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Am Ende. Mitunter ist der Freitod der letzte Wunsch, den man ans Leben hat.

© picture-alliance / Creasource

Ethikrat: Ärzte wollen Klarheit bei Sterbehilfe

Kommerzielle Sterbehilfe ist in Deutschland strafbar, die private Beihilfe zum Suizid nicht. Aber was ist mit medizinischen Helfern, die dem Schwerkranken persönlich nahe stehen? Darüber hat jetzt der Deutsche Ethikrat diskutiert.

Darf eine Ärztin das tun? Marion Schafroth stellt Rezepte für das Betäubungsmittel Natrium-Pentobarbital aus. Für Menschen, die sich mit ärztlicher Hilfe das Leben nehmen wollen. Die Anästhesistin ist im Vorstand des Schweizer Vereins „Exit“ tätig, zuständig für das Gebiet „Freitodbegleitung“. Dass deutsche Mediziner „keine Hilfe zur Selbsttötung leisten“ dürfen, ist in der Musterberufsordnung der Bundesärztekammer festgelegt. „Wir alle können den Zeitpunkt unseres Todes nicht wählen“, sagt deren Präsident Frank Montgomery.

So unterschiedlich sich die beiden Mediziner zu dem kontroversen Thema äußern – klar ist, dass es sich um eine Frage handelt, die sich Ärzten heute allenfalls in Extremfällen stellt. Schafroth spricht von einer „verschwindend kleinen Anzahl von Menschen, die sich diese Option wünschen.“

Wenn der Deutsche Ethikrat „Suizid und Beihilfe zum Suizid“ zum Thema seines gestrigen Treffens machte, so hat das mit dem Gesetzentwurf zur Änderung des Sterbehilfe-Gesetzes zu tun, den das Bundesjustizministerium vorgelegt hat. Kommerzielle Suizidhelfer machen sich ihm zufolge strafbar. Im privaten Rahmen aber steht die Beihilfe zum Suizid, wie der Freitod selbst, weiterhin nicht unter Strafe. Die Ärzte hatte allerdings ein Passus in der Entwurfsfassung irritiert, demzufolge Ärzte und Pflegekräfte, die dem Sterbewilligen persönlich nahestehen, ebenfalls ausdrücklich von der Strafandrohung ausgenommen werden. „Ohne den Satz hätten wir das Problem möglicherweise gar nicht bemerkt. Doch nun wünschen wir uns eine Klärung“, sagte Montgomery gestern in Berlin.

Auch in der Standesordnung seiner Schweizer Kollegen ist festgehalten, dass Beihilfe zur Selbsttötung keine ärztliche Aufgabe ist. Sie bleibe auf jeden Fall straffrei, solange keine „selbstsüchtigen Beweggründe“ dahinter stünden. Die Anästhesistin legte denn auch Wert darauf, dass der Verein Exit nicht gewinnorientiert arbeite. Die Urteilsfähigkeit der Menschen, die sich das Leben nehmen, werde in psychiatrischen Gutachten ermittelt, ebenso wie die Beständigkeit ihres Todeswunsches, die Hoffnungslosigkeit ihrer gesundheitlichen Situation und die Unerträglichkeit ihres Leidens.

Ob über alle diese Punkte wirklich Klarheit gewonnen werden kann, daran ließen die Mitglieder des Ethikrates immer wieder Zweifel erkennen. „Gibt es nicht oft lebensbejahende Anteile, die man fördern kann?“, fragte Christiane Woopen, Vorsitzende des Gremiums. Durchaus, und für viele Menschen sei es schon beruhigend, dass es im Hintergrund eine Organisation wie Exit (oder die in Deutschland wesentlich bekanntere Dignitas) gebe, entgegnete Schafroth. „Gerade Schmerzpatienten schaffen es, viele Jahre weiterzuleben, wenn sie wissen, dass sie Hilfe finden würden, falls sie sich das Leben nehmen wollen.“

Ein Verein, der Freitodbegleitung anbietet, als Helfer bei der Suizidprävention? Armin Schmidtke, der Vorsitzende des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland, will die Menschen lieber über die Möglichkeiten der Palliativmedizin und des würdigen Sterbens informieren. Die Forschung habe eine Gemeinsamkeit aller Menschen ausgemacht, die sich das Leben nehmen: die Überzeugung, „keine Freiheitsgrade des Handelns mehr zu haben“.

In der Diskussion wurde aber auch deutlich, dass die Angst davor durch die technischen Möglichkeiten der modernen Medizin zugenommen hat. Wie komplex die Fragen sind, zeigt wiederum das Beispiel Schweiz: Dort habe der Bundesrat im letzten Jahr auf eine für das ganze Land gültige strafrechtliche Neuregelung der organisierten Suizidhilfe verzichtet und die Sache den Kantonen überlassen, berichtete die Züricher Juristin Brigitte Tag. Dafür wurde ein großes Forschungsprogramm „Lebensende“ beschlossen. Adelheid Müller-Lissner

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