aus ein paar Knochen und Fußspuren eine ganze Welt rekonstruieren?

Eine der zahlreichen Fragen – neben denen nach Aussehen und Lebensweise der Tiere – lautet: Kümmerten sich Dinosaurier überhaupt um ihren Nachwuchs, wie es der Film bei den Pachyrhinosauriern nahelegt? Bei dieser Frage denkt Daniela Schwarz-Wings vom Museum für Naturkunde in Berlin gleich an eine der größten Blamagen in der Dinoforschung. „Da hatten Wissenschaftler die Reste von Knochen auf einem Nest mit Eiern gefunden“, berichtet sie. Mit seinem kräftigen, eigentümlich geformten Schnabel konnte das Tier sicher sehr gut Eier knacken, vermuteten die Paläontologen. Offensichtlich hatten sie also einen Räuber auf frischer Tat geschnappt, der gerade das Nest einer anderen Art plündern wollte. So hatte die Gattung auch gleich ihren Namen Oviraptor oder „Eierdieb“ weg. „Damit lagen die Forscher allerdings falsch“, sagt Schwarz-Wings. Als später nämlich weitere Fossilien andere Oviraptoren gefunden wurden, konnte die Gattung von der Anklage des Eierraubes freigesprochen werden – tatsächlich bewachten diese Dinosaurier ihre eigenen Eier. Und mit den starken Schnäbeln knackten sie vermutlich keine Eier, sondern Muschelschalen.

Genau hinsehen: Wer zertrat die Schalen der Eier?

„Neue Funde können in der Dinosaurierforschung bisherige Theorien eben leicht widerlegen“, sagt Benjamin Englich, der gerade an der Bonner Universität in dieser Disziplin promoviert. Schließlich basieren die Indizienbeweise oft genug auf mageren Hinweisen.

Die Ausgräber müssen sich daher ein Nest mit Dino-Eiern sehr genau anschauen: Liegen dort Eischalen, die offensichtlich zertreten wurden? Finden sich in der Nähe Pflanzenreste? Wenn ja, haben die Eltern vermutlich um die Eier Pflanzenreste gelegt, die langsam verrotteten und dabei das Gelege wärmten. Genau so machen es Krokodile noch heute. „Um selbst zu brüten, waren einige Dinosaurier einfach zu schwer“, vermutet Englich. Das zeigen zum Beispiel ganze Kolonien mit Nestern von sehr großen Sauriern, in denen kein einziges Ei zerdrückt und keine Eischale zertreten ist. Wären die riesigen Tiere in dieser Kolonie gewesen, hätten sie sicher ab und zu ein Ei oder die Schale einer bereits geschlüpften Brut zertrampelt.

Andererseits zeigen Eischalen, die von kleinen Füßen zertreten wurden, dass der Nachwuchs nach dem Schlüpfen offensichtlich längere Zeit im Nest blieb und ab und zu auf seine Eischale tappte. In dieser Zeit jedoch sollte sich zumindest ein Elternteil um die Kleinen gekümmert haben. „Bei vielen heute lebenden Krokodilen kümmert sich die Mutter intensiv um den Nachwuchs und verteidigt ihr Nest mit Zähnen und Krallen“, sagt Schwarz-Wings. Mithilfe solcher Beispiele aus verwandten Tiergruppen versuchen die Forscher ihre Funde sozusagen „zum Leben zu erwecken“.

Dino-Federn unter dem Elektronenmikroskop

Noch näher als Krokodile sind Vögel mit den Dinosauriern verwandt. Tatsächlich haben Wissenschaftler bei Dinofossilien auch Hinweise auf Federn gefunden. Vor allem die Fleischfresser trugen anscheinend Federn auf dem Leib. So auch der vermeintliche Eierdieb, der vermutlich mit den Federn an seinen Vorderbeinen sein Gelege warm hielt.

„Die Federn wärmten nicht nur, sie waren vielleicht auch Schmuck und machten die Tiere für das andere Geschlecht attraktiver“, sagt Schwarz-Wings. Als die Forscher nämlich die versteinerten Spuren der Federn im Elektronenmikroskop untersuchten, fanden sie Strukturen, die frappierend an Melanosomen erinnern. Diese Miniorgane in den Zellen geben den Federn heute lebender Vögel ihre Farbe. Für diese Farben ist Kupfer sehr wichtig. Am Gehalt des Kupfers und seiner genauen Lokalisation können die Forscher dann Melanosomen voneinander unterscheiden. Das verrät ihnen zwar keine Farbe, aber immerhin, ob die Feder gemustert war. „Nun wissen wir, dass der Urvogel Archaeopteryx Federn mit einem dunklen Rand und hellerer Innenfläche hatte “, sagt die Wissenschaftlerin.

Spurenleser untersuchen Knochen - und die Struktur des Bodens

Auch die Knochen verraten allerhand über die Urzeittiere. „Raue Stellen zeigen, dass dort Muskeln oder Sehnen angesetzt haben“, erläutert der Bonner Paläontologe Englich. Und wieder vergleichen die Forscher ihre Befunde mit den Knochen heute lebender Vögel, um sich ein Bild von der längst verschwundenen Dinomuskulatur und damit auch vom Körper dieser Tiere zu machen. Manchmal überdauern auch versteinerte Spuren die Jahrmillionen bis heute. „Gemeinsam mit Bodenspezialisten können wir daraus einiges herauslesen“, sagt Englich. Wurzelreste und die Struktur des Bodens verraten, ob die Tiere einst durch einen Bach oder durch das flache Wasser am Ufer eines Sees gelaufen sind. Mit diesem Wissen wiederum können Biomechaniker die Kräfte genauer bestimmen, die beim Entstehen der Spur gewirkt haben.

Wie im Film: Der Einzelgänger verfolgt eine Saurierherde

Aus der Länge des Fußabdruckes versuchen die Forscher die Länge des Beines abzuschätzen. Sie erlaubt Rückschlüsse auf die Körpergröße. Die Spuren liefern auch Hinweise auf das Fortbewegungstempo: Menschen und Tiere setzen beim langsamen Gehen ihre Schritte oft so, dass die Füße etwas auseinandergerückt sind und eine breite Spur entsteht. Je schneller sie laufen, umso schmaler wird diese. Die gesammelten Schätzdaten verarbeitet dann ein Computerprogramm, das zeigt, wie schnell ein Tyrannosaurier vermutlich rennen konnte. Und ob er mit diesem Tempo Patchis Herde erwischen konnte.

„Ob diese Pflanzenfresser tatsächlich in Herden unterwegs waren, sehen wir ebenfalls an den Spuren“, sagt Englich. Verlaufen die Spuren mehrere Tiere längere Zeit parallel nebeneinander und biegen sie zusammen ab, ohne sich zu kreuzen, waren Dinos wie die Pachyrhinosaurier sicher gemeinsam unterwegs. Kreuzen sich die Spuren dagegen, liefen die Tiere wohl zu verschiedenen Zeiten nur auf ähnlichen Wegen, gehörten aber nicht zu einer Herde. Solche Spuren haben zum Beispiel die Tyrannosaurier hinterlassen. Sie jagten wohl tatsächlich als Einzelgänger die Herde von Patchi – genau wie es der Film auch zeigt.

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